Die Musikbranche kann ein Lied davon singen: Digitalisierung kann wehtun. Die Medienbranche droht an verändertem Kundenverhalten zu Grunde zu gehen, das Taxigewerbe trägt seinen Kampf mit Uber aus - Ausgang ungewiss. Auch traditionelle Branchen wie der Maschinen- und Anlagenbau oder die Automobilwirtschaft spüren Druck von ungewohnter Stelle. Gerüchte um das iCar treiben den sonst so selbstbewussten Automanagern Schweißperlen auf die Stirn und wenn Google zukünftig das Betriebssystem für Industrie 4.0 stellt, wird es zum direkten Wettbewerber von Siemens.
Die digitale Transformation in Deutschland erzeugt Handlungsdruck auf allen Ebenen: der volkswirtschaftlichen und politischen, bei den Unternehmen und den Mitarbeitern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat in einer gemeinsamen Studie mit Roland Berger größere gemeinsame Anstrengungen von Industrie und Politik in der Digitalisierung angemahnt. Der Normenkontrollrat beklagt, dass die Bundesregierung die digitale Agenda viel zu zögerlich umsetzte.
Nicht zuletzt müssen sich auch die Unternehmen diesem Transformationsprozess stellen. Geschäftsmodelle die heute noch äußerst ertragreich sind, können in zwei, drei Jahren schon nicht mehr funktionieren; Neckermann ist nur ein mahnendes Beispiel.
Digitalstrategie dringend gesucht
Dabei kommt es nicht (nur) auf den Einsatz neuer Technologien an - Unternehmen müssen in hohem Maße in strategische und digitale Kompetenz investieren, um in diesem strukturellen Umwälzungsprozess nicht die Orientierung zu verlieren. Aber bisher scheint genau das der Fall zu sein: Der Studie "Digital Business Readiness" von Crisp Research zufolge, fühlen sich 61 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht als Gestalter der digitalen Transformation sondern allenfalls als Mitläufer. Mehr als die Hälfte verfügt noch nicht über eine funktionierende Digitalstrategie.
Was die Unternehmen zur erfolgreichen Gestaltung der digitalen Transformation benötigen sind Digital Leader, die Unternehmen durch diesen Transformationsprozess navigieren und ihn aktiv mitgestalten. Das heißt einerseits: Digitalisierung muss zur Chefsache werden. Die Unternehmensführung muss sich intensiv mit neuen Geschäftsmodellen auseinandersetzen und in der Lage sein, diese auch umzusetzen. Immer mehr Unternehmen wie Media-Saturn, ProSiebenSat1 oder Bayer AG schaffen auf der Vorstandsebene die Position des Chief Digital Officers, der die Leitlinien für die Digitalisierung vorgibt, innovative Technologien einführt und ganz entscheidend: vernetztes und fachbereichsübergreifendes Arbeiten fördert.
Andererseits brauchen Unternehmen auch unterhalb des Top-Managements Führungskräfte, die digital ticken. Ob im Marketing, im Vertrieb, im Controlling, in der Fertigung oder in der Personalabteilung - der Digital Leader stellt das Existierende auf strategischer, operativer und prozessualer Ebene infrage und fördert transversale Strukturen. Denn nur wenn alle Ebenen und Abteilungen sich im Gleichtakt entwickeln, kann das Unternehmen Kurs auf die eigene, erfolgreiche Transformation halten. (bw)