Ratgeber für IT-Fachhändler, Retailer und Webshop-Betreiber

Mehrwertsteuer-Senkung – was jetzt zu tun ist

30.06.2020 von Annika Haucke
Die Umsatzsteuer wird abgesenkt – befristet ab dem 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 - auf fünf beziehungsweise 16 Prozent. Dies ist am 29. Juni 2020 abschließend von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Nun fragen sich stationäre IT-Fachhändler, Retailer und Webshop-Betreiber: „Was bedeutet das für mich?“ Das sind die wichtigsten Aufgaben, die nun erledigt werden müssen.
 
  • Tipps für Fachhändler und Retailer
  • Was der Online-Handel tun muss
  • Was bei der Rechnungsstellung zu beachten ist
  • Es gilt der Zeitpunkt der Leistungserbringung
  • Umsatzsteuer-Voranmeldung
In der zweiten Jahreshälfte 2020 gelten verminderte Mehrwertsteuersätze, das freut die Kunden, aber Händler müssen erst die ihre Systeme umstellen.
Foto: oneinchpunch - shutterstock.com

Ab dem 1. Juli gilt bis Jahresende 2020: Statt 19 Prozent fallen nur 16 Prozent Mehrwertsteuer an - beim ermäßigten Steuersatz fünf statt sieben Prozent. Dies bedeutet für alle Unternehmer eine große Umstellung. Dazu gehören insbesondere folgende Punkte, die zu beachten sind.

Rechnung richtig ausstellen

Unternehmer müssen ihre Rechnungen mit dem niedrigeren Umsatzsteuersatz ausstellen. Das gilt auch, wenn sie ausschließlich Unternehmer als Kunden haben und sich die Mehrwertsteuer-Senkung für sie faktisch gar nicht auswirkt. Sie müssen also ihre Rechnungsvorlage anpassen und sowohl den Text und die ausgewiesenen Steuersätze als auch die Höhe bei jeder Einzelrechnung überprüfen.

Denn ist die Rechnung nicht korrekt, drohen Nachzahlungen. Außerdem kann bei einem falschen Umsatzsteuerausweis der andere Unternehmer die Mehrwertsteuer nicht voll anrechnen und der Vorsteuerabzug geht zum Teil verloren. Man muss die Rechnung also korrigieren, wenn sie falsch erstellt wurde.

Auch lesenswert: Mehrwertsteuer-Umstellung für den Handel eine Herausforderung

Wichtig: Es ist allein der Leistungszeitpunkt (letzter Tag der Leistung) relevant für die Besteuerung. Unerheblich ist, wann die Leistung vereinbart wurde, wann die Rechnung gestellt oder wann sie bezahlt wurde.

Beispiel:
Unternehmer A erbringt am 20. Juni 2020 eine Leistung an B.B leistet noch am 30. Juni 2020 per Vorauskasse.A stellt die Rechnung am 1. Juli 2020.Da es auf die Leistung ankommt, kommt noch der Steuersatz von 19 Prozent zur Anwendung.

Abwandlung:
B zahlt per Vorauskasse am 30. Juni 2020 und stellt am gleichen Tag die Rechnung.A liefert aber erst am 1. Juli 2020.Hier sind 16 Prozent Mehrwertsteuer abzuführen.

Wichtig ist auch, dass Unternehmer stets ihre Eingangsrechnungen hinsichtlich des Leistungszeitpunktes und der ausgewiesenen Mehrwertsteuer prüfen.

Preisauszeichnungen anpassen

Unternehmer müssen daran denken, ihre Preise richtig auszuweisen: Sind die Preisschilder, Regalbeschriftungen und Etikettierungen korrekt? Sind die Preise auf der Internetseite und im Warenkorb angepasst?

Meinung: Bitkom begrüßt die Absenkung der Mehrwertsteuer

Da bei einem Warenverkauf im Laden der Übergabezeitpunkt der Ware entscheidend ist, muss die Preisauszeichnung pünktlich zur Ladenöffnung am 1. Juli 2020 erfolgen. Online-Shops können dagegen anders planen: Denn hier kommt es auf die Übergabe der Ware an den Paketdienst an. Hier ist es also sinnvoll, Bestellungen schon am 30. Juni 2020 mit 16 Prozent auszuzeichnen und am 1. Juli 2020 zu liefern.

In diesem Zuge sollte jeder Unternehmer, der Waren an Endverbraucher abgibt, für sich auch überlegen: Möchte er die Ersparnis an den Kunden weitergeben und die Bruttopreise senken? Hier ist der Unternehmer frei in der Entscheidung. Es macht natürlich einen guten Eindruck beim Kunden, wenn der Unternehmer dazu beiträgt, dass die Wirtschaft und die Kaufkraft gestärkt werden. Und damit können sie dann auch werben und sich eventuell von anderen Wettbewerbern abheben.

Leistungszeitpunkte bei Gutscheinen überprüfen

Aufpassen müssen Unternehmer bei Gutscheinen. Unterschieden wird hier zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen. Bei einem Mehrzweckgutschein ist der Ort der Leistung oder der Umsatzsteuersatz im Vorfeld noch unklar. So kann eine Guthabenkarte eines Restaurants auch für Speisenlieferungen außer Haus oder möglicherweise sogar im Ausland eingesetzt werden. Auch Amazon-Gutscheine fallen unter Mehrzweckgutscheine.

Glosse: Die wunderbare Mehrwertsteuersenkungs-Show

Bei Einzweckgutscheinen steht der Ort der Leistung und der Umsatzsteuersatz dagegen von vornherein fest, zum Beispiel bei einem Gutschein für ein Konzert oder Theaterbesuch. Haben Sie einen Einzweckgutschein beispielsweise im letzten Jahr verkauft und löst der Kunde diesen nach dem 30. Juni 2020 ein, gilt der ursprüngliche Verkauf als Umsatz. Es bleibt dann also bei 19 Prozent Umsatzsteuer.

Diese Regelung gilt nicht für Mehrzweckgutscheine. Hier ist für die Umsatzsteuer der Zeitpunkt der Einlösung entscheidend. Deshalb sind Mehrzweckgutscheine beim Kaufen umsatzsteuerfrei. Erst beim Einlösen entsteht Umsatzsteuer.

Buchhaltung und Umsatzsteuer-Voranmeldung anpassen

Wichtig ist natürlich auch, Buchhaltung und Umsatzsteuer-Voranmeldung anzupassen. Wer die richtigen Buchhaltungssysteme hat, die die Änderungen bereits im System haben, wird es nicht schwer haben. Andere dagegen haben einen größeren Aufwand. Für diese Unternehmer ist es dann umso ärgerlicher, dass sie ihre Systeme sechs Monate später noch einmal "zurückanpassen" müssen.

Lesetipp: Folgen der Mehrwertsteuersenkung für Managed Service Provider

Umsatzsteuer-Umstellung bei stationären IT-Händlern und Retailern

Kasse umstellen

Für stationäre Händler wie IT-Händler mit Kasse spielt eine ganz große Rolle: Sie müssen rechtzeitig ihre Kassensysteme anpassen. Idealerweise muss am 1. Juli 2020 um Mitternacht die Kasse automatisch von 19 Prozent auf 16 Prozent Umsatzsteuer umspringen. Unproblematisch dürfte es allerdings für fast jeden Einzelhändler sein, die Kasse erst am Morgen umzustellen, bevor der erste Kunde den Laden betritt, da kaum jemand um Mitternacht seinen Laden geöffnet hat. Und Leistungszeitpunkt ist hier der Zeitpunkt der Übergabe.

Mietzahlungen prüfen

Für stationäre IT-Händler und alle anderen Händler mit Mietvertrag gibt es eine weitere Besonderheit, auf die sie achten sollten: Die Mehrwertsteuer-Senkung gilt auch für Dauerleistungen - wie den Mietvertag. Die Abrechnung über die Miete muss also ab Juli 16 Prozent Mehrwertsteuer ausweisen. Dahingehend muss er die Rechnung beziehungsweise Zahlung unbedingt überprüfen.

Mehrwertsteuer-Senkung im Online-Handel

Was passiert einem Online-Händler, wenn er sich nicht rechtzeitig um die erforderlichen Anpassungen gekümmert hat? Dann wird es jetzt knapp: Denn wer ab dem 1. Juli 2020 einen falschen Steuerbetrag ausweist, muss diesen auch an das Finanzamt abführen. Rechnungen müssen Unternehmer stellen, die selbst an Unternehmer liefern oder grenzüberschreitend in der EU verkaufen (dann auch, wenn sie an Verbraucher liefern).

Wann ist der Leistungszeitpunkt?

Gerade bei Online-Händlern ist das Thema Vorauszahlungen problematisch. Denn Leistungszeitpunkt ist der Tag der Lieferung. Zum Monatswechsel wird es also häufig vorkommen, dass die Bestellung, Rechnungsstellung und Bezahlung noch im Juni ausgeführt wurden. Die Lieferung wurde aber erst im Juli durchgeführt. Dann wäre in diesem Fall die Rechnung zu korrigieren.

auch interessant: Steuerfalle für Internet-Händler

Wer vor dem 1. Juli 2020 etwas bestellt hat, hat eine Rechnung mit 19 Prozent Umsatzsteuer erhalten, wenn alles korrekt lief. Der Kunde hat diese Rechnung wohl auch bezahlt. Der Leistungszeitpunkt ist allerdings erst der Lieferzeitpunkt. Und das ist beim Onlinehandel erst, wenn die Ware das Lager verlässt beziehungsweise an den Spediteur übergeben wird. Und in allen Fällen, in denen die Ware erst nach dem 30. Juni 2020 an die DHL und Co. übergeben wird, wird in diesem Moment die Rechnung falsch.

Beispiel:
B bestellt bei A am 25. Juni 2020 Ware und erhält eine Rechnung, die er sofort bezahlt.
A übergibt die Ware am 2. Juli 2020 an DHL.
Folge ist nun, dass A die Rechnung korrigieren und B drei Prozent Steuern zurückzahlen muss.
Das kann man zwar manuell machen, aber das ist in vielen Fällen kompliziert.

Preise umstellen

Für Online-Händler besonders ärgerlich ist, wenn sie in verschiedenen Bereichen über verschiedene Shops ihre Leistungen anbieten. Wer also nur Amazon-Waren anbietet, muss sich über die Umstellung keine Sorgen machen. Aber wer seinen eigenen Onlineshop noch nicht umgestellt hat, wird nun Probleme bekommen und sollte sich so schnell wie möglich darum kümmern.

Für Retouren gilt übrigens: Verkaufen Online-Händler Waren, die ihre Kunden einige Monate später zurückschicken und sich das Geld erstatten lassen, können sich die Online-Händler die vormals abgeführte Umsatzsteuer zurückholen - und zwar in Höhe der damals korrekt abgeführten Umsatzsteuer.

Achtung: Retoure ist etwas anderes als der Umtausch im umsatzsteuerlichen Sinne. Hier sendet der Kunde das Produkt zurück, verlangt aber ein anderes Produkt. Es handelt sich um eine neue Lieferung, der Steuersatz richtet sich nach dem Zeitpunkt der (neuen) Versendung.

Checkliste für die Umsatzsteuer-Senkung

„Unternehmer müssen jetzt schnell handeln. Eine Checkliste hilft da weiter – oder Sie holen sich sofort Hilfe bei einem Steuerberater, der am schnellsten weiß, was zu tun ist“, empfiehlt Marc Müller, Steuerberater und Vorstand der felix1.de AG Steuerberatungsgesellschaft.

Das könnte Sie auch interessieren: Bitcoin-Miner müssen Steuern zahlen