Back Market gegen Cdiscount

Mehrwertsteuer-Krimi bei Refurbished-Smartphones

15.11.2024 von Peter Marwan
Der zuletzt auch in Deutschland deutlich aktivere Refurbished-Spezialist Back Market wirft der französischen E-Commerce-Plattform Cdiscount auf ihrem Marktplatz illegale Verkaufspraktiken mit gebrauchten Smartphones vor. Der 500-Millionen-Euro-Trick könnte auch in Deutschland funktionieren.
Das Geschäft mit generalüberholten Smartphones ist lukrativ und wächst - aber immer mehr unseriöse Anbieter machen den seriösen Plattformen das Leben schwer.
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Back Market litt in Frankreich in den vergangenen Monaten unter der Konkurrenz des dort sehr wichtigen Online-Marktplatzes Cdiscount. Dessen Geschäftspraktiken halten die Refurbishing-Spezialisten allerdings für "unfair". Deshalb wandte sich Back Market jetzt an die Finanzbehörden und prangerte das Verhalten seines Mitbewerbers an. Laut BMFTV, einem französischen Business-TV-Sender, könnte sich der dem Staat durch Mehrwertsteuertricks entgangenem Betrag auf bis zu 500 Millionen Euro summieren.

Zuvor hatte das Unternehmen mehrere Monate die Website seines Konkurrenten beobachtet, um dort illegale Verkäufer zu identifizieren. Briefkastenfirmen oder Domizilierungsgesellschaften behaupten demnach gegenüber der E-Commerce-Plattform, europäische Unternehmen und daher nicht verpflichtet zu sein, Mehrwertsteuer an sie zahlen zu müssen - führen aber selbst keine Mehrwertsteuer ab.

"Die Nichtzahlung der Mehrwertsteuer ermöglicht es diesen Verkäufern, niedrigere Preise anzuzeigen", erklärt Laurent Lamoureux, Präsident des französischen Refurbisher-Branchenverbandes Sirrmiet gegenüber BFMTV. Die Preise der gängigsten iPhones bei Cdiscount lägen somit 20 bis 30 Prozent unter denen bei Amazon, Fnac (einem anderen großen französichen Onlinehändler) oder Back Market.

Die Verkäufer nutzen dabei eine Gesetzeslücke aus. Plattformen sind verpflichtet, Mehrwertsteuer für Anbieter zu erheben, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben. Wer seinen Firmensitz in Europa hat, muss dagegen die Mehrwertsteuer beim Verkauf in Frankreich direkt an die Steuerbehörden abführen.

Cdiscount weist Vorwürfe zurück

"Die Richtlinie von Cdiscount zur Mehrwertsteuererhebung steht in vollem Einklang mit den geltenden Vorschriften", verteidigt ein Sprecher der Plattform die derzeit gängige Praxis gegenüber BFMTV. "Bei Verdacht auf Mehrwertsteuerbetrug bitten wir den betreffenden Verkäufer um einen Nachweis über die Einhaltung der Steuervorschriften. Andernfalls werden wir automatisch Mehrwertsteuer auf seine Verkäufe berechnen".

Back Market kritisiert Cdiscount vor allem dafür, dass es nicht prüft, ob Verkäufer tatsächlich Europäer sind. Anfang des Jahres forderte die französische Steuerbehörde alle E-Commerce-Akteure auf, ihre Kontrollen diesbezüglich zu verschärfen. Amazon, Fnac und Back Market hätten "aufgeräumt", erklärt ein Insider dem Business-Sender. Zum Beispiel Back Market verlange nun Belege: Rechnungen, URSSAF-Erklärungen (Zahlung von Sozialabgaben) oder Mietverträge für Büros. Back Market habe mehrere Verkäufer rausgeworfen, die jetz teilweise bei Cdiscount aktiv seien. Cdiscount bestreitet das.

Marktanteile verschieben sich

BFMTV sieht in den unsauberen Mehrwertsteuer-Praktiken einen wesentlichen Faktor der in den vergangenen Monaten beobachteten Verschiebung von Marktanteilen. Cdiscount konnte bei seinen Marktplatz-Aktivitäten im dritten Quartal ein Plus von 8 Prozent beim Umsatz verzeichnen - nach Rückgängen von vier respektive zwei Prozent im ersten und zweiten Quartal.

In Frankreich werden jedes Jahr drei bis vier Millionen generalüberholte Smartphones verkauft. Der Graumarkt mit Umgehung der Mehrwertsteuer mache davon zwischen 25 bis 30 Prozent aus. Die ehrlichen Plattformen und der Staat seien die Verlierer.

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