Oft entwickeln Systemhäuser eigene Lösungen, weil sie am Markt nichts finden, was auch nur annähernd die Bedürfnisse ihrer Kunden befriedigen würde. Kommt diese Software bei Kunden dann gut an, wandeln sich manche dieser Systemhäuser zu reinen Software-Vendoren. Andere spalten sich auf - in eine reine IT-Dienstleistungssparte und in eine (oder auch mehrere) Produkt-Companys, die wiederum ihre eigenen Vertriebskanäle aufbauen.
Dienstleister und Produktlieferant
Ein Paradebeispiel für einen derartigen "Zwitter" stellt die Allgeier-Gruppe dar. Zum einen agiert der IT-Dienstleister als ein bedeutender SAP- und Microsoft-Partner, zum anderen entwickeln und vermarkten die Mitglieder der Gruppe eigene Lösungen. Erst zum 1. März 2022 wurde eine weitere Tochtergesellschaft gegründet - die auf IT-Security spezialisierte Allgeier CyRis GmbH.
Deren Geschäftsführer Thomas Becker ist ein großer Befürworter von vollumfänglich gemanagten Software-Umgebungen: "Unsere Kunden fragen Managed Services - insbesondere im Bereich Cybersecurity - vermehrt nach, da es für sie immer schwieriger wird, mit den sich ständig verändernden und immer komplexer werdenden Bedrohungsszenarien Schritt zu halten." Nach Erfahrungen des Allgeier-Managers verlagern immer mehr Unternehmen die Sicherung ihrer IT-Infrastruktur nach außen, um die Reaktionsfähigkeit im Ernstfall und die damit verbundene Aufrechterhaltung ihrer Geschäftsfähigkeit sicherzustellen.
Noch nicht ganz so weit sind offenbar die Kunden von SoftwareOne, wie der dort für Deutschland zuständige Managing Director Jens Gerken betont: "Es haben noch nicht alle Unternehmen erkannt, dass Managed Services nötig sind, um wirklich alle Vorteile einer Business-Software auszuschöpfen." Demnach beziehen zwar viele Kunden die benötigte Software aus der Cloud (Software as a Service, SaaS), lassen sich dabei aber von IT-Dienstleistern nicht unterstützen.
Laut Gerken sind viele Unternehmen äußerst preissensitiv, was die Kosten für Managed Services betrifft, doch der Managing Director bei SoftwareOne Deutschland kennt auch hierfür einen Ausweg: Sogenannte FinOps könnten helfen, die Betriebskosten für Managed Services zu begrenzen. Dass Managed Services für Kunden von Vorteil sind, ist für den SoftwareOne-Manager unstrittig. Er warnt aber vor Qualitätseinbußen bei zu geringem Funktionsumfang der gelieferten Dienste.
Den Trend zum Bezug von Managed Services hat sich auch die Ostertag DeTeWe GmbH zunutze gemacht: "Viele unserer Kunden fragen danach", sagt der Firmenchef Manuel Ferre Hernandez: "Kundeninterne IT-Teams sind mit umfangreichen Digitalisierungsprojekten komplett ausgelastet. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an Infrastruktur und Lösungsdesign immer größer werden." Er empfiehlt seinen Kunden Managed Services, damit sie ihre interne IT entlasten können. Das schwäbische Systemhaus integriert zum Beispiel Telefonie-Funktionen in Microsoft Teams - mittels der selbstentwickelten cloudbasierten Telekommunikationslösung "OD Cloud". Betrieben wird diese TK-Anlage dann von Ostertag DeTeWe als Managed Service.
Eine individuelle Lösung hat auch Krämer IT entwickelt. Zuerst hat das saarländische Systemhaus die eigenkreierte IT-Monitoring-Software "Server-Eye" nur selbst eingesetzt, um IT-Systeme seiner Kunden zu überwachen, doch schon bald sprach sich die Qualität dieser Lösung im Markt herum und Krämer IT war quasi "gezwungen", hierfür einen eigenen Vertrieb aufzubauen. Mittlerweile ist Server-Eye zu einer professionellen RMM-Lösung (Remote Monitoring & Management) herangereift und wird über die Distributoren Bytec und Wortmann vertrieben. Damit können auch Reseller ihre eigenen Managed Services steuern.
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Mit der selbst entwickelten Digitalisierungsplattform PDiX kann die Technidata IT-Gruppe komplette Arbeitsabläufe bei ihren Kunden digitalisieren: von der mobilen Datenerfassung über die Validierung und Qualitätssicherung bis hin zu Archivierung und Integration der Daten in ERP-, CRM- und Dokumenten-Management-Systeme.
Eigene Cloud-Marktplätze
Sowohl Managed Services als auch SaaS-basierte Cloud-Lösungen bietet Cancom an: "Das ist ein Leistungsversprechen, das dem traditioneller Softwarelizenzen in vielen Punkten überlegen ist", meint Khaled Chaar. Die neuen Vertriebswege bergen aber auch ein paar Fallstricke: "In Sachen Konditionen, SLAs (Service Level Agreements) und Compliance wird das ganze komplexer", so der Cancom-Manager. Seiner Meinung nach gestaltet sich nicht nur der Einkauf, sondern auch der Betrieb derartiger Cloud-Lösungen schwieriger.
Auch deshalb hat das Münchner Systemhaus einen eigenen Cloud-Marktplatz entwickelt, von dem Kunden nicht nur die gewünschten Applikationen bequem beziehen, sondern auch managen und abrechnen können: "Inzwischen bedienen wir so bereits über 1.000 Endkunden mit mehr als einer halben Million Nutzern", gibt Chaar an. Ähnlich aufgebaute Cloud-Marktplätze bieten auch andere Systemhäuser an, etwa ACP oder Bechtle, und natürlich haben auch Distributoren diesen Vertriebsweg für sich entdeckt. Cloud-Markplätze existieren bei den drei großen Broadlinern Also, Ingram Micro und Tech Data, sowie bei vielen Value Added Distributoren -stellvertretend sei hier der Arrowsphere-Cloud-Marktplatz vom , dem Pionier auf diesem Geschäftsfeld, genannt.
Erik Sterck, Gründer des gleichnamigen Systemhauses im schwäbischen Leonberg, ist mit demn am Markt vorrätigen SaaS-Lösungen durchaus zufrieden: "Wir arbeiten mit dem vorhandenen Standard-Angebot und sehen eher wenig Bedarf an Customizing oder erweiterter Flexibilität." Der Tätigkeitsschwerpunkt der Erik Sterck GmbH ist aber auch ein anderer: Sie berät Kunden im Data-Center- und Cloud-Umfeld. Darüber hinaus konzentriert sich das Unternehmen auf die Automatisierung der IT-Abläufe bei Kunden.
Genau zu diesem Zweck hat das Systemhaus "FramES" entwickelt, eine Software, die Auslieferung und Provisionierung von Containern und Services beschleunigt und vereinfacht. Seit Februar vertreibt Erick Sterck diese Lösung auch über den VAD (Value Added Distributor) Prianto. Die Zusammenarbeit mit diesem VAD verläuft laut Sterck bisher sehr positiv: "Die von Prianto angeschobenen Marketing-Aktionen wie Web-Events brachten uns neue Gespräche und Zugänge."
Alle von uns befragten IT-Dienstleister bestätigten uns, dass noch so viel Software entwickelt und "ausgeliefert" wurde wie während der Pandemie. Weil viele Mitarbeiter ins Home-Office umziehen mussten, stieg der Bedarf an zusätzlichen Lösungen, etwa zur Anbindung der heimischen Clients der Anwender an die IT-Ressourcen ihrer Arbeitgeber, immens an. Die Implementierung von reinen Cloud-Lösungen erwies sich dabei als sehr hilfreich.
Pandemie sorgte für einen massiven Digitalisierungsschub
Das bestätigt auch Jens Gerken: "Die Anbindung und Vernetzung von Systemen hat an Bedeutung zugenommen, und digitale Cloud-Lösungen machen unsere Kunden unabhängig und flexibel." Aber die IT-Landschaften in den Unternehmen ändern sich derzeit rasend schnell, die nötigen Anpassungen müssen dementsprechend zeitnah erfolgen. Daher empfiehlt der SoftwareOne-Deutschland-Chef seinen Kunden, Software immer mit dem dazugehörigen Servicepaket zu erwerben. So behielten die internen IT-Abteilungen Spielraum für die Weiterentwicklung der unternehmenseigenen strategischen Digitalisierungsinitiativen.
Auch Cancom vertreibt praktisch keine Software mehr auf dem klassischen Weg: "Drop Shipping samt der Übermittlung von Lizenzschlüsseln findet praktisch nicht mehr statt", berichtet Khaled Chaar. Der Cloud-Marketplace-Chef bei Cancom findet, dass sich die Erwartungshaltung der Kunden diesbezüglich ebenso weiterentwickelt hat: "Dies zeigt natürlich auch Auswirkungen auf die vorgelagerten Vertriebsprozesse. Digitale Verkaufs- und Deployment-Routinen sind inzwischen die Basis für effiziente und erfolgreiche Kundenbeziehungen."
Thomas Becker kann dieser Aussage voll zustimmen: "Die Pandemie hat sich als Katalysator für die zunehmende Digitalisierung von Vertriebskanälen erwiesen." Auch der Allgeier-Manager hat die Erfahrung gemacht, dass aufgrund von Reisebeschränkungen und Lockdowns die klassische Beratung der Kunden vor Ort schlicht und ergreifend nicht mehr möglich war. Aber seine Kunden haben diese "Fernbeziehung" akzeptiert, sie verlangen jedoch stets nach einem persönlichen Ansprechpartner beim IT-Dienstleister.
Digitaler Vertrieb im Kommen
Dass der Beratungsbedarf bei Kunden in der Tat steigt, das beobachtet auch Erik Sterck: "Das Software-Angebot hat sich vervielfacht und ist deutlich komplexer geworden. In vielen Produktsegmenten gibt es Unmengen von Nischenanbietern, daneben aber eben auch große Player, deren Software-Pakete mal mehr und mal weniger modular aufgebaut sind", meint der Systemhausinhaber. Seiner Erkenntnis nach muss der Vertriebler dem Interessenten ein digitales Angebot unterbreiten. Der Trend gehe eindeutig zu SaaS- und Abonnement-Modellen. Die Möglichkeiten der Kaltakquise betrachtet Sterck als stark limitiert. Grund dafür sind für ihn die verschärften Datenschutzbestimmungen, Stichwort: DSGVO.
Ähnliche Erfahrungen hat auch Ostertag-DeTeWe-Chef Manuel Ferre Hernandez gemacht: "Unsere Kunden wünschen sich überall mehr Flexibilität." Und dazu passten kurzfristig kündbare Software-Abonnements deutlich besser als klassische Lizenzen mit langen Laufzeiten. Das auf TK-Lösungen spezialisierte Systemhaus kombiniert eigenentwickelte Software mit externen Cloud-Services und schnürt daraus auf die Bedürfnisse der Kunden angepasste Software-Pakete.
Dabei ist der Beratungsbedarf zuletzt deutlich nach oben gegangen: "Im Hinblick auf Prozessoptimierung und Systemintegration müssen unsere Vertriebler heute viel mehr Beratungsarbeit leisten als noch vor ein paar Jahren", so Ferre Hernandez zu ChannelPartner.
Wie steht es um die am Markt angebotene Software?
Die auf Software-Vertrieb und -Implementierung spezialisierten IT-Dienstleister verfügen über einen gutenÜberblick über die am Markt vorhandene Software. "Es gibt einige sehr innovative Lösungen am Markt, die unser Innovation-Team kontinuierlich beobachtet, prüft und testet. Nach dem Best-of-Breed-Prinzip wählen wir dann die Technologien aus, die am besten zu unseren Kunden und deren Anforderungen passen", lautet die Devise bei Ostertag DeTeWe.
"Es wird immer spezielle Kundenanforderungen geben, die nicht dem Standard entsprechen", meint Jens Gerken von SoftwareOne. Doch der weltweit agierende Software-Spezialist weiß hier einen Ausweg - Application Services. "Damit helfen wir Unternehmen, ihre geschäftskritischen Applikationen zu modernisieren und in die Cloud zu migrieren. Doch manchmal hilft auch diese Optimierung nicht mehr und dann wird eine komplette Neuentwicklung nötig", so Gerken.
Dabei nimmt SoftwareOne für sich in Anspruch, den gesamten Erneuerungsprozess abzudecken: von der Analyse der Anforderungen über die Erstellung und Einführung bis hin zum Support sowie zur Weiterentwicklung der Applikation. Meistens geht es hier um SAP-Applikationen, die - den Kundenwünschen entsprechend - angepasst werden müssen.
Michael Krämer, Inhaber des gleichnamigen Systemhauses im Saarland, hat zuletzt den Eindruck gewonnen, dass das Thema "Cloud-Fähigkeit" noch nicht bei allen Business-Software-Anbietern angekommen ist: "Das liegt unserer Erfahrung nach oft auf der veralteten Technologie, die dann mit großem Programmieraufwand angepasst werden muss. Unabhängig davon gibt es zu wenig Konkurrenz zu den Standard-Produkten von Microsoft", so Krämer. Dennoch ist ihm derzeit nicht bange drum: "Aktuell reichen die Angebote der Softwarehersteller für unsere Kunden meist aus."
Cloud-Lösungen sind der On-Premises-Software deutlich überlegen
Das empfindet Khaled Chaar ebenfalls so: "Cloud-Lösungen punkten nicht nur im Leistungsumfang, sondern auch im schnellen und einfachen Unternehmens-Rollout. Etwaige Herausforderungen, etwa durch mangelnde Compliance-Umsetzung oder durch ungenügenden Datenschutz lassen sich in der Regel individuell lösen. Aus Sicht des Cancom-Managers wird Software-as-a-Service im deutschen Mittelstand inzwischen nicht nur akzeptiert: "SaaS ist die neue Normalität."
Das IT-Security-Umfeld ist besonders kurzlebig: Täglich werden neue Sicherheitslücken entdeckt, sodass man darauf nicht mit Standardanwendungen reagieren kann. Daher ist Thomas Becker froh, dass in seinem Unternehmen, der Allgeier-Gruppe, noch viel Software selbst entwickelt wird, sodass man rasch auf neue Herausforderungen bei Kunden reagieren könne. So zum Beispiel mit der Eigenentwicklung "Julia Mailoffice", mit der auch ohne Verschlüsselungssoftware bei Kunden sensible Daten verschlüsselt und sicher übertragen werden können.
Zusammenarbeit mit ISVs wird immer wichtiger
Im Kundenumfeld von Erik Sterck ist mangelndes Sofware-Angebot hingegen kein Thema: "Angesichts der Fülle an Lösungen bleibt fast keine Anforderung mehr unbedient. Unsere Kunden treibt aktuell weit mehr die Frage um, wie die jeweilige Software 'konsumiert' wird - im klassischen SaaS-Modell, über ein hybrides Konzept oder im Rahmen von Managed Services", so der Firmeninhaber zu ChannelPartner.
Verfügt man als Systemhaus in einem bestimmten Softwaresegment nicht über genügend Know-how, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass man eine dazu passende Kundenanfrage unbeantwortet lässt: "Gemeinsam mit einem ISV (Independent Software Vendor) schnüren wir passende SaaS-Pakete oder Managed Services", berichtet Michael Krämer. ERP-Lösungen oder Mail-Server werden dann im Auftrag von Krämer IT auch gehostet. "Dies handhaben wir bereits seit Jahren so, und die Akzeptanz unserer Kunden für diese Services nimmt stetig zu. Hierbei haben wir durchweg positive Erfahrungen gesammelt", so der Firmenchef weiter.
Besondere Beziehungen zu ISVs pflegt Cancom, schließlich möchte der IT-Dienstleister die Softwarehersteller auf seinem Cloud-Marktplatz unterbringen. Hierzu hat Cancom sogar ein dezidiertes ISV Enabling Team etabliert. "Unsere Kunden fordern Self-Service und Management-Prozesse in Echtzeit, doch die Reifegrade der am Markt angebotenen SaaS-Lösungen sind heute sehr unterschiedlich. Wir unterstützen ISVs auf ihrem Weg in die Cloud", betont Khaled Chaar, Vice President Cloud Marketplace bei Cancom.
Ostertag DeTeWe arbeitet mit ausgewählten ISVs zusammen, deren SaaS-Lösungen das Systemhaus auf die eigene cloudbasierte Telekommunikationsplattform "OD Cloud" portiert. Daraus werden individuelle Lösungen zum Managen von Kundenbeziehungen (CRM) und weitere Ergänzungen zum eigenen Kommunika-tionsportfolio gestrickt.
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