Mehr Umsatz in gesättigten Märkten

29.04.2004
"Wir können unsere Umsatzziele nicht erreichen." Diese Klage hören Verkaufsleiter oft vonihren Mitarbeitern. Das Problem ist, dass viele Verkäufer gar nicht wissen, wie sie mehr Umsatzerzielen können. Die entsprechenden Tipps gibt Unternehmensberater Peter Schreiber.

"Die Unternehmen sitzen auf ihren Geldbeuteln. Sie investieren nicht. Deshalb können wir unsere Umsatzziele nicht erreichen." Solche Klagen vernimmt man oft von Verkäufern. Entsprechend defensiv agieren sie im Kundenkontakt. Zuweilen auch, weil sie nicht wissen, wie sie den Umsatz beeinflussen können. Dabei kennen alle die Formel:

Umsatz = Menge x Preis

Folglich gibt es zwei (Grund-)Strategien, wie Verkäufer den Umsatz pushen können: durch ein Erhöhen der verkauften Menge und ein Verbessern der erzielten Preise.

Die verkaufte Menge können Verkäufer steigern, indem sie den vorhandenen Kunden mehr verkaufen oder neue Kunden akquirieren. Fragt man Verkäufer, ob sie das Potenzial eines Kunden ausschöpfen, antworten sie meist "soweit möglich". Fragt man jedoch nach: "Und wie groß ist dessen Potenzial?", erwidern sie meist zögernd, genau könne das niemand sagen. Je nachdem, ob sie mit dessen Einkäufern oder Bereichsleitern sprächen, erhielten sie verschiedene Antworten. Doch woher wissen die Verkäufer dann, dass sie das Potenzial des Kunden "soweit möglich" ausschöpfen, wenn sie dessen Umfang nicht kennen?

Also sollten Verkäufer das Umsatzpotenzial ihrer Kunden selbst erkunden. Dann erfahren sie, wie viel "Mehrumsatz" möglich ist und wie sie das gewünschte Plus erzielen können. Zum Beispiel, indem sie den Lieferanteil beim Kunden erhöhen. Hierdurch sind meist beachtliche Umsatzzuwächse möglich. Ein Beispiel: Wenn das Umsatzpotenzial eines Kunden 500.000 Euro beträgt, dann bedeutet ein Erhöhen der Lieferquote um zehn Prozent 50.000 Euro mehr Umsatz. Das entspricht oft dem Potenzial eines mittleren Kunden. Und was ist leichter? Bei einem Bestandskunden die Lieferquote zu erhöhen oder einen neuen Kunden zu akquirieren?

Das Umsatzpotenzial eines Kunden lässt sich beim Produktverkauf (nicht Projektverkauf) meist leicht ermitteln. Ein Beispiel: Ein Metall verarbeitendes Unternehmen benötigt Schneideplatten, um Metallblöcke zu zerspanen. Ermittelt der Verkäufer nun, dass das Unternehmen

- acht Bearbeitungszentren hat,

- diese im Zwei-Schicht-Betrieb arbeiten und

- pro Schicht zehn Schneideplatten verbrauchen, kann er durch eine simple Multiplikation errechnen, dass das Unternehmen pro Tag 160 und pro Jahr 32.000 Platten benötigt - bei 200 Arbeitstagen/Jahr.

Cross-Selling-Potenziale besser ausschöpfen

Solche "Hochrechungen" haben die meisten Verkäufer im Kopf. Anders sieht es bezogen auf weitere Bedarfsfelder der Kunden aus. Diese werden oft übersehen. Erneut ein Beispiel: Fragen Verkaufsleiter ihre Verkäufer, welche zusätzlichen Umsätze die Firma mit einem Top-Kunden erzielen könnte, erhalten sie oft Antworten wie: "Wenig. Bei der Drehbearbeitung beträgt unser Lieferanteil schon 80 Prozent. Und 20 Prozent der Schneidewerkzeuge möchte der Kunde woanders kaufen, um unabhängig zu sein." Stimmt! Auch solche Faktoren spielen bei der Kaufentscheidung eine Rolle. Doch wie sieht es mit der Fräs- und Bohrbearbeitung aus? Wären hier zusätzliche Umsätze möglich?

In solchen verwandten Bedarfsfeldern ruhen meist viele Cross-Selling-Möglichkeiten. Diese erkennen Verkäufer ohne Unterstützung oft nicht. Also müssen ihre Chefs sie hierzu anleiten. Zum Beispiel, indem sie mit ihnen neben quantitativen Zielen auch qualitative Strukturziele vereinbaren wie: Vom Umsatz sollen 70 Prozent auf Wendeplatten, 20 Prozent auf Fräser und zehn Prozent auf Bohrer entfallen. Über solche Ziele können Verkaufsleiter durchaus beeinflussen, womit und mit wem ihr Unternehmen Umsätze erzielt. Deshalb sind sie für Unternehmen, die ihren Markt strategisch bearbeiten, unverzichtbar.

Neue Kunden gewinnen und mehr Umsatz erzielen

Neue Kunden zu gewinnen heißt in der Regel, Mitbewerbern Kunden abjagen. Dies ist meist schwieriger, als mit bestehenden Kunden mehr Umsatz zu erzielen. Deshalb sollte die Zielvereinbarung von Verkäufern auch Vorgaben enthalten wie: Zehn Prozent des Umsatzes sollen mit Neukunden erzielt werden. Bei den potenziellen Neukunden gilt es, zwischen reinen Wettbewerbskunden und ehemaligen Kunden zu unterscheiden. Bei beiden Gruppen haben Verkäufer oft mentale Barrieren, sie aktiv zu bearbeiten. Bei reinen Wettbewerbskunden lautet die Begründung meist: "Die kauften schon immer bei der Konkurrenz." Und bezogen auf ehemalige Kunden plagt Verkäufer häufig ein "schlechtes Gewissen" - zum Beispiel, weil sich ihr Unternehmen bei ihnen eine "Panne" erlaubte. Deshalb sollten Verkaufs-leiter mit ihren Verkäufern erarbeiten, wie sie solche Zielkunden akquirieren können. Außerdem sollten sie ihnen verdeutlichen: Neukunden könnt ihr nur bei diesen Unternehmen gewinnen. Denn im Markt gibt es kaum weiße Flecken, wo sich keine Mitbewerber tummeln.

Kundenbeziehungen auf- und ausbauen

Beim Versuch, Neukunden zu akquirieren, agieren Verkäufer oft nach der Maxime: "Da hauen wir mit einem niedrigen Preis rein." Dieses Vorgehen ist nur bei Gütern von Erfolg gekrönt, deren Qualität kaum schwankt und die für den Kunden eine geringe Bedeutung haben. Bei ihnen ist es den Unternehmen meist gleichgültig, wer liefert. Hauptsache, der Preis stimmt. Anders ist dies bei Leistungen und Gütern, die für ihre Leistungsfähigkeit und -kraft eine hohe Bedeutung haben. Hier kommen Verkäufer mit "Dumpingangeboten" nicht weit. Vielmehr denkt zum Beispiel ein Abteilungsleiter, der ein solches Angebot erhält: "Mist, wenn mich unser Einkaufsleiter zwingt, dieses Angebot anzunehmen, muss ich die Abläufe modifizieren, das NC-Programm neu programmieren, ... Kurz: Das bedeutet für mich Mehrarbeit." Also ruft er beim aktuellen Lieferanten an und sagt: "Gehe mit deinem Preis so viel runter, dann bleiben wir im Geschäft."

Mit "Kampfpreisen" kommt der Verkäufer also nicht weit. Er muss vielmehr eine Beziehung zu den Endscheidern im Unternehmen aufbauen. Also gilt es zunächst zu ermitteln: Wer sind die Schlüsselpersonen im Prozess der Kaufentscheidung? Mit ihnen muss der Verkäufer eine Beziehung aufbauen. Zum Beispiel, indem er sich mit ihnen regelmäßig trifft - nicht um ihnen unmittelbar etwas zu verkaufen, sondern um ihnen beispielsweise durch das Liefern nützlicher Infos über die Marktentwicklung zu signalisieren: Leute, ich könnte für euch ein interessanter Partner sein.

Die Tür zum Portemonnaie ist geöffnet

Intensiviert sich so der Kontakt mit der Zeit, sagt eine Schlüsselperson gewiss irgendwann: "Gut, dass Sie gerade hier sind. Wir haben da eine Sache, die uns Kopfzerbrechen bereitet. Was würden Sie da vorschlagen?" Die Tür zum "Portemonnaie" des Kunden öffnet sich also einige Zentimeter, und der Anbieter erhält die Chance, bei einem ers-ten Auftrag seine Leistungsfähigkeit zu beweisen. Offeriert er dem potenziellen Neukunden dann eine Lösung, die ihm "schmeckt" und einen erkennbaren Nutzen bietet, fasst er Vertrauen in die Kompetenz des Anbieters und geht mit ihm eine Kunden-Lieferanten-Beziehung ein.

Vielen Verkäufern fehlt die Geduld für ein solch strategisches Vorgehen. Deshalb sollten ihre Chefs mit ihnen Meilensteine auf dem Weg zum "großen Erfolg" vereinbaren. Dann können sie den Fortschritt in der Kundenbeziehung messen, und ihre Mitarbeiter haben bereits auf dem Weg zum Ziel Erfolgserlebnisse. Solche Meilensteine können sein: "Ich treffe mich mit fünf potenziellen Großkunden regelmäßig zum ,Beziehungsaufbau?". Oder: "Ich besuche mit zwei potenziellen Kunden Unternehmen, die schon mit unserem System arbeiten."

Höhere Preise in Verhandlungen erzielen

Der zweite Faktor, über den Verkäufer ihren Umsatz beeinflussen können, ist der Preis. Seine Bedeutung unterschätzen viele Verkäufer. Sie haben sich damit abgefunden, dass in weit gehend gesättigten Märkten die Preise sinken. Also verwenden sie wenig Energie darauf, bessere Preise auszuhandeln. Dabei können sie zumindest beeinflussen, wie schnell die Preise fallen. Wo steht zum Beispiel geschrieben, dass - wie in vielen Branchen üblich - Preisnachlässe in Fünfer-Schritten erfolgen müssen? Sind denn nicht auch 3,75 Prozent möglich?

Um solche Prozentpunkte feilschen Verkäufer oft nicht ausreichend. Dabei sind sie keine "Peanuts". Im Gegenteil: Sie entscheiden oft darüber, ob ein Unternehmen mit Gewinn arbeitet. Dies sollten Verkaufsleiter ihren Mitarbeitern immer wieder verdeutlichen. Ein Beispiel: Ein Zulieferer eines Automobilherstellers macht mit diesem im Jahr 2004 500.000 Euro Umsatz; die Umsatzrendite beträgt fünf Prozent. Also zieht der Zulieferer aus dem Kontrakt einen Profit von 25.000 Euro. Gestehen die Verkäufer in den Verhandlungen für das Folgejahr dem Autohersteller nur ein halbes Prozent Preisnachlass zu, sinkt der Gewinn des Zulieferers um 10 Prozent beziehungsweise 2.500 Euro. Um diesen Gewinnabschlag auszugleichen, müssten die Verkäufer 50.000 Euro Neuumsatz generieren (siehe Beispiel in der Grafik). Verdeutlicht man Verkäufern solche Zusammenhänge und fragt sie dann: "Was ist einfacher, einem Bestandskunden 0,5 Prozent weniger ,Rabatt? zu gewähren oder 50.000 Euro Neuumsatz zu generieren?", dann lautet ihre Antwort stets: "Weniger Rabatt gewähren."

Der Weg vom Erkennen zum Tun ist aber leider oft noch sehr weit. Viele Verkäufer packt spätes-tens, wenn bei der nächsten Verkaufsverhandlung der Einkäufer das "bessere" Angebot des Mitbewerbers zückt, erneut die Angst: "Ohne Preisnachlass verliere ich den Kunden", so die Befürchtung. Entsprechend schnell sind sie hierzu bereit.

Deshalb sollten Verkäufer im Führen von Verkaufsverhandlungen geschult werden. Außerdem sollte das Erzielen bestimmter Preise und somit Gewinnmargen im Entlohnungssystem verankert sein. Denn nichts verdeutlicht einem Verkäufer nachdrücklicher, was seinem Arbeitgeber wichtig ist, als seine Entlohnung.

STECKBRIEF

Peter Schreiber

Peter Schreiber ist Inhaber des Trainings- und Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld und Autor des Buchs "Das Beuteraster - 7 Strategien für erfolgreiches Verkaufen" (Orell Füssli Verlag).

Kontakt:

E-Mail: zentrale@schreibertraining.de

Internet: www.schreiber-training.de

Strategien für erfolgreiches Verkaufen

Zu gewinnen: "Das Beuteraster"

Peter Schreiber ist unter den Verkaufstrainern der Stratege mit dem Auge für das Machbare. Er kennt alle Facetten des operativen Verkaufens aus eigener Praxis und hat diese in sieben praktikablen Strategien zusammengefasst.

In seinem Buch "Das Beuteraster - 7 Strategien für erfolgreiches Verkaufen" geht es nicht nur um die Theorie der Verkaufsstrategie, -technik und -psychologie, sondern insbesondere auch um deren praktische Umsetzung. Dank einer bildhaften Sprache und konkreter Beispiele liest sich das Werk wie ein spannender Roman.

ComputerPartner verlost für seine Leser drei Exemplare des Buchs. Wer ein "Beuteraster" sein Eigen nennen möchte, muss lediglich bis zum 7. Mai 2004 eine E-Mail an die Adresse

redaktion@computerpartner.de schicken mit dem Stichwort "Beuteraster". Damit nimmt er automatisch an der Verlosung teil. MF

Musterrechnung

Wie wirkt sich ein Preisnachlass auf den Gewinn aus?

ohne Preisnachlass

Jahresumsatz mit Kunden 500.000 €

Umsatzrendite 5 %

Gewinn 500.000 € x 0,05 = 25.000 €

Verkäufer gewährt 0,5 Prozent Preisnachlass

neuer Jahresumsatz 500.000 € x 0,995 = 497.500 €

gewährter Preisnachlass 0,5 % = 2.500 €

verbleibender Gewinn 25.000 € - 2.500 € = 22.500 €

nötiger zusätzlicher Umsatz, um Gewinnabschlag auszugleichen

zu erzielender Gewinn 2.500 €

Umsatzrendite 5 %

nötiger Neuumsatz 2.500 € : 0,05 = 50.000 €

Bei einem Preisnachlass von nur 0,5 Prozent muss der Umsatz - bei einer Umsatzrendite von fünf Prozent - um mindestens zehn Prozent gesteigert werden, um den Gewinnabschlag auszugleichen.

Oder anders ausgedrückt: Wenn um 0,5 Prozent höhere Preise erzielt werden, steigt der Gewinn um zirka zehn Prozent.

Quelle: Peter Schreiber & Partner