Wie kann ich meinen finanziellen Engpass überwinden - ohne Haus und Hof zu verpfänden? Vor dieser Frage stehen Inhaber mittelständischer Betriebe zuweilen, wenn ihre Kreditlinie ausgeschöpft ist. Ein möglicher Ausweg ist eine neue, Securitization genannte Form des Forderungsverkaufs. Ihr Vorteil: Der Unternehmer entscheidet selbst, welche Forderungen er verkauft. Und: Er hat dauerhaft eine zweite Finanzierungsquelle.
Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens sitzt dem Firmenkundenbetreuer seiner Bank gegenüber. Seit Jahren kennen sich beide. Schließlich wickelt der Unternehmer über die Bank nicht nur seine Firmengeschäfte ab, auch sein Haus finanzierte er über sie. Und selbst bei der Altervorsorge vertraut er ihr. Entsprechend häufig saßen die beiden Partner schon an einem Tisch und entsprechend offen spricht der Unternehmer mit dem Betreuer über sein Problem: Sein Betrieb hat einen vorübergehenden Liquiditätsengpass - zum Beispiel, weil er mehrere große Aufträge vorfinanzieren muss oder weil einige Großkunden sich mit dem Bezahlen viel Zeit lassen.
Der Firmenkundenbetreuer kennt das Problem. Schließlich betreut er das Unternehmen seit Jahren. Deshalb weiß er: Der Betrieb ist grundsätzlich gesund und seine Auftrags- sowie Ertragslage befriedigend. In drei, vier Wochen wird das Problem erledigt sein. Dann wird der Unternehmer vermutlich wieder ausreichend Kapital zur Verfügung haben - bis in drei, vier Monaten das Liquiditätsproblem voraussichtlich erneut auftaucht.
Der Firmenkundenbetreuer würde dem Unternehmer gerne helfen. Schließlich ist er ein guter Kunde. Er kann jedoch nicht, denn der Überziehungskredit des Betriebs ist ausgeschöpft. Und die Kreditlinie darf er nicht erhöhen - zum Beispiel, weil die Eigenkapitalrichtlinien der Bank ihm dies nicht gestatten.
In diese Zwickmühle geraten die Firmenkundenbetreuer von Banken im Kontakt mit ihrer mittelständischen Klientel immer wieder - vor allem, weil ihnen zumeist ein Instrument fehlt, um auf vorübergehende Liquiditätsengpässe von Firmenkunden adäquat zu reagieren. Dabei gibt es ein solches Instrument - zumindest für Unternehmen, die nicht an einem Mangel an Aufträgen, sondern nur an flüssigem Kapital leiden. Sein Name: Forderungsverkauf - "neudeutsch" auch Factoring genannt.
Im europäischen Ausland etabliert
In Deutschland wird das Finanzierungsinstrument Forderungsankauf noch recht selten eingesetzt - anders als in den meisten anderen westeuropäischen Staaten. So werden zum Beispiel in Frankreich bereits 89 Milliarden Euro Umsätze mit Forderungsankauf abgewickelt; in England sogar 237,2 Milliarden. In Deutschland hingegen beläuft sich die Vergleichssumme nur auf 55 Milliarden Euro - Tendenz jedoch steigend.
Ein zentraler Grund, warum der Forderungsan- und -verkauf noch ein Mauerblümchen-Dasein fristet, ist: In Deutschland haben recht wenige Banken diese Dienstleistung in ihrem Produktportfolio. Entsprechend gering ist das Wissen über dieses Finanzierungsinstrument, weshalb an ihm noch viele Vorurteile haften. So befürchten zum Beispiel manche Unternehmen: Wenn unsere Geschäftspartner erfahren, dass wir unsere Forderungen verkaufen, unterstellen diese uns "Die haben wirtschaftliche Probleme". Eine unberechtigte Befürchtung, denn ein Unternehmen verschuldet sich nicht, wenn es offene Forderungen verkauft. Es verkauft bereits vorhandene Aktiva.
Eine weitere Befürchtung vieler mittelständischer Unternehmen ist: Wenn wir unsere Forderungen verkaufen, dann steht irgendwann der Forderungsaufkäufer bei unseren Kunden vor der Tür und treibt den offenen Betrag ohne Rücksprache mit uns ein. Deshalb zögern gerade Unternehmen, die im Business-to-Business-Bereich zu Hause sind, mit einem Verkauf von Forderungen. Denn sie leben, wie zum Beispiel Zulieferer von Industrieunternehmen, häufig von ihren langfristigen Kundenbeziehungen. Im Business-to-Consumer-Bereich hingegen ist der Forderungsverkauf ein etabliertes Instrument - nicht nur um den Cash-flow zu sichern, sondern auch um das Mahnwesen zu entlasten.
Ein Instrument zum Erhöhen der Liquidität
Dabei wäre gerade für viele B-to-B-Unternehmen der Verkauf von Forderungen ein geeignetes Instrument zur Liquiditätssteuerung. Denn ihre Liquidität hängt oft von der Zahlungsmoral von ein, zwei Dutzend Kunden ab. Und davon, wie lange Projekte oder (Groß-)Aufträge dauern, bevor sie zumindest teilweise fakturiert werden können. Hierfür muss das Instrument Forderungsverkauf aber folgende Bedingungen erfüllen:
1. Es muss mit der Geschäftspolitik des Unternehmens vereinbar sein.
2. Es darf die Beziehung zu den Partnern des Unternehmens (wie Kunden, Lieferanten, Banken) nicht belasten.
3. Es muss verlässlich und jederzeit nutzbar sein, so dass die Verantwortlichen im Unternehmen es bei der Finanzplanung gezielt einsetzen können.
Diese Grundanforderungen erfüllt eine neue, Securitization genannte Form der Forderungsverkaufs. Hierbei werden die aufgekauften Forderungen nicht weiterverkauft, sondern gebündelt in einen bankenunabhängigen Fonds eingebracht. Von diesem Fonds können institutionelle Kapitalanleger Anteile kaufen. Die verkauften Forderungen sind also am Kapitalmarkt refinanziert. Deshalb können die Unternehmen die verkauften offenen Forderungen in Höhe des Erlöses sofort als Guthaben verbuchen. Dadurch steigt ihre Liquidität und ihre Eigenkapitalquote, wodurch sich auch ihr Rating verbessert.
Bei dieser Form des Forderungsverkaufs verbleibt das Mahnwesen außerdem im Unternehmen - auf Basis fester Absprachen zwischen Forderungsverkäufer und -aufkäufer. Die Buchhaltung muss den Kunden nur ein neues Konto nennen, auf das die Zahlungen fortan fließen sollen.
Forderungsverkauf in der Praxis
Wie Securitization funktioniert, sei an einem fiktiven Beispiel illustriert. Der Kreditrahmen des Unternehmens Schaff-viel ist immer wieder weitgehend ausgeschöpft, während es zugleich hohe Außenstände hat. Diese Liquiditätsengpässe möchte der Inhaber nicht nur überbrücken, sondern künftig sogar möglichst vermeiden, um einen größeren unternehmerischen Handlungsspielraum zu haben. Also kontaktiert er zum Beispiel die HAWK Deutschland GmbH, die sich als erstes Unternehmen in Deutschland auf den Forderungsverkauf von mittelständischen Unternehmen (mit einem Forderungsvolumen ab 60.000 Euro) spezialisiert hat. Der Inhaber von Schaff-viel teilt HAWK bei einem Treffen mit, von welchen Debitoren sein Unternehmen gerne Forderungen verkaufen möchte - zum Beispiel, weil es mit ihnen lange Zahlungsziele vereinbart hat oder weil die offenen Forderungen eine bestimmte kritische Höhe überschreiten. Das Unternehmen Schaff-viel bestimmt also selbst, von welchen Kunden es Forderungen verkauft und von welchen nicht.
Daraufhin werden diese Kunden bezüglich ihrer Bonität und Zahlungsmoral bewertet. Außerdem wird mit Schaff-viel für jeden dieser Kunden ein Limit vereinbart, bis zu dem HAWK Forderungen an ihn aufkauft. Aus der Addition der Limits ergibt sich der Gesamtbetrag, bis zu dem ein Forderungsverkauf möglich ist - zum Beispiel 100.000 oder 250.000 Euro, abhängig vom Liquiditätsrahmen, den Schaff-viel benötigt. Dieser Betrag wird in einem Rahmenvertrag festgeschrieben.
Hat nun Schaff-viel eine Forderung an einen der ausgewählten Kunden, dann tritt das Unternehmen diese an HAWK ab. Dies geschieht weitgehend papierlos via Download und Internet; eine eigene EDV-Schnittstelle ist nicht nötig. Binnen 24 Stunden erhält Schaff-viel daraufhin 80 Prozent des Rechnungsbetrags. Der Rest wird dem Unternehmen gutgeschrieben, sobald der Kunde gezahlt hat oder spätestens 90 Tage nach Fälligkeit - selbst wenn der Kunde nicht zahlt. Dies ist möglich, weil HAWK die angekauften Forderungen versichert.
Eine sich stets neu füllende Geldquelle
So verfährt Schaff-viel mit allen Forderungen, die gegenüber den im Rahmenvertrag fixierten Kunden entstehen - und zwar so lange bis das vereinbarte Limit erreicht ist. Dann kann das Unternehmen entweder das für den Kunden vereinbarte Limit erhöhen, was in der Regel binnen 24 Stunden möglich ist. Oder Schaff-viel wartet, bis der Kunde abgetretene offene Forderungen beglichen hat. Dann kann das Unternehmen wieder offene Forderungen, die es an den Kunden hat, verkaufen. Hierfür ein Beispiel: Nehmen wir an, für den Kunden A legte Schaff-viel im Rahmenvertrag ein Limit von 60.000 Euro fest und von den bereits verkauften Forderungen sind noch 50 000 Euro offen, also nicht bezahlt. Dann kann Schaff-viel noch Forderungen im Wert von 10.000 Euro an HAWK verkaufen. Zahlt nun der Kunde aber eine Rechnung über 20.000 Euro, dann erhöht sich dieser Betrag automatisch wieder auf 30.000 Euro. Der Forderungsverkauf funktioniert also ähnlich wie ein Dispokredit. Das Unternehmen kann jederzeit den im Rahmenbetrag vereinbarten Geldbetrag für sich in Anspruch nehmen - unter zwei Bedingungen: Es hat offene Forderungen gegenüber dem Kunden und das vereinbarte Limit ist noch nicht erreicht. Der Vorteil für das Unternehmen: Es muss nicht bei jeder neuen offenen Forderung bei HAWK nachfragen, ob HAWK die Forderung kauft. Es hat vielmehr eine feste Planungsgrundlage zum Steuern seiner Liquidität. Dazu erhält das Unternehmen sieben Tage in der Woche und 24 Stunden täglich präzise Informationen für die Disposition.
Für diesen Service zahlt das Unternehmen monatlich eine fixe Bereitstellungsgebühr. Deren Höhe hängt von den vereinbarten Limits ab - unabhängig davon, ob Schaff-viel diese ausschöpft oder nicht. Deshalb sollte sich der vereinbarte Rahmen für den Forderungsverkauf am realen Bedarf des Unternehmens orientieren. Außerdem zahlt Schaff-viel Zinsen für die abgetretenen Forderungen, die noch nicht beglichen sind - für maximal 90 Tage, sofern der Kunde nicht zuvor bezahlt. Der Zinssatz basiert auf dem Euribor, dem durchschnittlichen Zinssatz für Termingelder in Euro im Interbankengeschäft, und wird wöchentlich aktualisiert. Hinzu kommt ein vereinbarter Margenaufschlag.
Viele Vorteile - auch für die Hausbank
Ein Forderungsverkauf in der oben skizzierten Form hat für mittelständische Unternehmen zahlreiche Vorteile: Das Unternehmen hat eine vertraglich fest fixierte und somit zuverlässige zweite Finanzierungsquelle. Das erhöht den unternehmerischen Handlungsspielraum. Zudem steigt die Liquidität des Unternehmens, weshalb es auch mit seinen Lieferanten bessere Konditionen aushandeln kann. Hinzu kommt: Dadurch, dass das Unternehmen die verkauften Forderungen unmittelbar als Haben verbuchen kann, steigt seine Eigenkapitalquote (siehe Grafik). Hierdurch verbessert sich auch sein Rating. Das Unternehmen kommt also leichter und günstiger an Kredite. Zudem kann es gegenüber den Banken selbstbewusster agieren. Und dies - und das ist wichtig - ohne die gewachsene Beziehung zur Hausbank zu belasten. Der Grund: Da der Forderungsverkauf bankenunabhängig erfolgt, muss die Hausbank nicht befürchten: Das Unternehmen möchte mittelfristig seine Geschäftsbeziehung mit uns lösen. Entsprechend relaxt reagieren Banken auf den Verkauf von Forderungen - zumal auch sie hiervon profitieren. Warum? Wenn ihr Firmenkunde ein besseres Rating hat, wird auch ihr Eigenkapital, wenn sie diesem einen Kredit gewähren, weniger belastet. (Andreas Kircher/mf)