Im nächsten Leben sollte man in Erwägung ziehen, den Berufsweg des SAP-Beraters einzuschlagen. Das Segment entwickelt sich prächtig, vor allem hierzulande, wo die Software aus Walldorf nach wie vor die Rechenzentren der Unternehmen dominiert. "Kompetente SAP-Berater können Sie mit Gold aufwiegen", heißt es dazu in der Branche, und das nicht erst seit 2014.
Gut ausgebildete SAP-Fachkräfte haben hervorragende Aussichten bei der Jobsuche, stellt auch der Weiterbildungsanbieter WBS Training AG fest. So sei die Nachfrage nach Consultants im vergangenen Jahr um knapp 40 Prozent gestiegen. Im Januar 2014 waren über 4.250 Stellenangebote für SAP-Berater ausgeschrieben, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es nur rund 3060 gewesen. Der gesamte Stellenmarkt in Deutschland wuchs in dieser Zeit nur um 1,5 Prozent, so das Unternehmen, das 185 Online- und Print-Stellenmärkte ausgewertet hat. "Eine Qualifikation im Bereich Produkte, Lösungen und Services von SAP bietet gute Berufs- und Karriereperspektiven", sagt Joachim Giese, Mitglied der WBS-Geschäftsleitung.
Ohne lange Einarbeitung produktiv werden
Die gkv Informatik setzt SAP-Berater ein, um Ressourcen-Engpässen aufzulösen. Der Wuppertaler IT-Dienstleister für Krankenkassen muss unter anderem gesetzliche Anforderungen für seine Kunden umsetzen, erläutert Georg Büttner, der als Geschäftsführer die Engineering- und Delivery-Einheiten verantwortet. "Hierdurch kommt es immer wieder zu engen zeitlichen Vorgaben, die allein durch unsere Mitarbeiter nicht zu erfüllen sind." Externe SAP-Berater würden dabei helfen, die Vorgaben einzuhalten, "und sie bringen neue Impulse in unsere Organisation". Ihre Aufgaben umfassen etwa den Aufbau der technischen Infrastruktur, der Betriebsverfahren, der eGK-Produktion und der Batchverarbeitung bei der Einführung der Branchenlösung "oscare".
Büttner setzt klar auf Kontinuität in der Zusammenarbeit: "Wir arbeiten mit einem Stamm von SAP-Beratern, die unser Haus und unsere Anwendungen kennen." Dies habe für beide Seiten Vorteile - der Berater habe Planungssicherheit hinsichtlich seiner Auslastung, und die gkv Informatik könne auf Know-how zugreifen, "das ohne lange Einarbeitung zeitnah in den Projekten produktiv werden kann".
Gefragt sei neben der Praxiserfahrung der Berater, dass sie persönlich in die Teams passten, pragmatisch arbeiteten und sich in die Arbeits- und Kommunikationsstruktur einfügten. "Sie sollen uns nicht die Welt erklären, sondern unsere Anforderungen verstehen und mit uns Lösungen erarbeiten, die technisch, terminlich und zeitlich passen."
Gefragte SAP-Freiberufler
Wenig überraschend: Auch die Geschäfte der Personaldienstleister, die SAP-Freiberufler vermitteln, laufen gut, wie aus einer aktuellen Lünendonk-Marktstudie hervorgeht. "Die führenden Anbieter von Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern blicken optimistisch auf das Jahr 2014 und darüber hinaus", heißt es bei den Marktbeobachtern aus Kaufbeuren. Demnach rechnen die Unternehmen für das laufende Jahr mit einem Umsatzplus von 13 Prozent, 2015 sollen es sogar knapp16 Prozent sein. Die meisten Aufträge gibt es laut Lünendonk für Experten mit SAP-Skills: 96 Prozent der Vermittler sprechen von "sehr starker" beziehungsweise "starker" Nachfrage.
Dies spiegelt sich nur zum Teil in den Tagessätzen der klassischen Service-Provider wider. Zwar würden in der SAP-Beratung höhere Tagessätze als in infrastrukturnahen Bereichen erzielt, berichtet Karsten Tampier, Managing Consultant und Leiter Backoffice beim Münchener IT-Benchmarking-Unternehmen Maturity. Die grundsätzliche Entwicklung der Tagessätze für SAP-Berater unterscheide sich aber nicht von anderen IT-Skills. "Der Einstieg in die SAP-Beratung beginnt bei rund 800 Euro pro Tag, und ein SAP-Seniorberater wird aktuell zwischen 1.050 und 1.200 Euro angeboten", sagt Tampier. Für Data-Warehouse-Experten oder SAP-Business-Analysen könne der Tagessatz über 1200 Euro liegen - manchmal weit darüber. "Insgesamt haben die Tagessätze der Service-Provider ein Niveau erreicht, das seit einigen Jahren stabil ist." Freiberufler bewegen sich mit ihren Honoraren zwischen 20 Prozent und 30 Prozent unter dem Niveau der Service-Provider.
Langer Anforderungskatalog
Werner Murer, Director SAP Operation bei Infineon Technologies, sucht SAP-Berater für die weltweite Planung der Mitarbeiterzahl, der Investitionen und Abschreibungen sowie der Kostellenstellen basierend auf SAP BPC ("Business Planning and Consolidation"). Er sieht die Assets externer Berater in der technischen Expertise und dem Wissen über Geschäftsprozesse, insbesondere wenn sie dies bei anderen Kunden mit ähnlicher Problemstellung erworben haben. Zudem wünscht sich Murer die Fähigkeit zu strukturiertem Arbeiten, ein hohes Qualitätsbewusstsein sowie absolute Liefertreue. Damit ist sein Anforderungskatalog nicht abgeschlossen: "In unseren großen internationalen Projekten sollte ein SAP-Berater unbedingt auch Kommunikationsfähigkeit, Englisch in Wort und Schrift, Teamfähigkeit und Erfahrung im Umgang mit anderen Kulturen mitbringen."
Derart ausgestattete Berater wachsen nicht auf Bäumen: "Experten mit umfassenden Kompetenzen sind schwer zu finden", fasst Dieter Schoon seine Situation zusammen. Der Personalchef des SAP-Beratungshauses itelligence sucht Fachleute, die "ganzheitlich" beraten und ein fundiertes Verständnis der Kundensegmente sowie internationale Erfahrung oder einen internationalen Hintergrund mitbringen. Schwerpunkte bilden die Logistik und das Rechnungswesen sowie die Projektleitung. Die mittelfristige Tendenz des Marktes hängt nach Schoons Einschätzung maßgeblich davon ab, wie sich die neuen Entwicklungen der SAP in den Bereichen Cloud und Hybris auswirken. "Für die Berater bedeutet das in jedem Fall: Spezialkompetenzen und Industrie-Know-how machen den Unterschied."
Beratermangel bei neuen Themen
Das trifft auf die Audi AG zu, die mit "Kompass" (Komponenten-Produktions-Planungs-Erfassungs- und Steuerungs-System) eine integrative SAP-Lösung für die Presswerke in Ingolstadt und Neckarsulm implementiert. "Ziel ist es, die Prozesse der Logistik und Produktion besser zu verzahnen, um die Fertigungskapazitäten optimal zu nutzen", berichtet Heiko Tilgert aus der Praxis. Der Leiter des SAP Center of Competence von Audi erwartet von einem SAP-Berater, dass er die Rahmenbedingungen des Kunden einbezieht und Auswirkungen auf die IT-Struktur antizipiert. "Um diese integrative Herangehensweise umzusetzen, sollten externe Berater ein gutes Verständnis für komplexe Architekturen und eine starke Eigenmotivation für den Blick aufs Ganze mitbringen."
Neben einem breit gefächerten Erfahrungsschatz und einem soliden Verständnis der Programmierung seien Kenntnisse in systemübergreifenden SAP-Lösungen von Vorteil, sagt Tilgert: "Die Automotive-IT bewegt sich in einem sehr dynamischen Umfeld, in dem ständig neue Anforderungen hinzukommen und etablierte Lösungen erweitert werden müssen. Diesen Anspruch an Flexibilität stellen wir an uns und an unsere externen Berater." In der klassischen Business-IT mit ERP-Anwendungen aus dem Bereich Finanz, des Personal-Managements oder der Planung des Materialbedarfs greife der Konzern auf ein fundiertes Expertennetzwerk zurück. "Bei neueren Anwendungen wie der Lagerbestands-Software EWM sowie bei übergreifend genutzten SAP-Tools wie TREX, dem Enterprise Portal, dem Solution Manager oder HANA-basierten Lösungen ist der externe Beraterkreis jedoch übersichtlicher."
BusinessByDesign-Berater sind Mangelware
Ähnliche Erfahrungen hat auch Georg Büttner von der gkv Informatik gesammelt: "Es gibt ein umfangreiches Angebot an SAP-Beratern für die Standardmodule - für Branchenlösungen und neue Themen besteht nach wie vor ein zu kleiner Markt." Daniel Gerster stimmt dem zu, zumindest bei seinem "Sonderthema" Business ByDesign (ByD). Der CIO von Roland Berger Strategy Consultants hat die "SAP-Mittelstandssoftware" 2013 in Österreich, Schweden und Tschechien live geschaltet, aktuell arbeitet er am globalen CRM-Rollout sowie am Go-live in Deutschland. Seine Bilanz fällt nüchtern aus: "Es mangelt an ByD-Beratern, die ihre Kompetenz nicht nur angelesen haben, sondern bereits erfolgreiche Implementierungen idealerweise noch in der gleichen Branche vorweisen können." Ein hervorragender SAP-Berater müsse die Fragen des Kunden beantworten können, fordert Gerster: "Leider ist das in der Realität nicht so einfach, da teilweise selbst SAP die Antworten nicht weiß."
Die Folgen sind klar, und sie charakterisieren den Markt: "Es gibt für die Nachfrage viel zu wenig qualifizierte und erfahrene SAP-Berater", sagt der Roland-Berger-CIO. Das sich daran schnell etwas ändert, darf bezweifelt werden - das wäre auch kaum im Sinne der Protagonisten, die von der Knappheit profitieren. Schon 2007 bezeichnete der "Spiegel" SAP-Berater als die "Könige des IT-Arbeitsmarkts."