Erreichbarkeit an den Feiertagen

Kling, Telefönchen, klingelingeling ...

19.12.2023 von Peter Marwan
Alle Jahre wieder ist am Jahresende in vielen Firmen die große Frage, wer und wenn ja wie über die Feiertage erreichbar ist. Jedoch lassen sich immer weniger Beschäftigte überhaupt auf diese Diskussion ein.
 
  • 13 Prozent möchten von sich aus im Urlaub ansprechbar sein
  • 58 Prozent gehen davon aus, dass Vorgesetzte Erreichbarkeit erwarten
  • Vor allem 30- bis 49-Jährige können auch im Weihnachtsurlaub nicht loslassen
Wer ist dran? Die Oma mit den Weihnachtswünschen oder ist nur dem Chef langweilig oder ein Kollege zu faul, eine Datei sebst herauszusuchen?
Foto: Bogdan Sonjachnyj - shutterstock.com

Die Stille Nacht ist nur so lange still, bis dem Chef nichts mehr heilig ist und er die Angestellten mit einem Anruf oder einer Nachricht aus dem Urlaub aufschreckt. Allerdings lassen sich das immer weniger gefallen. Von den Berufstätigen, die 2023 in der Weihnachts- und Silvesterzeit frei haben, ist einer Umfrage des Bitkom zufolge knapp die Hälfte (49 Prozent) dienstlich erreichbar. 2018 waren es noch 71 Prozent, ebenso 2019. Mit der Corona-Pandemie setzte jedoch ein Trend ein - weg von der permanenten Verfügbarkeit: 2020 waren noch 61 Prozent während ihres Urlaubs am Jahresende erreichbar, 2021 nur noch 53 Prozent und 2022 wieder 55 Prozent. 2023 ist mit 49 Prozent also ein neuer Tiefstand erreicht.

Vor allem Berufstätigen im Alter von 30 bis 49 Jahren scheint es wichtig zu sein, auch im Weihnachtsurlaub ansprechbar zu sein. In der Altersgruppe sind 54 Prozent dazu bereit. Unter den Jüngsten (16 bis 29 Jahre) sind es 46 Prozent, unter den Älteren (50 bis 64 Jahre) dagegen nur 43 Prozent.

Urlaub auch mal wirklich Urlaub sein lassen

"Das Bewusstsein für eine ausgewogene Work-Life-Balance wächst", kommentiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder die Umfrageergebnisse. "Gerade wenn die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben durch Möglichkeiten zum Homeoffice und mobilem Arbeiten verschwimmen, sind ungestörte Auszeiten wichtig - sowohl für das persönliche Wohlbefinden als auch für die Arbeitsleistung. Es sollten also alle gemeinsam ein Interesse haben, den Urlaub auch wirklich Urlaub sein zu lassen."

Die Bitkom-Umfrage zur Erreichbarkeit an den Feiertagen 2023 zeigt, dass immer mehr Menschen im Urlaub auch wirklich Urlaub haben wollen - und nicht unvergüteten Bereitschaftsdienst.
Foto: Bitkom

In einer Umfrage von Yougov im Auftrag Slack sagten im Sommer 2023 übrigens 37 Prozent der Büroangestellten, dass sie auch im Sommerurlaub für den Arbeitgeber erreichbar seien. Das waren sechs Prozentpunkte mehr als bei einer vergleichbaren Umfrage vor einem Jahr. Für 80 Prozent der Erreichbaren war in der Befragung nicht die Erwartungshaltung von Vorgesetzten, sondern der eigene Antrieb der wichtigste Grund für ihr Verhalten. Zur Erreichbarkeit verpflichten können Arbeitgeber ihre Beschäftigten übrigens schlecht: Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte zum Beispiel vor gut einem Jahr entschieden, dass dienstliche SMS in der Freizeit nicht gelesen werden müssen.

Laut der aktuellen Bitkom-Umfrage lassen sich praktisch alle, die im Weihnachtsurlaub erreichbar sind, per Kurznachricht wie SMS oder WhatsApp kontaktieren (48 Prozent). Fast ebenso viele gehen dienstlich ans Telefon (47 Prozent). Mails lesen während des Urlaubs 44 Prozent. Videotelefonate führen noch 22 Prozent, mittels Kollaborations-Tools wie Microsoft Teams oder Slack sind dagegen nur 5 Prozent erreichbar.

Erwartungshaltung von Vorgesetzten, Kollegen und Kunden

Anders als die Yougov-Umfrage für Slack im Sommer macht die Bitkom-Umfrage aber durchaus die - möglicherweise nur angenommene - Erwartungshaltung der Führungsebene für die Erreichbarkeit verantwortlich. 58 Prozent sind erreichbar, weil sie davon ausgehen, dass ihre Vorgesetzten dies erwarten. Bei 43 Prozent erwarten dies nach eigener Ansicht Kundinnen und Kunden, 40 Prozent gehen davon aus, dass Kolleginnen und Kollegen es erwarten. Nur 13 Prozent der Berufstätigen, die während des Urlaubs erreichbar sind, möchten der Bitkom-Umfrage ausdrücklich von sich aus sein.

"Arbeitgeber sind in der Pflicht, während der Abwesenheit funktionierende Vertretungslösungen zu organisieren", sagt Rohleder. "Ausnahmen für die Erreichbarkeit gelten zwar zum Beispiel für leitende Angestellte, wenn eine Erreichbarkeit aber notwendig ist, sollten klare und einvernehmliche Regelungen zum Beispiel im Sinne eines Bereitschaftsdienstes getroffen werden."

Ähnliche Empfehlungen hatte vor Jahren schon die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) ausgesprochen. Wer beispielsweise häufig an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit arbeitet, ständigem Termin- und Leistungsdruck ausgesetzt ist, Überstunden und Nachtschichten leistet und auch nach Feierabend und im Urlaub immer erreichbar ist, dessen Risiko für Schlafstörungen nehme deutlich zu.

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