Was gute Führungskräfte auszeichnet

Macht ausüben oder Einfluss nehmen?

13.04.2012
Echte Leader wechseln situationsabhängig bewusst zwischen diesen beiden Polen, sagt Tom Schmitt.
Ein guter Führugsstil sollte ausgeglichen sein.
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Für die meisten Führungskräfte gilt: Sie haben einen bevorzugten Führungsstil. Entweder neigen sie dazu, ihre Position mit Macht durchzusetzen oder durch ein gezieltes Beeinflussen ihrer Mitarbeiter ihre Ziele werden. Echte Leader hingegen wechseln situationsabhängig bewusst zwischen diesen beiden Po-len. Das Status-Modell erklärt, wie dies geht.

Führungskräfte müssen ihren Kommunikationsstil stets den Erfordernissen der Situation anpassen. Dann erzielen sie die größte Wirkung. Das heißt, sie müssen in gewissen Situationen, die Durchsetzungsstärke und eine gewisse Distanz erfordern, ihren Status bewusst erhöhen, und in anderen Situationen, die Nähe und Glaubwürdigkeit erfordern, ihren Status bewusst senken. Das fällt vielen (unerfahrenen) Führungskräften schwer, weil sie das Status-Spiel nicht beherrschen. Entsprechend gering ist ihre Verhaltensflexibilität.

Das Status-Modell kennt zwei Achsen: Die Beziehungs-Achse mit den Ausprägungen Sympathie und Ablehnung und die Macht-Achse mit Durchsetzungsfähigkeit und Nachgiebigkeit. Quer durch das Modell verläuft die Trennlinie zwischen tieferem und höherem Status. Für beide Positionen gilt: Sie sind stets relativ zu einer anderen Person definiert. Man ist entweder hoch oder tief. Die Position des gleichen Status gibt es nicht. Auch bei der sogenannten Kommunikation auf Augenhöhe ist stets ein, wenn auch minimales, Statusgefälle vorhanden.

Im nächsten Schritt unterscheidet das Status-Modell zwischen innerem und äußerem Status: Wie fühle ich innen und wie stelle ich das nach außen dar? Daraus ergeben sich vier unterschiedliche Dispositionen:

- Ich fühle innen hoch und spiele außen tief - der Charismatiker.

- Ich fühle innen hoch und spiele außen hoch - der Macher.

- Ich fühle innen tief und spiele außen hoch - der Arrogante.

- Ich fühle innen tief und spiele außen tief - der Teamplayer.

Für (fast) alle Menschen gilt: Sie vereinen alle vier Statustypen in sich - das heißt, sie können in den verschiedenen Situation die entsprechenden Verhaltensmuster zeigen. In sozialen Stress-Situationen tendiert aber jeder zu einem bevorzugten Status. Diesen spielt er unbewusst und scheinbar unausweichlich immer wieder. So lange wir dieses Spiel nicht auf eine bewusste Ebene heben, sind wir schicksalhaft mit diesem Typus verbunden. Er funktioniert wie ein Autopilot, der in sozial schwierigen Situationen automatisch die Führung übernimmt.

Innen und außen = hoch

Jeder Statustyp ist unterschiedlich sympathisch und respektabel. Unter den vier Varianten gibt es

- eine Haltung, mit der es gelingt, respektiert zu werden und gleichzeitig sympathisch zu sein,

- eine weitere, die vor allem hohen Respekt garantiert,

- eine dritte, mit der sich weder Respekt noch Sympathie erringen lassen, und schließlich

- eine, die hohe Sympathiewerte erzeugt jedoch wenig Respekt einbringt.

Die erste Variante "innen hoch, außen tief" erfordert den größten Einsatz und stellt die höchsten Ansprüche an den "Statusspieler". Der Aufwand trägt jedoch reiche Früchte. Die Haltung innen hoch und außen tief bedeutet: "Ich weiß, was ich will und verfolge meine Ziele geschickt und diplomatisch. Ich übe Einfluss aus!".

Macht ausüben oder Einfluss nehmen

Was ist der Unterschied zwischen Macht und Einfluss? Mit Macht ausüben ist das Durchsetzen der eigenen Interessen auch gegen den Willen anderer gemeint, mit Einfluss nehmen hingegen das Durchsetzen der eigenen Interessen mit Zustimmung der anderen.

Der Unterschied erschließt sich aus dem Status-Modell. Innerhalb des Modells ist das Ausüben von Macht dem höheren Status zugeordnet und die Einflussnahme einer Position, die aus dem tieferen Status erwächst. Dabei erhöht der aus dem höheren Status Agierende die Akzeptanz seiner Macht, je sympathischer er auftritt. Und der aus dem tieferen Status heraus Handelnde? Er gewinnt umso mehr Einfluss, je standfester er seine Interessen vertritt.

Historische Beispiele wie Gandhi oder Nelson Mandela verdeutlichen den Unterschied: Die Macht und den höheren Status hatten die politischen Gegner. Aber beide hatten genug Einfluss, um aus dem tieferen Status heraus einen politischen - weitgehend gewaltfreien - Wechsel herbeizuführen.

Charismatiker sind Status-Spieler

Charismatische Leader zeichnet aus, dass sie auch in Stresssituationen nicht (unbewusst) den Verlockungen des Hochstatus erliegen. Sie agieren vielmehr auch dann zumeist bewusst aus dem tieferen Status heraus. Ihre innere Haltung ist zwar "hoch" ("Ich weiß, was ich will"), ihre äußere Vorgehensweise jedoch "tief" - also nicht machtvoll, sondern Einfluss nehmend. Sie gleichen einem Schilfhalm, der fest in der Erde verwurzelt sich im Sturm zwar biegt, aber nicht bricht, und sich hinterher wieder aufrichtet.

Die meisten Führungskräfte bevorzugen in Stresssituationen einen Status. Entsprechend gering ist gerade in solchen Situationen ihre Verhaltensflexibilität. Zum Erhöhen der Verhaltensflexibilität gibt es zwei Entwicklungswege:

Weg 1: Führungskräfte, die bevorzugt aus dem Hochstatus heraus handeln, lernen, bewusst in den tieferen Status zu wechseln (innen hoch, außen tief). Subjektiv stellt sich diese Statusbewegung für den Hochstatus-Typen als bewusster Machtverzicht dar, den er nicht ohne weiteres eingehen möchte.

Weg 2: Der Tiefstatus-Typ entwickelt genügend Durchsetzungswillen, um wirklich Einfluss nehmen zu können. Erfahrungen aus Status-Workshops zeigen: Der Weg in die Position der gezielten Einflussnahme muss über den Hochstatus führen. Die Person muss innerlich bereit sein, im Status hochzugehen und diesen auch auszuhalten. Erst dann kann sie den hohen Status wieder verlassen.

Diese Entwicklungsschritte sind wichtig, weil es bei ihnen letztlich darum geht, als Führungskraft eine größere Verhaltensflexibilität und somit auch eine höhere Souveränität zu entwickeln. Oder anders formuliert: Es geht um die Freiheit, selbst zu bestimmen, wie man im Umgang mit anderen auftritt. Und um die Option, im Bedarfsfall blitzschnell den Status zu wechseln, wenn das bevorzugte Status-Spiel nicht zielführend ist. (oe)

Der Autor Tom Schmitt ist Diplom-Pädagoge, Schauspieler und gemeinsam mit Michael Esser Autor des Buchs "Status-Spiele: Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte". Er arbeitet als Managementberater und Trainer für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de).
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