Linux auf dem Sprung zum Desktop

07.11.2002
Die vergangene Woche bereits zum dritten Mal abgehaltene europäische Ausgabe der Linux World Expo & Conference erfreute sich eines zufrieden stellenden Besucherandrangs. Rund 14.000 Interessierte, also etwa genauso viele wie im Vorjahr, fanden den Weg zur Frankfurter Messe.

Mit 80 Ausstellern konnte der Veranstalter der Linux World Expo zwar nicht ganz an die Zahl des Vorjahres (90) anknüpfen, doch mit Teilnehmern wie Computer Associates oder Sun Microsystems sicherlich das Renommee der Messe erhöhen. Auch der Umzug in die Halle 6.1 hat der Ausstellung gut getan, sie präsentierte sich dem Fachpublikum insgesamt freundlicher und einladender als noch bei der zweiten Auflage.

Was sich damals bereits abgezeichnet hat, nämlich dass Linux World eine Messe für die Profis ist, wur-de diesmal verstärkt. Man begegnete fast ausschließlich Menschen im Business-Look, Turnschuhe und Jeans waren in Frankfurt Mangelware.

Computer Associates mit vier Partnern vertreten

So durfte auch Linux-World-Debütant Computer Associates einen Sprecher bei dem Kongress stellen. John Pincomb, Vizepräsident E-Business Solution Platforms, skizzierte in seiner Rede CAs Linux-Strategie. Das Unternehmen biete mittlerweile mehr als 50 einzelne Softwareprodukte für das Open-Source-Betriebssystem, darunter etwa die Speicherlösung "Bright Stor", die Sicherheitsplattform "E-Trust" und die Systemmanagement-Suite "Unicenter".

"Die Nachfrage nach Linux-Produkten steigt bei unseren Kunden dramatisch an", so Pincomb gegenüber ComputerPartner. "Zeigten 2001 gerade mal 5 von 100 unserer Kunden Interesse an diesem Betriebssystem, setzen mittlerweile 60 Prozent von ihnen Linux ein." Nach Pincombs Erfahrungen werden dabei aber nicht Windows-Server ersetzt, sondern vornehmlich andere Unix-Systeme.

Auf dem CA-Stand waren aber auch vier Partner des Softwerkers vertreten. Die Paderborner Neam GmbH, auf der diesjährigen CA-World mit dem Titel "Reseller of the Year" prämiert, demonstrierte in Frankfurt, wie man mit E-Trust den passenden Schutzanzug für die IT-Infrastruktur des Kunden maßschneidert. Außerdem gilt Neam als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Datensicherung unter Linux.

CAs weiterer Enterprise-Partner, die Itoc AG, klärte über die rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Aspekte des Systemmanagements mit Unicenter auf. Wie man Linux-Systeme in bestehende Mainframe-Umgebungen integrieren kann, das zeigte die Stuttgarter Infologica AG. Server-Konsolidierung lautete hier das Thema. Ergänzt hatte das Partner-Quartett das Systemhaus Comics, bisher vornehmlich im Microsoft-Umfeld tätig.

Suses Desktop-Produkte für gewerbliche Kunden

Suse nutzte die Linux World zur Präsentationen von neuen Client-Produkten. Nach den Vorstellungen der Nürnberger könnten kleinere Firmen mit bis zu 30 Einzelarbeitsplätzen auf das "Suse Linux Office Desktop zurückgreifen. Anfang 2003 wird dieses Produkt verfügbar sein und 129 Euro pro Client kosten. In diesem Softwarepaket enthalten sind das Betriebssystem Suse Linux 8.1, Suns Star Office 6.0, Codeweavers Emulation "Cross Over Office 1.2" für Windows-Anwendungen, das Mail-Programm "Evolution" sowie die Benutzeroberfläche KDE 3.0.3 oder Gnome 2.0.

Größeren Unternehmen offerieren die Franken ab dem ersten Quartal 2003 den "Suse Linux Enterprise Client" (SLEC). Diese Version soll sich zentral installieren und warten lassen. Als Pilotkunde für diese verteilten Linux-Clients ist das Versicherungsunternehmen Debeka eingesprungen, mittlerweile stellt auch die Stuttgarter Lebensversicherung ihre mehr als 1.000 Clients auf Linux um.

Auch die vor zwei Monaten zur Chefin von United Linux berufene Paula Hunter reiste nach Frankfurt an. In einem Exklusiv-Interview mit ComputerPartner verriet sie zwar nicht viel über die weiteren Pläne des Linux-Konsortiums, ein Zusammengehen der vier Distributoren Suse, Conectiva, Turbolinux und SCO schloss sie für die nächste Zukunft jedoch nicht aus.

Derzeit koordiniert United Linux lediglich die Marketingmaßnahmen dieser vier Anbieter, Hunter will die in diesem Monat auf den Markt kommende Version 1.0 der gemeinsamen Linux-Distribution in der Öffentlichkeit bekannt machen. Immerhin funktionierte die gemeinsame Entwicklung dieser Linux-Basis recht gut. Die Aktivitäten sind ja auch in der Hand von Suse. Ein Großteil der Entwicklungsarbeit von United Linux 1.0 ist tatsächlich in Nürnberg passiert. Dort laufen auch die Vorschläge der anderen Distributoren ein. Kein Problem sieht Hunter hingegen in der Neuausrichtung von SCO. Nachdem Caldera den alten Namen angenommen und sich wieder mehr dem eigenen Unix-Derivat SCO Unix zugewandt hatte, gab es Befürchtungen, dass hier United Linux ein Mitstreiter verloren gehen könnte. "Dem ist nicht so, SCO erfüllt seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber United Linux", so Hunter.

Suns Linux-Strategie

Einen größeren Stand als im Vorjahr hatte auch Sun Microsystems vorzuweisen. Dies hängt natürlich mit dem verstärkten Linux-Engagement der Kalifornier zusammen. Immerhin bieten sie seit gut zwei Monaten den Intel-basierenden Linux-Server "LX 50" an. Er soll die Funktionen eines Web- und E-Mail-Servers vereinigen, aber auch als kombinierte Firewall/VPN-Einheit herhalten. Ferner wird Sun nächstes Jahr mit der Auslieferung der eigenen Linux-Desktops beginnen. Diese sollen bei größeren Unternehmen die bisher eher schlecht denn recht genutzte Windows-PC-Plattform ablösen. Gedacht ist hier vor allem an Kunden mit 1.000 und mehr PC-Arbeitsplätzen.

In einem Konferenzbeitrag skizzierte Gerhard Glabschi, Suns Director Product-Marketing, das Projekt "Madhatter". Diesem zu folge könnten Anwender im ersten Schritt die Microsoft-Office-Applikationen auf ihren Windows-PC durch Suns Star-Office-Paket ersetzen. In der nachfolgenden Phase stünde die Ablösung von Windows durch die Sun-eigene Red-Hat-basierende Linux-Distribution. In der Endausbaustufe könnten dann Anwender ganz auf ihre PCs zu Gunsten von Thin Clients verzichten.

Skeptisch gegenüber einer baldigen breiten Einführung von Linux-Desktops äußerte sich hingegen IBM: "Der Markt ist noch nichtso weit", so das Fazit von Jörg Ludwig, Direktor Linux-Marketing Zentraleuropa, in einem Podiumsgespräch. Dennoch unternimmt Big Blue auf diesem Feld einige Anstrengungen: So gab die Company ihr Konzept eines sicheren Linux-Notebooks bekannt. Ausgestattet mit einem Smartcard-Lesegerät und einer verschlüsselten Festplatte soll dieser Laptop nach Verlust oder Diebstahl seine Daten Unbefugten nicht preisgeben.

Red Hat unzufrieden

Nicht ganz so zufrieden mit dem Messeverlauf zeigte sich Mark de Visser, seines Zeichens oberster Marketier bei Red Hat: "Hier ist doch gar nichts los, auf der amerikanischen Linux World stehen die Interessenten in Dreier- und Vierer-Reihen vor unserem Stand", lautete seine Klage. So nutzte Red Hat seinen Messeauftritt vornehmlich zur Vermarktung seiner Zusammenarbeit mit Dell, Oracle und SAP. Deren erstes Ergebnis ist ein Linux-basierender, von zwei Pentium-II-Xeon-Prozessoren getriebener Server, auf dem eine Oracle 9i-Cluster-Datenbank werkelt - als Basis für eine Mysap.com-Anwendung.

www.linuxworldexpo.de

ComputerPartner-Meinung:

Im dritten Jahr hat sich die europäische Ausgabe der LinuxWorld im Veranstaltungskalender der IT-Messen fest etabliert. Anbieter wie IBM, Sun oder Computer Associates kommen um diesen Termin künftig nicht mehr herum. Aber auch Partner dieser Unternehmen finden in Frankfurt eine preiswerte Möglichkeit, sich potenziellen Kunden vorzustellen: Standfläche gibt es für weniger als 200 Euro pro Quadratmeter. (rw)