Selten wird Bitkom-Präsident Achim Berg so deutlich, wie bei seiner Ansprache auf der 20-Jahr-Feier von Lancom Systems Mitte Mai 2022 in Aachen: Deutsche Unternehmen müssten sich bei der Beschaffung von IT-Ausrüstung inzwischen ganz klar überlegen, wem sie vertrauen können, sowie wer "zu unseren Feinden oder wer zu unseren Freunden gehört." Dabei zeigte Berg auf einer Folie Ergebnisse einer Umfrage von Bitkom Research aus dem Jahr 2021.
Demnach haben 89 Prozent der deutschen Unternehmen in Bezug auf ihre Geschäftsbeziehungen "großes Vertrauen" in Partner aus anderen EU-Ländern (89 Prozent). Bei Japan (61 Prozent) und Großbritannien (59 Prozent) sind es immerhin noch die Mehrheit, aber in Bezug auf Indien, USA China und Russland haben jeweils die Mehrheit der Befragten nur ein geringes oder sogar gar kein Vertrauen. Die genauen Werte liegen bei 56 Prozent (Indien), 59 Prozent (USA), 67 Prozent (China) und 82 Prozent (Russland).
Dass Misstrauen ist nicht nur gefühlt. 33 Prozent sagen, dass sie faktisch keine Möglichkeit haben, Druck von ausländischen Partnern oder Regierungen abzuwehren, 14 Prozent sehen grundsätzlich die Gefahr, dass ihr Unternehmen von ausländischen Geschäftspartnern oder Regierungen erpresst wird und 50 Prozent wissen um die Gefahren, gehen aber hinsichtlich der Verlässlichkeit der Politik am Sitz ihrer Partner gezwungenermaßen Risiken ein.
Gegen den Begriff "gezwungenermaßen" kämpft Lancom Systems inzwischen seit 20 Jahren an. Erfolgreich, wie die Kennzahlen des Unternehmens belegen. Nimmt man die Vorgeschichte als Teil des Unternehmens Elsa hinzu, ist die Firmenhistorie sogar noch länger und begann 1994 mit einem IPX-Router für das Novell-Protokoll. Richtig bekannt wurde der Produktname "Lancom" dann ab 1997 mit einem von Elsa unter diesem Namen vertriebenen ISDN-Router.
Seit seiner Eigenständigkeit ab 2002 setzte Lancom Systems konsequent auf Entwicklung und Fertigung in Deutschland. Das hatte manchmal seinen Preis, wird aber jetzt immer mehr zur Trumpfkarte. Zwar muss sich auch Lancom bei einzelnen Komponenten aus Asien bedienen, aber Kondensatoren oder Halbleiter einfliegen zu lassen, ist immer noch deutlich einfacher und günstiger, als komplette Produkte. Außerdem sorgt die eigene Hardware-Entwicklung am Stammsitz in Würselen dafür, dass eine gewisse Flexibilität und Anpassbarkeit gegeben ist: Ist absehbar, dass ein Bauteil nicht verfügbar ist, kann es unter Umständen durch ein gleichwertiges von einem anderen Lieferanten ersetzt werden.
Die früher vielleicht einmal als altbacken, sehr bodenständig oder bieder bezeichneten Prinzipien bei Lancom, erwiesen sich angesichts der Störungen der Lieferketten durch Pandemie, Störungen des Schiffsverkehrs und Krieg als Tugenden. Das betonte auch die anderen Gäste der Festgala zum 20-jährigen Firmenjubiläum, darunter Christoph Dammermann, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW, sowie Dr. Gerhard Schabhüser, Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).
Peter Riedel, Geschäftsführer und COO der Lancom-Konzernmutter Rohde & Schwarz, outete sich als langjähriger Lancom-Intensivnutzer und großer Fan der Produkte aus Würselen. Er machte zudem Bitkom-Präsident Achim Berg den Anspruch streitig, einer der größten privaten Lancom-Kunden zu sein: Wer mehr Netzwerk-Produkte aus Lancom in seinem Keller in den Server-Schrank verbaut hat, konnte auf der Veranstaltung nicht endgültig geklärt werden. Deutlich wurde jedoch: Es ist kein Nerd-Privileg mehr, Lancom-Besitzer und -Benutzer zu sein. Es ist vielmehr ein Zeichen, eines wachen Bewusstseins für die Gefahren der digitalen Welt, die Risiken der Globalisierung sowie ein Zeichen in die Notwendigkeit einer "digitalen Souveränität."
"Digitale Souveränität" war ohnehin das Stichwort der Lancom-Veranstaltung. Sie forderte auch Dr. Oliver Grün, Präsident des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi). Der fragte sich laut, warum die Deutsche Bahn ihre Rechenzentren an AWS auslagert oder die Deutsche Telekom Router von Huawei einsetzt. Die Notwendigkeit einer größeren Souveränität illustrierte er anhand eines Zitats des ehemaligen Außenministers Heiko Maas, wonach es keine Abhängigkeit Deutschlands von Russland gebe - schon gar nicht bei Energieexporten. Die aktuelle Lage lege das Gegenteil nahe - und zeige auf, wie gefährlich ein zu wenig an Souveränität sein könne. Nach Ansicht von Grün hat Deutschland den Anschluss im B2C-Bereich längst verloren. Nun gelte es, dieselben Fehler nicht im B2B-Bereich erneut zu machen. Der sei das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und hier sei noch alles offen.
In schöner Tradition der Stadt Aachen, in der seit 1950 der Karlspreis an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verliehen wird, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben, betonten aber alle Redner, dass es ihnen nicht um komplette Autarkie oder Schutzzölle und Einfuhrbeschränkungen gehe. Sie setzen vielmehr auf Einsicht der Anwender und die Erkenntnis, welchen Wert die digitale Souveränität für jeden von ihnen haben kann.
Sie anzustreben, setzt natürlich deutsche oder zumindest europäische Alternativen voraus. Im Netzwerkbereich hat sich Lancom in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren fest etabliert. Die Expansion in andere europäische Länder ist unterschiedlich weit fortgeschritten, soll nun aber forciert werden. Im Security-Bereich ist Lancom nach der Eingliederung in Rohde & Schwarz und der Zusammenführung mit dessen Sparte für Netzwerksicherheit (Rohde & Schwarz Cybersecurity) nach anfänglichen Startschwierigkeiten nun ebenfalls gut aufgestellt - nicht nur in Hinblick auf die Produkte, sondern auch in Bezug auf die Channel-Bearbeitung. Damit sind alle Voraussetzungen für 20 weitere erfolgreiche Jahre geschaffen.
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