Mittelständler werden benachteiligt

Lohnt sich eine zügige Unternehmensübertragung?

11.06.2015 von Renate Oettinger
Die Steuerprivilegien für Firmenübertragungen stehen auf der Kippe. Wer zügig handelt, kann womöglich noch von den geltenden Regelungen profitieren. Was Firmeninhaber und ihre potenziellen Nachfolger beachten sollten, sagt Dr. Stephanie Thomas.

In den kommenden Jahren wird hierzulande jährlich Betriebsvermögen in zweistelliger Milliardenhöhe vererbt oder verschenkt. Firmeninhaber können durch sogenannte "Verschonungsregelungen" im Erbschaftsteuergesetz Steuerzahlungen minimieren oder gar umgehen. Wer mittelfristig eine Unternehmensübertragung plant, sollte sein Vorhaben eventuell vorziehen, rät die Wirtschaftskanzlei WWS aus Mönchengladbach. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dem Gesetzgeber vor, die steuerprivilegierte Übertragung von Betriebsvermögen bis spätestens Juni 2016 zu überarbeiten. Firmenchefs und ihre Nachkommen sollten jetzt aktiv werden, um ihre Chancen auf Steuervorteile zu verbessern.

Wer seine Firma an einen Nachfolger übertragen will, muss sich rechtzeitig mit den einschlägigen steuerrechtlichen Bestimmungen beschäftigen.
Foto: Peggy Blume - Fotolia.com

Wie auch immer die Neuregelungen ausfallen, besser wird es für einen Großteil der Unternehmen nicht. Bislang belohnt das Erbschaftsteuergesetz alle Unternehmenserben, die sich langfristig an die Firma binden und die Gesamtsumme der jährlichen Lohnzahlungen (sogenannte "Lohnsumme") beibehalten. Wer das Unternehmen fünf (Regelverschonung) bzw. sieben Jahre lang (Optionsverschonung) weiterführt, kann einen erheblichen Teil der Erbschaft- oder Schenkungsteuer einsparen oder sogar komplett davon befreit werden.

"Große" Unternehmen

Dieses Prinzip soll auch künftig gelten. Doch sieht der aktuelle Referentenentwurf des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vor, dass "große" Unternehmen nur noch in Ausnahmefällen von den Steuerprivilegien profitieren. Dazu müssen Firmen zunächst nachweisen, dass Erbschaftsteuerzahlungen ihren Fortbestand gefährden. Als "groß" sollen künftig Unternehmen mit einem begünstigten Betriebsvermögen von mehr als 20 Millionen Euro gelten. Ab diesem Betrag soll der Verschonungsabschlag abgeschmolzen werden, und zwar schrittweise um einen Prozentpunkt je 1,5 Millionen Euro des darüber liegenden Wertes. Beträgt das Vermögen mehr als 110 Millionen Euro, sind davon bei der Regelverschonung nur noch 25 Prozent und bei der Optionsverschonung nur noch 40 Prozent steuerfrei.

Eine wesentliche Voraussetzung für steuerprivilegierte Unternehmensübertragungen ist die so genannte "Lohnsummenklausel". Bislang muss in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern die Lohnsumme im Fünfjahreszeitraum 400 Prozent oder im Siebenjahreszeitraum 700 Prozent der jährlichen Ausgangslohnsumme betragen. Laut Referentenentwurf sind nur noch Kleinstunternehmen mit bis zu drei Mitarbeitern von der Lohnsummenklausel befreit. Firmen mit vier bis zehn Mitarbeitern dürfen im Fünfjahreszeitraum 250 Prozent und im Siebenjahreszeitraum 500 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten. Ab elf Mitarbeitern gilt die "alte" Lohnsummenklausel von 400 bzw. 700 Prozent. Für viele kleine mittelständische Unternehmen werden sich die Bedingungen für eine Steuerbefreiung deutlich verschärfen.

Auf die Art des Betriebsvermögens kommt es an

Welche Arten von Betriebsvermögen lassen sich künftig noch steuerlich begünstigt übertragen? Der Gesetzgeber will Steuervorteile auf das Vermögen begrenzen, das dem Hauptzweck nach überwiegend der Ausübung einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Nicht begünstigtes Vermögen bleibt nur steuerfrei, wenn es bis zu maximal zehn Prozent des begünstigten Betriebsvermögens ausmacht. Andernfalls hält der Fiskus die Hand auf.

Auch wenn sich im Gesetzgebungsverfahren noch einiges ändern kann, ist absehbar, dass künftig weniger Unternehmenserben in den Genuss von Steuervorteilen kommen. Zudem wird der Kreis der Firmen erweitert, die für Erleichterungen strikte Bedingungen erfüllen müssen. Trotz ungewisser Rahmenbedingungen ist Untätigkeit die schlechteste Option. Wer sich mit Ausstiegsgedanken trägt, sollte sich mit seinem steuerlichen Berater sorgfältig auf alle denkbaren Szenarien vorbereiten. In vielen Fällen ist eine vorgezogene Unternehmensübertragung reizvoll. Gerade inhabergeführte Unternehmen mit einem Juniorchef sollten sich mit dieser Option befassen.

Ab wann gelten die Änderungen?

Die neuen Regelungen sollen ab dem Tag der Gesetzesveröffentlichung gelten. Schenker sollten sich mit einem Widerrufsvorbehalt im Übergabevertrag für den Fall absichern, dass die Änderungen doch noch rückwirkend zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 zur Anwendung kommen. Der große Vorteil: Wenn die erhofften steuerlichen Vorteile ausleiben, können Firmenchefs gegebenenfalls ihre Unternehmensanteile zurückfordern.

Weitere Infos und Kontakt: Stephanie Thomas ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei der WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH. www.wws-gruppe.de

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