Mangelware: Erfahrene Projektmanager

12.04.2007 von dr. georg
Unternehmen übertragen die Verantwortung für Großprojekte oft Nachwuchskräften - als Chance sich zu bewähren. Damit handeln sie sich häufig Folgeprobleme ein, weil diese weder die erforderliche Erfahrung noch die nötige Verankerung in der Organisation haben.

Unternehmen übertragen die Verantwortung für Großprojekte oft Nachwuchskräften - als Chance sich zu bewähren. Damit handeln sie sich häufig Folgeprobleme ein. Unter anderem, weil die Projektverantwortlichen weder die erforderliche Erfahrung noch die nötige Verankerung in der Organisation haben.

Projekte managen - dies ist heute eine Alltagsaufgabe in den meisten Unternehmen. Folglich hat sich auch das Ausbilden der Mitarbeiter im Bereich Projektmanagement zu einem festen Bestandteil der betrieblichen Weiterbildung entwickelt.

Nicht ausreichend behandelt wird in diesen Weiterbildungen aber vielfach die Frage: Worauf gilt es zu achten, wenn in einem Unternehmen mehrere Großprojekte parallel laufen, die sich wechselseitig beeinflussen? Dabei scheitern gerade solche Projekte häufig - wie zahlreiche Studien belegen. Das heißt, die Ziele werden nicht oder nur zum Teil erreicht. Oder sie werden zwar auf dem Papier erreicht, aber nur zu dem Preis, dass Folgeprobleme in Kauf genommen werden. Zum Beispiel weil das Projektteam ab irgendeinem Zeitpunkt nur noch nach der Maxime agiert: Wir müssen den gesteckten Zeit- und Kostenrahmen einhalten, koste es, was es wolle. Ansonsten drohen uns Sanktionen. Das heißt: Qualitätsmängel werden bewusst akzeptiert.

Verantwortung wird an Youngster delegiert

Eine Ursache hierfür ist: In vielen Unternehmen besteht zwar ein Konsens darüber, dass in den großen, strategischen Changeprojekten die Basis für den künftigen Erfolg gelegt wird. Bei der Entscheidung, wer die Leitung der Projekte übernehmen soll, fällt die Wahl aber oft auf Mitarbeiter, die zwar ein großes Entwicklungspotenzial haben, aber noch keine gereiften Führungskräfte und Projektmanager sind - Personen also, die weder ein aus Erfahrung gestähltes Rückgrat noch eine feste Verankerung in der Organisation haben. "Das soll der Maier machen. Dann kann er zeigen, was in ihm steckt ...". lautet oft die Maxime, wenn es an die Auswahl der Projektmanager geht. Die Projekte werden also so besetzt, dass sie für die Projektleiter eine Chance sind, sich zu bewähren. Nur selten wird die Leitung einem mit allen Wassern gewaschenen Projektmanagement-Profi übertragen. Hieraus ergeben sich Folgeprobleme - zum Beispiel, dass die Youngster von den Bereichsleitern und den Spezialisten oft nicht als gleichrangige Gesprächspartner akzeptiert werden. Zuweilen sehen die "Bereichsfürsten" in den hochmotivierten und nach oben strebenden Projektmanagern sogar Konkurrenten. Also versuchen sie, diese klein zu halten.

Ein weiterer Nachteil eines solchen Vorgehens ist: Wenn die Jungstars ein oder zwei Großprojekte mit Erfolg gemanagt haben, erwarten sie die (zumindest zwischen den Zeilen) versprochene Belohnung: eine exponierte Führungsposition. Das bedeutet: Die nun erfahrenen Projektmanager stehen nicht mehr als Leiter von Großprojekten zur Verfügung. An ihre Stelle treten erneut junge, unerfahrene Projektmanager, die oft dieselben Fehler wie ihre Vorgänger machen.

Reine Macher scheitern schnell

Dass viele Unternehmen die Leitung komplexer Projekte eher unerfahrenen Mitarbeitern übertragen, das liegt auch daran, dass sie das Leiten von Projekten primär als Management- und weniger als Führungs- oder gar Leadership-Aufgabe betrachten. Dabei kommen reine Macher beim Planen und Durchführen großer Projekte meist nicht weit. Denn diese Projekte sollen das Unternehmen in der Regel fit machen für die Zukunft, weshalb mit ihnen meist tiefgreifende Veränderungen verbunden sind. Entsprechend skeptisch und abwartend stehen die Mitarbeiter ihnen häufig gegenüber.

Also ist es eine zentrale Aufgabe der Projektmanager, für die geplanten Veränderungen zu werben. Diese Aufgabe überfordert in der Regel Projektmanager, die noch wenig Erfahrung mit Führungsaufgaben haben, selbst wenn sie eine Projektmanagement-Ausbildung absolviert haben. Die Ursache hierfür: In den meisten Projektmanagement-Ausbildungen liegt der inhaltliche Fokus auf den harten Erfolgsfaktoren. Die Teilnehmer lernen zwar "Wie erstelle ich einen Projektplan?" und "Wie kontrolliere ich, ob die Zeit- und Kostenpläne eingehalten werden?" Nur gestreift werden aber beispielsweise die Themen: "Wie analysiere ich, wer betroffen ist?" Und: "Wie erkenne ich Widerstände und gehe ich mit diesen sinnvoll um?" Und werden solche Themen doch behandelt, dann wird den angehenden Projektmanagern oft nur Faktenwissen vermittelt. Nur ganz selten wird in integrierten Projekten auch ihr Gespür dafür geschärft,
- wann und wo sich in einer Organisation ein Unwetter zusammenbraut und
- wann die Projektleitung intervenieren sollte.

Dies wäre aber wichtig. Denn wer die möglichen Störfaktoren kennt, muss diese noch lange nicht rechtzeitig wahrnehmen und adäquat darauf reagieren.

Gefragt: hohe Sensibilität für soziale Prozesse

Nicht ausreichend berücksichtigt wird bei vielen Projektmanagement-Ausbildungen auch, dass es bei jedem Changeprojekt neben Gewinnern auch Verlierer gibt - was viele Unternehmen gerne leugnen. Zumindest gibt es Personen, die sich als (potenzielle) Verlierer fühlen. Deshalb gibt es bei jedem Changeprojekt auch Widerstände. Die Frage ist nur: Wie groß werden sie? Entsprechend wichtig ist es, dass Projektmanager frühzeitig Bedenken erkennen, aus denen sich Widerstände entwickeln könnten. Auch dies setzt Erfahrung voraus - unter anderem, weil die Betroffenen ihre (persönlichen) Bedenken meist nur indirekt formulieren und ihren Widerstand selten offen zeigen. Doch plötzlich brodelt die Gerüchteküche und Aufgaben werden nicht mehr zuverlässig erledigt.

Hinzu kommt: Oft treten die Widerstände erst zutage, wenn die Umsetzung beginnt und die Betroffenen die ersten Folgen der Veränderung spüren. Dann kochen häufig plötzlich - für das Projektteam völlig unerwartet - die Emotionen hoch und scheinbare Kleinigkeiten gewinnen eine extrem hohe Bedeutung und entwickeln eine solche Eigendynamik, dass der Erfolg des gesamten Projekts gefährdet ist.

Dass dies immer wieder geschieht, das liegt auch daran, dass viele Projektmanager nicht ausreichend sensibel für die Dynamik sozialer Systeme wie Unternehmen sind. Eine Ursache hierfür: Oft wird angehenden Projektmanagern in ihren Ausbildungen - gerade wegen deren Fixierung auf Methoden und Standards - das Gefühl vermittelt, Changeprozesse ließen sich wie der Bau einer Maschine planen und steuern. Dies ist aber schon deshalb nicht möglich, weil jeder Projektentwurf die Zukunft vorwegnimmt. Entsprechend viele Annahmen fließen in ihn ein, die sich als falsch erweisen können.

Nicht starr an Plänen und Standards festhalten

In vielen Projektmanagement-Ausbildungen werden zudem Projektpläne so erstellt, als würden die Projekte in hermetisch abgeschlossenen Labors ohne externe Einflüsse ablaufen. Im betrieblichen Alltag ist dies aber nie der Fall. Hier ändern sich Rahmenbedingungen kontinuierlich: Deshalb dürfen größere Projekte, die teils Jahre dauern, nicht mechanistisch geplant werden. Es genügt nicht, vor Projektbeginn einen Projektplan zu erstellen, der blind abgearbeitet wird. Vielmehr muss regelmäßig geprüft werden: Ist das geplante Vorgehen noch geeignet, die definierten Ziele zu erreichen oder müssen wir es modifizieren? In den Projektverlauf sollten also Reflektionselemente eingebaut sein, bei denen analysiert wird:
- Was hat sich in der Organisation und deren Umfeld geändert?
- Was bedeutet das für das Projekt? Und:
- Welche Konsequenzen hat dies für das Vorgehen?

Thematisiert werden sollte in diesen Reflektionsrunden auch: Fördern die in unserer Organisation geltenden Projektmanagement-Standards und genutzten Instrumente das Erreichen der Ziele oder nicht? Diese Frage stellen sich junge Projektmanager eher selten. Warum? Sie befürchten (vielfach zurecht), ein Abweichen von den vorgegebenen Standards könne von ihren "Chefs" sanktioniert werden. Ihnen fehlt noch die Gelassenheit der "alten Hasen", die wissen: Alle Standards sind ebenso wie jedes Projektmanagement-Tool letztlich nur ein Werkzeug. Deshalb ist zuweilen ein Abweichen von ihnen nötig - zumindest wenn das Erreichen der Ziele eine höhere Priorität genießt als das sklavische Festhalten an Regeln. (Dr. Georg Kraus/mf)