Stefan Tiefenthal, Vertriebsdirektor Business Solutions bei LG Electronics, wollte erst seinen Augen nicht trauen. Ein 18,5-Zoll-Monitor mit PS/2-Anschlüssen für Maus und Tastatur sowie LAN-Schnittstelle brachten die Entwickler aus Südkorea mit.
Fast täglich möchte ihm irgendjemand aus dem Heimatland von LG neue Produkte vorstellen. Die meisten Besuche müsse er aber aus Zeitgründen ablehnen, wie Tiefenthal auf einem Roundtable in München erklärte. Dass er dennoch Augen und Ohren für den Netzwerkmonitor fand, bereut er keine Minute.
Als Killer-Applikation oder "Category Killer" bezeichnet LG diese Virtual-Computing-Lösung für vertikale Märkte. Vor allem Schulen und Call-Center sollen darauf anspringen. Entwickelt wurden die Netzwerkmonitore eigentlich von einem kleinen Start-up in Silicon Valley, aber LG hat sich mehrjährige Exklusivrechte an der Technologie gesichert, weswegen nicht zu befürchten sei, dass andere Hersteller dem koreanischen Unternehmen die Butter vom Brot nehmen, so Tiefenthal.
Da für zehn Arbeitsplätze bei der im September 2009 offiziell eingeführten, aber schon verkauften N-Serie nur ein PC nötig ist, versprechen LGs Netzwerkmonitore 55 Prozent geringere Anschaffungskosten, 70 Prozent niedrigere Kosten für Reparatur, Wartung und Verwaltung sowie einen um 86 bis über 90 Prozent geringeren Stromverbrauch.
Bei 30 Arbeitsplätzen und einer Gesamtbetriebszeit von fünf Jahren soll sich der Total Cost of Ownership (TCO) mit der für Ende 2009 angekündigten Nplus-Serie um 69 Prozent senken lassen, von 26.615 auf 8.285 Euro. Die Energiekosten gehen von 2.323 auf 317 Euro runter, die Anschaffungskosten von 15.000 auf 6.700 Euro.
Nur ein PC heißt nicht nur geringer Wartungsaufwand und mehr Datensicherheit, sondern auch weniger Geräuschentwicklung, weniger Aufwand für die Klimatisierung von Büroräumen und weniger Elektronikabfall. Damit sieht LG diese Lösung auch als echten grünen Beitrag.
Mindestanforderungen an den PC für zwei bis sechs Anwender sind laut LG ein Dual-Core-Prozessor mit 3 GHz und 4 GB RAM, für sieben bis elf Arbeitsplätze wird ein Rechner mit Quad-Core-Prozessor, mindestens 2,66 GHz und 4 GB RAM empfohlen.
Für Business Solutions, früher bei LG Display (vor allem als LCD-Panel-Hersteller bekannt) aufgehängt, wurde Anfang des Jahres eine eigene Company geschaffen. Jahresziel 2010 allein in Deutschland ist es, die 1-Milliarde-Euro-Marke zu überschreiten, erklärte Tiefenthal.
LG hat sich zwar zum Ziel gesetzt, in einigen Bereichen zur Nummer drei weltweit aufzusteigen, so auch beim neuen Produktfeld NAS-Systeme (siehe unten), aber bei Notebooks hat man diesbezüglich keine Ambitionen, geschweige den bei Desktop-PCs, welche der koreanische Hersteller nicht im Programm hat. Deshalb baue man dabei auf Partner wie anfangs Tarox als Distributor und PC-Lieferant. Weitere Distributoren sollen folgen.
Für kleine Gruppen bietet sich die schon erhältliche N-Serie mit 18,5-Zoll-16:9-Display an. Problem ist, dass die Geräte mit dem Format bei öffentlichen Ausschreibungen durchfallen, denn Standard im B2B-Bereich sind immer noch 19-Zoll-Monitore im klassischen Square-Format.
Auch wenn das Display selbst matt ist, stellt der schwarze schwarz glänzende Rahmen eine weitere Ausschreibungshürde dar. Dennoch hat LG ISP-Direktor Tiefenthal zufolge schon die ersten öffentlichen Schulen dafür gewinnen können.
Die N-Serie kommt wie gesagt noch mit PS/2-Maus- und Tastaturanschluss und lässt pro PC bis zu elf Arbeitsplätze zu. Der maximale Abstand beträgt 8 m. Dass die Geräte anfangs noch mit PS/2-Buchsen kommen, ist der Tatsache geschuldet, dass die Anschlussvariante in den USA noch sehr stark nachgefragt ist, erklärt Dieter Speidel.
Wegen des nicht ausschreibungsfreundlichen Bildformats und der genannten Beschränkungen freut sich der technische Produktmanager für Display-Produkte auf die neue Nplus-Serie mit 19-Zoll-5:4- und 22-Zoll-16:10-Monitoren, die für Ende 2009 erwartet wird.
Diese erlaubt die Bestückung von bis zu 30 Arbeitsplätzen an einem PC mit oben genannten Mindestanforderungen: Quad-Core-Prozessor und 4 GB RAM.
Während bei der N-Serie die LAN-Verbindung noch direkt über ein oder zwei Zusatzkarten erfolgt, läuft sie bei der Nplus-Serie über einen Router oder Switch zum PC, und das ohne Abstandsbeschränkung.
Außerdem wird die neue Serie über USB-Maus- und -Tastatur-Anschluss und USB-Datenspeicher-Schnittstelle verfügen. Unterstützt wird zudem WLAN, bei der N-Serie noch nicht. Integrierte Lautsprecher bringen beide Serien mit.
Um die Unternehmen nicht zur Software-Piraterie aufzufordern, werden die Netzwerkmonitore mit entsprechenden Multiuser-Lizenzen für Windows-Produkte ausgeliefert. Damit wären die Kunden auf der rechtlich richtigen Seite. Arbeiten mehrere Anwender nur an einem Lizenzprodukt ist die Gefahr erwischt zu werden, anders als bei Thin Clients nicht groß.
Sorgen von Fachhändlern, dass sie an den Netzwerkmonitoren nichts verdienen würden, versuchte Tiefenthal damit zu zerstreuen, dass die IT-Budgets vieler Unternehmen begrenzt sind. Reicht es sonst nur für einen PC und einen Monitor nebst Peripherie pro Arbeitsplatz, ist so bei der Kundenberatung vielleicht auch noch das eine oder andere weitere Produkt drin, vom langfristigen Wartungsvertrag ganz abgesehen.
Grafikmonitore und NAS-Einstieg
Neu in LGs Business-Portfolio sind auch der erste Grafikmonitor mit RGB-LED-Backlight und eingangs erwähnte Network Attached Storage- oder kurz NAS-Systeme, die Tiefenthal auch gerne ergänzend zu den Netzwerkmonitoren sieht.
Marktforscher IDC zufolge soll die Datenflut bis 2010 die Marke von einem Petabyte oder 1.000.000.000.000.000 Byte überschreiten, rechnete der zuständige Produktmanager Thomas Oubailis vor. Die zweite Datensicherung wird dabei immer wichtiger, die Zahl der Bild-, Video- und Musikdaten wird sich in den kommenden Jahren potenzieren, zudem wird sich DNLA der Digital Living Network Alliance als Standard durchsetzen.
Als zentrale Speicher für all die Datenflut im Haushalt oder Büro sind NAS-Systeme daher zu einem der wichtigsten Wachstumsmärkte geworden, so Tiefenthal. Und da habe sich LG auf die Fahne geschrieben, zu den Top-Playern aufzusteigen.
LG hat das NAS-System nicht allein entwickelt, sondern zusammen mit Hitachi, genauer zeichnet hierfür das Joint-Venture Hitachi-LG Data Storage verantwortlich, wobei Hitachi die Festplatten liefert, LG den integrierten Blu-ray-Brenner.
Dieser Blu-ray-Brenner als Virtual Disc Library ist einer der Alleinstellungsmerkmale des NAS-Systems "LG NB1", das sich weniger an Endkunden als an kleinere und mittelgroße Unternehmen wendet sowie an Power-User wie etwa Profi-Fotografen.
Festplatten haben nur etwa eine Lebensdauer von zehn Jahren, auf Blu-ray-Disk sollen die Daten revisionssicher 50 Jahre halten. Revisionssicher, weil write once read many (WORM, nur einmal beschreibbar, häufig lesbar).
Das NAS-System bietet eine Festplatten-Speicherkapazität von 1 bis 4 Terabyte. Auf einer Blu-ray-Disk lassen sich Stand heute im 4-Layer-Verfahren 100 GB (4 x 25 GB) abspeichern. Das Backup auf den optischen Medien lässt sich zeitlich planen. Dabei kann der User auch zwischen vollem und inkrementellem Backup wählen.
Sehr große Datenmengen können auch auf mehrere Blu-ray-Disks ausgelagert und mit einem "Disc List Management" verwaltet werden. Das System unterstützt von Hause aus RAID-5, optional zudem RAID 0, 1, 1+0 und JBOD. Es verfügt über eine Gigabit-Ethernet-Schnittstelle, drei USB-2.0-Ports, einen seriellen und ein Speicherkartenleser.
Die Blu-ray-Entwicklung geht noch weiter. 2010 sollen die ersten BD-Disks mit 8facher Geschwindigkeit und acht Layer (Schichten) auf den Markt kommen, 2012 mit 16 Schichten à 25 GB (400 GB).
Ab 2013 wird dann die Holographic Versatile Disc (HVD) mit bis zu 3,9 Terabyte Speicherkapazität erwartet. Anders als bei der Blu-ray-Technologie verwendet die HVD-Technologie zwei sich überlagernde Laser, der eine rot, der andere grün-blau leuchtend. (kh)