ChannelPartner: In Ihrem Unternehmen, der CCVOSSEL GmbH, gingen der Wandel vom Systemhaus zum MSP und eine grundlegend veränderte Recruiting-Strategie für Mitarbeiter Hand in Hand. Warum lässt sich Ihrer Erfahrung nach beides nicht voneinander trennen?
Carsten Vossel: Ich würde nicht sagen, dass diese Themen Hand in Hand gingen. Im ersten Schritt hat sich unser Softwareentwicklungsteam zum Ziel gesetzt agile Methoden zu evaluieren und einzuführen. Erst innerhalb dieses Prozesses haben wir dann gemerkt, dass wir bei Stellenausschreibungen punkten können, wenn wir damit werben.
Die grundlegende Veränderung der Recruiting-Strategie haben wir durch die Einstellung eines HR-Mitarbeiters vorangetrieben. Die strategische Entscheidung, keine Personalagenturen oder Headhunter bei der Besetzung neuer Stellen einzubeziehen, hat es notwendig gemacht, eigene Ressourcen und Kompetenzen hierzu aufzubauen.
ChannelPartner: Wo war Ihr erster Einstiegspunkt - oder war zeitweise das ganze Unternehmen eine Baustelle?
Carsten Vossel: Da wir verschiedene Teams haben, konnten wir schrittweise vorgehen. Die ersten Schritte sind wir im Team der Softwareentwicklung gegangen bzw. sind die Mitarbeiter selbst gegangen.
ChannelPartner: Wenn wir die Aspekte ins Auge fassen, die für den Wandel des Geschäftsmodells in Richtung MSP aus organisatorischer und technischer Sicht relevant sind: Hatten Sie vorab eine Art "Roadmap" aufgesetzt?
"Wir hatten den Anspruch, Prozesse zu verbessern"
Carsten Vossel: Unser Ziel war nicht primär der Wandel des Geschäftsmodells in Richtung MSP. Vielmehr hatten wir den Anspruch, unsere Prozesse zu verbessern und alle Bereiche (Business Intelligence, Development, Infrastructure, IT-Security, Secure Operations) besser miteinander zu verzahnen. Die "Roadmap" dazu bestand aus verschiedenen Puzzleteilen.
ChannelPartner: Welchen Prozess haben Sie zuerst angepackt?
Carsten Vossel: Als ersten großen Schritt haben wir ein neues Team für die teamübergreifende Projektkoordination aus der Taufe gehoben.
ChannelPartner: Warum haben Sie geraden diesen Schritt zuerst gemacht?
Carsten Vossel: Zum einen wollten wir die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Teams fördern, aber gleichzeitig die Fokussierung der Mitarbeiter auf ihre Kernkompetenzen ermöglichen. Da die Projektplanung, Steuerung und das Projektcontrolling andere Skills erfordern als z.B. die Administration oder die Softwareentwicklung, war dies für uns ein logischer Schritt.
ChannelPartner: Was hat sich dadurch verändert?
Carsten Vossel: In der Anfangsphase haben sich gleich mehrere Konflikte gezeigt. Zum einen gab es Unstimmigkeiten bei der Ressourcenplanung zwischen Projekt- und Teamleitung. Auch mussten wir bei der Übernahme der Projekte durch die Projektleitung feststellen, dass einige "Leichen" im Keller vergraben waren. Verständlicherweise haben diese Punkte zu Unmut und Frust geführt.
Die gewünschten Effekte haben sich zum Glück allerdings bald eingestellt. Unsere Projekte haben jetzt eine bessere Struktur, die Zeitplanung und Abarbeitung erfolgt fokussierter und die technischen Mitarbeiter wurden von organisatorischen Themen entlastet.
Durch erhöhte Transparenz werden Mitarbeiter besser einbezogen
ChannelPartner: Was waren die nächsten Schritte?
Carsten Vossel: Derzeit arbeiten wir daran, die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es förderlich ist, Mitarbeiter bei der Mitgestaltung einzubeziehen und ihnen Verantwortung zu übertragen. Dazu ist es unabdingbar, sie mit notwendigen Informationen zu versorgen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass sie den Umgang mit den Kennzahlen und mögliche Handlungsoptionen erlernen.
ChannelPartner: Wie weit haben Sie diese Schritte gesteuert, in wie weit haben Ihre Mitarbeiter die Federführung übernommen?
Carsten Vossel: Ich sehe mich vor allem in der Rolle, den Rahmen zu stecken. Hier geht es um die Ausrichtung des Unternehmens, um zentrale Aufgaben, um die Finanzierung und um die kulturellen Werte. Für die Ausgestaltung der Teams, thematische "Kurskorrekturen" und auch Personalentscheidungen haben die Teamleiter die Federführung übernommen.
ChannelPartner: Was hat Sie auf diesem Weg - positiv oder auch negativ - überrascht?
Carsten Vossel: Besonders positiv sehe ich, wie sensibel die Mitarbeiter mit ihrer verantwortungsvollen Rolle umgehen. Dies fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl und fördert kreative Ideen, aber auch schwierige Situationen können besser gemeinsam gelöst werden.
Der Rolle des geschäftsführenden Gesellschafters wird per se ein gewisser Respekt entgegengebracht. Hier den Raum zu öffnen und Brücken zu bauen, so dass alle Mitarbeiter ihre Ideen und Gedanken einbringen, sehe ich als große Herausforderung.
Carsten Vossel bei c.m.c. am 20. Februar 2020 in München
ChannelPartner: Auf dem c.m.c.-Kongress Werden Sie Ihre Erfahrungen mit anderen Partnern teilen. Sie haben dafür den Titel "Kultur schlägt Strategie" gewählt. Auf welche Aspekte werden Sie vertieft eingehen?
Carsten Vossel: Ich werde Beispiele aus der Praxis zeigen, die aus meiner Sicht aufzeigen, welchen großen Wert Unternehmenskultur hat. Auch soll nicht zu kurz kommen, wie man eine positive Unternehmenskultur fördert. Klingt komisch, aber auch negative Aspekte einer positiven Unternehmenskultur möchte ich beleuchten.
ChannelPartner: Woran haben Sie in Ihrem Unternehme gemerkt, dass ein Kulturwandel nötig ist? Oder ist er "einfach passiert"?
Carsten Vossel: Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Den konkreten Punkt könnte ich nicht benennen, aber meine eigene Veränderung vom Techniker zum Geschäftsführer, das große Unternehmenswachstum, meine Idee, Verantwortung zu teilen, waren wichtige Punkte auf diesem Weg.
ChannelPartner: Inwiefern hat der Kulturwandel auch Ihre Rolle als Unternehmenslenker verändert?
Carsten Vossel: Durch die Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern kann ich nicht mehr bei jedem Thema in die Tiefe gehen. Dies erfordert zum einen neue Instrumente zum Austausch, aber auch ein großes Vertrauen in die Mitarbeiter. Der größere Abstand zu Projekten hat aber auch den Vorteil, dass man einen anderen Blick bekommt und sich als "externer" Mentor einbringen kann.
Positive Veränderungen stellen sich schnell ein
ChannelPartner: Wie schwer oder leicht war es für Sie, diesen Kulturwandel für sich selbst zuzulassen?
Carsten Vossel: Da wir Schritt für Schritt den Wandel vorangetrieben haben und sich schnell gezeigt hat, welche positiven Veränderungen damit einhergehen, war es leicht sich darauf einzulassen.
Als spannend empfinde ich es abzuwägen, bei welchen Fehlentwicklungen ich einschreite und wann ich bewusst "Fehler" zulasse.
Ich bin davon überzeugt, dass eigene "Fehler" notwendig sind, um zu lernen. Gerne bemühe ich hier das Bild, dass man Kindern beibringt nicht auf die Herdplatte zu fassen. Wirklich lernen, was dies bedeutet, tun sie aber erst, wenn sie es machen. Meine Verantwortung ist es einzuschreiten, wenn die Herdplatte noch sehr heiß ist.
ChannelPartner: Gibt es aus Ihrer Erfahrung als Firmenlenker heraus eine Methode, um zu erkennen, ob man seinem Unternehmen den Kulturwandel nicht nur verordnet, sondern auch selbst vorlebt?
Carsten Vossel: Eine schöne Frage! Methoden dazu sind mir nicht bekannt. Ich denke aber, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn Entscheidungen und Entwicklungen offen diskutiert und auch kritische Anmerkungen offen ausgesprochen werden.
Als besonders motivierend habe ich es empfunden, als wir unabhängig voneinander unsere Vorstellungen und Werte zusammengetragen haben und wir schwarz auf weiß sehen konnten, dass wir an einem Strang ziehen.
ChannelPartner: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Vossel, und bis zum 20. Februar 2020 bei c.m.c.!
c.m.c. - Rethinking Managed Services
Am 20. Februar 2020 treffen sich MSPs, CSPs, ISVs und andere IT-Dienstleister bei c.m.c. in München. Dort werden in interaktiven Sessions unter anderem von Carsten Vossel, Keynotes und Diskussionsrunden die aktuellen Herausforderungen des MSP-Geschäfts diskutiert. Sicher Sie sich jetzt noch Ihr Ticket! Hier geht es zur Anmeldung!