Wie Reseller mit Unified Communications & Collaboration (UCC) verdienen können, erklärt Detlev Artelt, UCC-Spezialist und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Aixvox, im Gespräch mit ChannelPartner:
Welche Trends beobachten Sie derzeit auf dem deutschen UCC-Markt?
Detlev Artelt: Da ist zum einen Lync. Microsoft macht ja viel Wind um seine UC-Lösung und hat bei der riesigen installierten Basis auch die notwendige Marktdurchdringung. Das zweite Thema ist Video. Ich führe von Monat zu Monat mehr Gespräche per Videokonferenzsystem, aber nicht mit so kleinen Pixelbildchen, sondern nahe an HD-Qualität, um das Gesicht des Gesprächspartners bildschirmfüllend darstellen zu können und eben auch die Nuancen in der Kommunikation mitzubekommen. Schließlich das Thema Präsenzanzeige: Das wird unsere ganze Arbeitswelt in den nächsten Jahren verändern.
In welcher Hinsicht?
Artelt: Wenn wir die gegenseitige Verfügbarkeit sehen, können wir viel intelligenter und zeitsparender miteinander kommunizieren, statt Anrufbeantworter-Pingpong zu spielen.
Welche Faktoren behindern derzeit noch eine größere Akzeptanz von UCC?
Artelt: Das größte Hemmnis ist das Thema Change-Management. Das, was ich bei UCC an tollen Werkzeugen habe, muss ich meinen Mitarbeitern nahebringen. Ich muss dafür werben, muss klären, ob die Mitarbeiter überhaupt damit umgehen können und wollen. Ich sehe da sehr viel weniger Probleme auf der technischen als auf der menschlichen Seite.
Worin bestehen die größten Schwierigkeiten bei UCC-Projekten?
Artelt: Die liegen meisten in der Durchführung. Wenn Sie einen Konzern nehmen, der für 500, 1.000 oder 5.000 Mitarbeiter eine UCC-Lösung einführen möchte, bedeutet das ein essentielles Umdenken. Das fällt den Jüngeren sehr viel leichter. Bei älteren Mitarbeitern wird es schwer, Akzeptanz für neue Kommunikationsverfahren zu finden.
Wo liegen die größten Hemmnisse beim Einsatz von UCC-Lösungen?
Artelt: Ein Problem ist der richtige Einsatz der UCC-Tools. Es fehlen klare Regeln und Verfahrensweisen, wie ein Unternehmen mit Kommunikation umgehen möchte. Da gibt es auch noch keine allgemein gültigen Konzepte. Ich bin gerade dabei, Empfehlungen zu entwickeln, wie ein solches Regelwerk aussehen könnte. Zum Beispiel könnte man Mitarbeiter abhängig von ihrer Tätigkeit verpflichten, für einen bestimmten Zeitraum des Tages erreichbar zu sein. Und der Präsenzstatus muss natürlich für alle Kanäle gelten und von allen respektiert werden. Wenn ich sage, ich bin nicht erreichbar, dann hat es auch keinen Sinn, es auf dem Handy zu versuchen. Wir sprechen hier über nichts weniger als eine kulturelle Veränderung, und die braucht einfach ihre Zeit.
Verkaufsargumente für Reseller
Mit welchen Verkaufsargumenten sollte der Reseller den Kunden für eine UCC-Lösung gewinnen?
Artelt: Der ROI lässt sich nicht so direkt berechnen, wie man es von einer TK-Anlage, einem E-Mail-System oder einem Server gewohnt ist. Die besten Argumente sind die Einsparungen an Zeit, die man durch diese Technologie gewinnt, die Geschwindigkeit, die man in der Kommunikation erzielen kann, und die Vereinheitlichung. Wenn Sie eine UCC-Lösung einsetzen, die wirklich aus einem Guss ist, dann haben Sie zum Beispiel Ihr CRM als führendes System, und dahinter ist die komplette Kommunikation integriert. Das macht einfach vieles schneller. Ich habe eine einheitliche Schnittstelle, um Instant Messaging, Telefonie, Videokonferenzen und Plattformen für eine Online-Zusammenarbeit zu nutzen. Früher ging es nach dem Motto "Kauf eine neue TK-Anlage, und alles wird gut". Bei UCC sind dagegen viele verschiedene Kommunikationskanäle verzahnt, und daraus ergeben sich verschiedene Vorteile.
Muss der Reseller in seiner Nutzenargumentation stärker als bisher auf die individuelle Situation der Kunden eingehen?
Artelt: Auf jeden Fall. Früher hat man Boxen verkauft, die ein Problem gelöst haben. UCC ist eine ganzheitliche Lösung, die mindestens 20 verschiedene Kommunikationskanäle umfasst. Da muss man erst einmal die nötigen Kenntnisse haben, um einem Unternehmen erklären zu können, was genau der Vorteil eines bestimmten Kanals ist. Das ist definitiv schwieriger geworden für die Reseller. IT-Fachhändler haben es da einfacher als Wiederverkäufer aus dem Telefoniebereich. Wir haben vor Kurzem mal ein paar Testangebote eingeholt, und da gibt es immer noch TK-Reseller, die ihre "alten" PBX-Systeme verkaufen wollen, weil diese angeblich in der Anschaffung ein Stückchen günstiger sind. Das dreht sich in der Nutzung allerdings relativ schnell um, denn sobald ich standortübergreifend telefonieren möchte oder Home-Office-Arbeitsplätze einbinden will, habe ich mit klassischen Systemen Schwierigkeiten.
Die UCC-Studie von Berlecon zeigt, dass vor allem große Unternehmen auf integrierte UCC-Lösungen setzen. Wie können Reseller auch kleine und mittelständische Unternehmen für einen solchen Schritt begeistern?
Artelt: Es tut sich ein riesiger Markt mit Centrex-basierten Lösungen auf, die speziell für diese Zielgruppe gedacht sind. Die UCC-Lösungen der großen Anbieter erfordern eine größere Anzahl von Nutzern, damit sich das rechnet. Sonst wird man schnell von den Anschaffungs-, Integrations- und Wartungskosten aufgefressen. Nahezu alle Anbieter werden in den kommenden Jahren dazu übergehen, Lösungen aus der Wolke anzubieten, die mehr oder weniger einen vollständigen UCC-Ansatz bieten. Die Schwierigkeit ist, dass sich am Markt ganz viele tummeln, die von sich behaupten, sie könnten das. Diese Anbieter decken aber vielleicht den einen Kanal nur zu 20 Prozent ab, den anderen zu 100 Prozent und den dritten nur zu 2 Prozent. Das kann man nur vergleichen, wenn man weiß, was man will.
Es sind Händler gefragt, die entweder ihr IT-Handwerk verstehen oder sich mit dem Anbieter einer Centrex-basierten Cloud-Lösung zusammentun und deren Service mitverkaufen. In die Richtung geht es immer weiter. Es betreibt heute ja auch kaum noch jemand seinen eigenen Webserver. In den kommenden Jahren werden auch immer weniger Unternehmen ihre eigene TK-Anlage betreiben.
Was UCC-Reseller können müssen
Welche fachlichen Voraussetzungen muss ein Fachhändler mitbringen, um erfolgreich UCC-Projekte verkaufen, implementieren und warten zu können?
Artelt: Er muss auf jeden Fall mehr IT-/IP-Wissen haben. Häufig findet man in den Netzen der Unternehmen Fehler, die eine Integration von Sprach- und Datenverkehr unmöglich machen. Der Klassiker sind zwei oder drei Etagen, die lediglich mit 100 Mbit/s verbunden sind. Wenn Sie über eine solche Infrastruktur telefonieren wollen oder sogar über Video nachdenken, dann ist das ein Flaschenhals. Das birgt natürlich für den Reseller auch Chancen auf Zusatzgeschäft, weil er noch ein paar Switche und Ähnliches verkaufen kann.
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Wo liegen die größten Herausforderungen und Gefahren für Reseller im UCC-Markt?
Artelt: Es gilt, Sicherheitskonzepte mit einzubeziehen und anzubieten, zum Beispiel ein Backup über GSM oder die parallele Zuführung über SIP-Trunking und eine herkömmliche Telefonleitung. Da muss der Kunde letztlich entscheiden, wie viel ihm das wert ist. Es wird darüber hinaus immer wichtiger, dass die Datennetze, die letztlich die Macht auch über die Kommunikation übernommen haben, sicher und performant sind. Darüber haben sich viele noch keine Gedanken gemacht. Die Netze funktionieren zwar, aber sobald dort Echtzeit-Traffic draufkommt, wird das kritischer. Das kann für den einen oder anderen Reseller aber auch ein Mehrwert sein, wenn er Netze auf ihre VoIP- oder UCC-Tauglichkeit testen kann.
Werden die Reseller von den Herstellern ausreichend unterstützt?
Artelt: Es kommt auf die Größe der Kunden an. Die Hersteller wollen sich um die kleinen Unternehmen sicher nicht selbst kümmern, aber bei den ganz Großen versuchen sie schon, entweder selbst oder zusammen mit ihren großen Integratoren das Geschäft zu machen. Natürlich wird es den einen oder anderen Anbieter geben, der solche Lösungen à la B2C als Massenmarktprodukt verkauft. Da muss man dann sehen, was solche Lösungen können. Es gibt Lösungen aus der Wolke. Es gibt aber auch immer mehr bezahlbare Lösungen, die vor Ort installiert werden können. Um das Ganze beliebig komplex zu machen, kann man sich auch die wichtigsten Komponenten - beispielsweise TK-Anlage, Telefone, Präsenzsteuerung, Anrufverteilung bis hin zur Anbindung an CRM - ins Haus holen, Dienste wie Video- und Telefonkonferenz oder Online-Zusammenarbeit aber als Software as a Service nutzen.
Also ein sehr beratungsintensives Geschäft, das dem Händler Chancen bietet ...
Artelt: Durchaus, wenn er denn in der Lage ist, "produktneutral" zu verkaufen. Wir beobachten immer wieder Reseller, die versuchen, den Kunden in eine Richtung zu bewegen, die zu den von ihnen vertriebenen Produkten passt. Das muss nicht zwingend die beste Lösung für die Anforderungen des Kunden sein.
Sie sehen einen Trend zu UCC aus der Cloud. Wie sollten Reseller auf diese Entwicklung reagieren?
Artelt: Das hängt vom Cloud-Produkt ab. Es gibt immer mehr Lösungen, die darauf setzen, dass der Reseller sie dem Endkunden verkauft. Genauso gibt es aber Anbieter, die direkt zum Kunden gehen. Welche Services, welche Trainings und Support-Leistungen die dann anbieten, dürfte sich zeigen - in der Regel nämlich gar keine. Es werden sicherlich immer weniger Hardware und Softwarelizenzen verkauft. Dafür wird der Reseller regelmäßige Umsätze haben, die vom Betrag her zwar kleiner sind, dafür aber über mehrere Jahre laufen. (haf)