Wenn einem am 22. Juli von der sonst so stillen Metro AG eine Einladung zu einem kurzfristigen Pressegespräch am 26. Juli auf den Schreibtisch flattert, wird man hellhörig. Zumal hochkarätige Gesprächspartner angekündigt werden: Olaf Koch (Finanzvorstand der Metro AG), Horst Norberg (CEO Media-Saturn), Rolf Hagemann (CFO Media-Saturn) sowie Ralph Heckel (Ex-MSH-Manager, Gründer und heutiger redcoon-Geschäftsführer), wollen über die seitens des deutschen Kartellamts genehmigte Übernahme des Online-Händlers redcoon durch die Media-Saturn Holding (MSH) sprechen und Auskunft über die Multi-Channel-Strategie von Media-Saturn geben. Aha.
Auf der Presseveranstaltung – so wissen wir jetzt – gab Finanzchef Koch bekannt, dass die Elektronikkette Metro-Saturn für das zweite Quartal einen operativen Verlust von 44 Millionen Euro eingefahren hat (Vorjahr: 40 Millionen Euro Gewinn) und europaweit 3.000 Mitarbeitern der Stuhl vor die Türe gestellt wird. Und überhaupt werde Media-Saturn ein knallharter Sparkurs verordnet, um in den nächsten Jahren insgesamt 500 Millionen Euro einzusparen. Als Grund für den Quartalsverlust führt das Management die hohen Investitionen an - wer mag, kann nun überschlagsmäßig ausrechnen, was der redcoon-Deal gekostet haben dürfte.
Gut, das sind nun mal die harten Fakten, könnte man nun sagen. Doch die eigentliche Botschaft ist viel subtiler. Es ist äußerst ungewöhnlich für Metro, explizit und schonungslos die roten Zahlen von Media-Saturn von sich aus ins Rampenlicht zu stellen. Grund dafür kann nur einer sein: Cordes will den internen, seit Langem schwelenden Zwist mit den Media-Saturn-Altbesitzern Erich Kellerhals und Leopold Stiefel weiter in die Öffentlichkeit zerren, allen klarmachen, dass es höchste Eisenbahn ist, dass Metro endlich das Ruder bei Media-Saturn übernimmt. Ansonsten, so die versteckte Botschaft, wird das Geschäft noch weiter den Bach runtergehen.
Vetorecht der Alteigentümer
Dazu muss man wissen: Trotz der Mehrheit von 75,4 Prozent haben Kellerhals (hält 21,62 Prozent) und Stiefel (hält rund drei Prozent) das Sagen und nicht der "Finanzinvestor aus Düsseldorf", wie man Metro in der Ingolstädter Zentrale gerne tituliert. Denn fast alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung müssen laut Statuten mit 80 Prozent Mehrheit gefällt werden. Und dafür ist die Zustimmung der Alteigner nötig. Das kommt einem Vetorecht gleich. Und das stinkt Cordes ungemein. Er möchte seine Pläne in Sachen Multi-Channel-Strategie, also den zusätzlichen Einstieg ins Online-Geschäft, schon längst verwirklicht sehen. Doch Kellerhals und Stiefel bremsen Cordes immer wieder aus. Online-Handel ja, aber nicht auf Metro-Art.
Das Kraut muss es Cordes dann letzte Woche endgültig ausgeschüttet haben. Seinen Plan, einen Beirat zu installieren, der mit einfacher Mehrheit an der Gesellschafterversammlung vorbei Beschlüsse fassen kann, machte das von Kellerhals angerufene Landgericht Ingolstadt zunichte. Zwar sei die Gründung eines Beirates völlig in Ordnung, doch es müsse auch hier das gleiche Recht wie im Gesellschaftervertrag gelten, sprich: die 80-Prozent-Regelung.
Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, war die Presseveranstaltung nichts anderes als ein Politikum, ein öffentliches Abwatschen der abwesenden Kellerhals und Stiefel, inszeniert und in Szene gesetzt von Metro-Chef Eckhard Cordes, vorgetragen durch seine Manager.
Masterplan liegt auf dem Tisch
Es wird spannend bleiben, wie das ungleiche Paar seine Multi-Channel-Strategie umsetzen wird. Ein paar Pflöcke haben die Abgesandten aus Düsseldorf gleich mal in den Boden gerammt: Der Online-Auftritt von Saturn.de geht im Oktober an den Start, Media Markt folgt im nächsten Jahr. Bis 2015 soll der Online-Umsatz auf fünf Milliarden Euro hochschnellen. Das Kernsortiment im Online-Shop und in den Märkten kostet gleich, bestellte Ware in Empfang nehmen kann der Kunde per Post oder im Laden.
Diese Ziele sind ehrgeizig und verlangen dem Konzern eine steile Lernkurve ab, schiefgehen darf da nichts. Amazon in drei Jahren die Stirn bieten zu wollen, dazu ist ein gewaltiger Kraftakt nötig. Alle Beteiligten müssen am selben Strang ziehen - übrigens auch die Hersteller. Und ob die klaglos mitziehen, ist längst noch nicht ausgemacht. Denn dem einen oder anderen dürfte heute schon klar sein, das ihm auf dem Weg dorthin möglicherweise die Puste ausgeht. (cm)
Dieser Beitrag ist zuerst auf channelcast.de erschienen. Channelcast ist der monatliche Podcast für Reseller, Distributoren und Hersteller im ITK-Markt mit Christian Meyer, Andreas Raum und Damian Sicking.