Beratung und Service im Onlinehandel

Kundenbindung im Online-Shop

30.10.2015 von Ralf  Lieser und Albert Pusch
Im E-Commerce ist Kundenbindung ein hohes Gut. Techniken, die sie positiv beeinflussen, gibt es viele. Doch das wichtigste Instrument ist der Shop selbst.

Kundenbindungsmaßnahmen sind aufwändig und kostenintensiv. Außerdem können sie nur begleitend sein. Die wenigsten Menschen shoppen online, nur weil die Seite so schön ist und sie emotional berührt. Personalisierung ist ein hilfreiches Werkzeug in einem bereits weit entwickelten Shop. Doch vor dem Goodie persönlicher Angebote oder dem Wunsch nach einem personalisierten Kinderwagen steht die Suche nach einem Kinderwagen, der bestimmten Kriterien wie Preis, Gewicht oder Sicherheit entspricht.

Ansprechendes Frontend und optimal unterstützende Backend-Systeme können einen Online-Kunden glücklich machen.
Foto: Lucky Business-shutterstock.com

Was Kunden in allen Fällen und zuerst wollen, sind die Kernleistungen des Online-Shops, nämlich Produkte, und die dazugehörigen Informationen, um die Produkte einzuschätzen. Hier beginnen bereits Service und Beratung.

Beratung ist nicht gleich Beratung

Was ein Kunde an Beratung benötigt – aber auch darunter versteht – ist naturgemäß unterschiedlich. Selbst die Frage, ob er Beratung braucht, ist nicht einheitlich zu beantworten. Als Merkmal des B2B-Online-Handels wird etwa immer wieder die Komplexität des Angebots ins Feld geführt, die eine entsprechende Beratung nötig mache. Aber lässt sich das so verallgemeinern?

Zwei Beispiele: Verkauft ein Hersteller von Werkzeugmaschinen seine Exzenterschleifer direkt an Handwerker, ist das sicherlich B2B, aber keinesfalls besonders kompliziert. Jeder Hobbyhandwerker und Autoliebhaber kann damit umgehen und wird Polierpads von Schleifscheiben unterscheiden können. Das Angebot unterscheidet sich nur unwesentlich vom Standard-Angebot für Endverbraucher.
Auf der anderen Seite des B2B-Vertriebsspektrums gibt es Anbieter von Systemkomponenten, etwa Oszilloskope für industrielle Anlagen, die in Bandbreiten von 50 MHz bis 4 GHz mit unterschiedlichen Abtastraten, Empfindlichkeiten, Speichertiefen, Interfaces und so weiter angeboten werden.

Grundlagen der Kundenbindung

Online-Beratung muss daher vom Kunden gedacht werden, und dessen Fragen und Probleme schnell, effizient und zufriedenstellend beantworten. Im ersten Beispiel genügen ausreichend große Produktbilder und ein paar technische Daten, um den Kunden die Auswahl des richtigen Produkts zu ermöglichen.
Im zweiten Beispiel müssen die Informationen umfassend und absolut korrekt sein, die Seitennavigation sicher zum gewünschten Grundsystem führen und die Abhängigkeiten zwischen den Systemkomponenten Teil der Produktdatenmodellierung sein. Das sind die Basics, um Kunden vom Angebot des Shops zu überzeugen.
Und erst wenn diese korrekt umgesetzt sind, machen ergänzende Beratungsangebote wie Konfiguratoren oder Click-to-Chat-Services überhaupt Sinn. Online-Beratung – und damit Kundenbindung – fängt also schon bei der Strukturierung eines Onlineshops an und kann dann annähernd beliebig nach oben skalieren.

Online-Shopping 2015 - Frust statt Lust beim Online-Kauf - eCommerce-Studie von JDA Software und Centiro
Online-Shopping 2015 - Frust statt Lust beim Online-Kauf - eCommerce-Studie von JDA Software und Centiro
Die einfache Rücksendung der bestellten Waren ist für Online-Käufer ganz wichtig.
Online-Shopping 2015 - Frust statt Lust beim Online-Kauf - eCommerce-Studie von JDA Software und Centiro
Die Rücksendung sollte nach Möglichkeit kostenlos sein.
Online-Shopping 2015 - Frust statt Lust beim Online-Kauf - eCommerce-Studie von JDA Software und Centiro
Die online bestellte Ware im stationären Laden persönlich abholen ist für Kunden eine wichtige Option.
Online-Shopping 2015 - Frust statt Lust beim Online-Kauf - eCommerce-Studie von JDA Software und Centiro
Der nächste Webshop ist nur einen Mausklick weiter entfernt.
Online-Shopping 2015 - Frust statt Lust beim Online-Kauf - eCommerce-Studie von JDA Software und Centiro
Viele Kunden klagen über unzureichende Zustellung der online bestellten Artikel.

Passive Beratungsservices

Der Betreiber einer E-Commerce-Plattform sollte seinen Besuchern dann an der richtigen Stelle im Kaufprozess die richtige Servicefunktionen zur Verfügung stellen. Zentrale Beratungstools stellen die On-Site-Suche, die Filternavigation und die Vorschlagsfunktion dar. Sie sind die erste Anlaufstelle der Nutzer, auf der Suche nach weiteren Informationen oder bieten zusätzliche Orientierung.

Die Suchfunktion

Um in einem Online-Shop die richtigen Produkte zu finden, nutzen Kunden entweder die Kategorie-Navigation oder die Suchfunktion. Wie leistungsfähig eine On-Site-Suche ist, entscheidet daher maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg einer E-Commerce-Plattform. Nach Eingabe einer Suchanfrage sollten Kunden die relevantesten Ergebnisse schnell und gut sortiert angezeigt bekommen – auch dann, wenn Tipp- und Rechtschreibfehler auftreten.

Eine fehlertolerante Suchtechnologie gehört mittlerweile zum Standard erfolgreicher Online-Shops. Abweichungen von der hinterlegten Schreibweise treten am häufigsten bei sehr konkreten Eingaben auf, zum Beispiel „Loewe Smart-TV 40 zoll“. Wer eine konkrete Anfrage eingibt, trägt sich meist mit einer Kaufabsicht. Um dieses Potenzial zu nutzen, sollten Händler eine Suchtechnologie einsetzen, die Wortbestandteile in sämtlichen Kombinationen erkennen und zuordnen kann. Wenn der Kunde dann nach der Eingabe der ersten Buchstaben dank einer Suggest-Funktion sogar eine Liste mit passenden Vorschlägen erhält, hilft ihm das bei der Orientierung, erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit und verringert die Absprungrate.

Suche – technische Aspekte

Produkte mit technischen, nicht eindeutigen Namen oder Artikel von fremdsprachigen Lieferanten können schnell zu versteckten Ladenhütern werden, weil Kunden oft Suchbegriffe verwenden, die sich gänzlich von den hinterlegten Informationen unterscheiden. Die Daten, die im Suchindex standardmäßig im CSV-Format vorliegen, kommen gewöhnlich aus unterschiedlichen Quellsystemen. So liegen beispielsweise die Produktinformationen im PIM und Verfügbarkeiten und Preise aus dem ERP. All diese Daten werden dann über das Shop-System in die Suche indiziert. Um das Potenzial voll auszuschöpfen sind mehrmalige Aktualisierungen des Index pro Tag und daher eine leistungsfähige Indexierung entscheidend.

Alternativen pflegen

Shop-Manager sollten die erfolglosen Produktsuchen ihrer Nutzer genau analysieren. Die Erkenntnisse aus den Anfragen sollten dann die Grundlage neuer Thesaurus-Einträge sein, um Produkte unter alternativen Begriffen auffindbar zu machen („Diwan“ oder “Kanapee“ oder “Chaiselounge“). Gerade bei der mobilen Suche über Smartphones verfälscht die Autokorrektur häufig den Suchbegriff. Sind aber entsprechende Synonyme hinterlegt, führt die mobile Suche dennoch zu einem positiven Ergebnis.

Filter funktional aufsetzen

Neben der Suche ist die Filterung ein gutes Mittel, um Kunden das Shopping zu erleichtern. Ein häufig auftretendes Problem bei der Darstellung von Filtern ist aber die Doppelung beziehungsweise die Inkonsistenz von Merkmalen. Die Produktdaten, die für die Filternavigation genutzt werden, stammen meist aus verschiedenen Quellsystemen und von verschiedenen Herstellern. Ohne eine Normalisierung der Daten entsteht ein Sammelsurium unterschiedlichster Beschreibungen für ein und dasselbe Produktattribut - sehr häufig bei Größenangaben und Maßeinheiten. Ohne eine softwaregestützte Pflege der Daten lassen sich die Produkte daher nicht erfolgreich filtern oder vergleichen.

Aktive Beratung

Am Übergang zwischen den Beratungsbereichen stehen die konkreten Bewertungen einzelner Nutzer und ihre Rezensionen. Sie raten aktiv, sehr konkret und meist unabhängig zu XY oder geben Empfehlungen für bestimmte Anwendungsfälle. Allerdings muss das Angebot vom Besucher selbst aufgerufen und bewertet werden. Es führt nicht automatisch zu einem bestimmten Sortimentsbereich oder einem gesuchten Angebot. Es fehlt noch die Interaktion.
So werden potenzielle Kunden direkt über die E-Commerce-Plattform anbieterunabhängig informiert und müssen sich Detailinformationen und Einschätzungen nicht über Google beschaffen.

Interaktive Berater und Konfiguratoren

Die nächste Stufe sind interaktive Beratungsangebote und Konfiguratoren. Ein virtueller Berater bietet Kunden im Idealfall auf jeder Seite spezifische Beratungsinhalte, thematisch passende Tipps, erklärt Funktionen oder beantwortet Fragen über ein Eingabefeld. Interaktive Berater eignen sich daher weniger für den Absatz schnelldrehender Produkte als vielmehr zur Orientierung in komplexen Angeboten.

Die Zeiten, in denen diese Berater dabei optisch einer Office-Büroklammer nachempfunden waren, sind vorbei. Avatare müssen menschlich anmuten. Gestaltung und Funktion sollte unbedingt von Frontend und UX-Experten übernommen werden. Im Hintergrund ist in der Regel eine performante Verknüpfung mit einem CMS-System nötig, da dort etliche der vom interaktiven Berater ausgespielten Inhalte gepflegt werden.

Das Vertrauen in den kleinen Helfer

Die Themen grafische Konfiguratoren und interaktive Variantenauswahl sind nicht nur für den Consumerbereich äußerst spannend. Auch B2B-Shops können damit ein positives Kundenerlebnis schaffen und die Bindung erhöhen. Die Möglichkeiten reichen von der grafischen Aufbereitung von Filtern über die Visualisierung von Produktabhängigkeiten und dem einfachen Zusammenklicken passender Elemente in einer grafischen Oberfläche – zum Beispiel den Modulen einer Systemlösung – bis hin zur vollumfänglichen Konzeption einer Fertigungsstraße mit noch größerer Detailtiefe als einem PKW-Konfigurator im B2C.

E-Commerce - so vermeiden Sie Kaufabbrüche
Tipp 1 - Checkout überprüfen
Die meisten Käufe werden auf der Bezahlseite abgebrochen. Hier sollten Shop-Betreiber ansetzen.
Tipp 2 - Lieferangaben: So kurz wie möglich
Je weniger Daten potentielle Käufer eingeben müssen, umso geringer die Chance, dass sie abspringen.
Tipp 3 - Zahlungsoptionen prüfen
Findet ein Kunde das gewünschte Bezahlverfahren nicht, droht ein Kaufabbruch. Eine breite Auswahl an Bezahlverfahren kann dies verhindern.
Tipp 4 - Lieferzeit und Lieferkosten: bitte zum Nulltarif!
Sind die Versandkosten zu hoch, springen Kunden ab. Viele Kunden erwarten inzwischen sogar Versand zum Nulltarif.
Tipp 5 - Shops auf mobile Endgeräte optimieren
Immer mehr Kunden nutzen ihre mobilen Endgeräte zum Einkauf. Shop-Betreiber sollten ihre Webseiten darauf einstellen.

Das macht auch äußerst komplexe Themen beherrschbar. Im Hintergrund verarbeitet die Logik des Konfigurators die Abhängigkeiten zwischen den Komponenten, sprich die Verknüpfung von Produktattributen und Kategorien wie beispielsweise Typ, Hersteller, Plattformhöhe, Rüstsätze, Anschlüsse, verwendetes Hydrauliksystem, Batterieleistung oder Einsatzszenario. Prinzipiell ist dies derselbe Vorgang, wie bei den bereits geschilderten Filtern.

Produktdaten zentral pflegen

Durch die strikte Beachtung von Ausschlusskriterien und die Einbindung von Bestandsdaten weiß der Kunde, ob die von ihm gewählte Konfiguration überhaupt möglich ist und zu welchem Zeitpunkt ein Gesamtsystem in dieser Form lieferbar sein wird. Eine intelligent aufgesetzte Produktdatenstruktur, eine hohe Qualität und Konsistenz, die Normalisierung von Daten unterschiedlicher Quellen, ihre möglichst zentrale Speicherung und Verwaltung sowie die permanente Aktualisierung sind die wichtigsten Kriterien.

Fazit

Kunden wollen sich sicher sein, dass alles wie erwartet läuft. Sie wollen in dieser Erwartungshaltung regelmäßig bestätigt werden, um den Leistungen des Shops zu vertrauen. Mit einem breiten Informations- und Beratungsangebot, sinnvoll strukturiert und zielgruppengerecht aufgesetzt, beugt der Shop permanent bösen Überraschungen vor – und wird damit zum wichtigsten Kundenbindungstool. (bw)