Das folgende Interview wurde mit dem Marketing-Manager einer EDV-Handelskette geführt, der seine Erfahrungen mit Ladendiebstahl als Leiter einer Filiale in Hof sammelte. Zwar bestand der Mann auf Anonymität, dennoch kann am Praxisbezug seiner Darstellung kaum gezweifelt werden. Etliche Leser werden das bestätigen.
Sehen Sie Ladendiebstahl als gravierendes Problem des Handels?
XY: Eindeutig. Zum Netto-Preis der gestohlenen Ware kommen Folgekosten in Form von Arbeitszeit, Buchhaltungskosten und eventuelle Zeugenaussagen vor Gericht.
Warum "eventuelle" Zeugenaussagen?
XY: Weil die meisten Fälle gar nicht vor Gericht gelangen. Nehmen wir folgendes Beispiel: Wir hatten in Hof einen Grenzgänger als "Stammkunden", der einmal pro Woche Waren im Wert von mindestens 2000 Mark geklaut hat. Wenn wir ihn erwischten, wurde er festgenommen. Er wußte aber genau, daß er nach Erlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe des Warenwerts nicht angeklagt, sondern nur abgeschoben wurde.
Die Woche darauf kam er zurück. Die Anzeige wegen Hausfriedensbruch, nachdem er in sämtlichen Filialen Hausverbot hatte, verpuffte aus dem gleichen Grund. Ehrlich, wenn ich gestohlene Ware problemlos zu einem guten Preis verkaufen könnte, ohne Rechtssanktionen zu befürchten, würde ich das wahrscheinlich auch tun.
Also Ladendiebstahl als Nationalitätenproblem?
XY: Natürlich nicht. Ich glaube aber, daß Ladendiebstahl immer mehr als Kavaliersdelikt gesehen wird.
Wo sehen Sie die Schuldigen an der Misere?
XY: Nicht bei der Gesellschaft: Ein Dieb ist ein Dieb. Auch nicht generell beim Händler. Er hat selbst in der Hand, wieviel Prävention er betreibt. Auch nicht bei der Polizei, die oft aus purer Überlastung resigniert. Wer nach Ursachen sucht, sollte bei den Gerichten beginnen, die immer mehr "Bagatellverfahren" gegen eine lächerliche Geldbuße einstellen.
Was empfehlen Sie den betroffenen Händlern angesichts dieser Machtlosigkeit?
XY: Wer weitermacht, muß mit den Klauern leben. Die Zeche zahlt der ehrliche Kunde.