Digitalisierung des Gesundheitswesens

Lauterbach will E-Patientenakte und E-Rezept beschleunigen

10.03.2023
Reisen buchen, Geld überweisen, shoppen: Für Millionen Menschen läuft im Alltag längst viel digital. Praxen und Kliniken hinken da ziemlich hinterher. Findet die Politik dafür jetzt einen entscheidenden Turbo?
Schluss mit Papier: 2024 sollen Patientenakten in digitaler Form rechtssicher abrufbar sein.
Foto: Dominique James - shutterstock.com

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die schleppende Verbreitung digitaler Anwendungen für Patienten deutlich beschleunigen. "Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Daher solle "ein Neustart" kommen, um elektronische Patientenakten etwa mit Befunden und Angaben zu Medikamenten für alle zur Regel zu machen. E-Rezepte sollen auf breiter Front alltagstauglich werden, die Forschung auf der Basis von Gesundheitsdaten soll vorankommen.

Die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, mache die Behandlungen besser, betonte Lauterbach. Vorgesehen ist ein Gesetzespaket, das in den nächsten Wochen mit genaueren Regelungen vorgelegt werden soll.

Konkret sollen bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten E-Akten eingerichtet werden - es sei denn, man lehnt das ausdrücklich ab. Gespeichert werden können darin zum Beispiel Befunde, Röntgenbilder und Listen mit eingenommenen Medikamenten. Als freiwilliges Angebot waren die E-Akten schon 2021 eingeführt worden, aber nicht einmal ein Prozent der 74 Millionen Versicherten nutzt sie. Erklärtes Ziel bis 2025 ist, dass 80 Prozent der gesetzlich Versicherten E-Akten haben.

Außerdem sollen E-Rezepte nach einer bisher stockenden Einführung einfacher nutzbar und Anfang 2024 zum verbindlichen Standard werden. Gesetzlich geregelt werden sollen auch mehr Datenauswertungen für die Forschung. Dafür soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Registern und Krankenkassendaten ermöglichen soll.

Aus Sicht der Verbraucherzentralen profitieren Patienten, wenn sie digital durch das komplizierte Gesundheitswesen navigieren könnten. Bei der Umstellung auf automatisch bereitgestellte E-Akten mit Widerspruchsmöglichkeit müsse aber einfach festzulegen sein, welcher Arzt auf welche Daten zugreifen darf. Ein "Alles oder Nichts" sei der falsche Weg, erklärte der Bundesverband. Menschen ohne Smartphones und Computer dürften bei der Versorgung nicht abgehängt werden. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen begrüßte den "Rückenwind für die Digitalisierung". Dazu gehöre jedoch, dass Ärztinnen und Ärzte die E-Akte auch mit Daten befüllen müssten.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die digitale Patientenakte kann Leben retten, weil sie Ärzten sofort alle wichtigen Informationen über einen Patienten zur Verfügung stellt." Sie müsse daher zum Standard werden. Die Widerspruchslösung sei "ein verhältnismäßiger Weg". Dabei solle man Datenschutz und Gesundheitsschutz nicht gegeneinander ausspielen. "Patienten sollten flexibel über die Nutzung der Akte entscheiden können." So könnten sie beispielsweise nur einzelne Befunde für bestimmte Ärzte sichtbar machen. Zudem sollte die Digitalakte von vornherein so effizient und benutzerfreundlich wie möglich sein.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt seit Jahren kaum voran. Bei der Vernetzung der Praxen gibt es Verzögerungen, zudem schwelt bei mehreren Fragen Streit über den Datenschutz. Beim elektronischen Rezept waren weitere Schritte in der bundesweit einzigen Pilotregion in Westfalen-Lippe im Herbst vorerst auf Eis gelegt worden. Lauterbach geht es auch darum, mehr Möglichkeiten für die Forschung zu eröffnen. Die systematische Auswertung vieler digitaler Daten kann Erkenntnisse entscheidend beschleunigen. Ein Vorbild dafür ist Israel, das vor mehr als 25 Jahren mit der Digitalisierung begann. (dpa/rs/rw)