Anwenderumfrage von i2s

Kleine ERP-Anbieter haben die zufriedeneren Kunden

28.04.2014 von Eric Scherer
Nahe an den Bedürfnissen der Kunden sein – das gelingt vor allem den kleineren ERP-Anbietern, hat eine Studie von i2s ergeben. Unter den Großen konnte sich Microsoft verbessern, SAP wird kritischer beurteilt.
Zufriedenheitsportfolio Globaler Markt
Foto: i2s

Der ERP-Markt präsentiert sich trotz aller Konsolidierungstendenzen viel bunter und breiter, als es die bekannten Portfolios vieler Analystenhäuser vermuten lassen. Obwohl etliche Marktauguren in den vergangenen Jahren immer wieder das große Sterben der kleinen Anbieter prophezeit hatten, gibt es weiterhin jede Menge lokaler Player, die sich gut gegen die sogenannten "Global Player" behaupten können und in ihrer Summe den Markt letztlich auch dominieren.

Darüber hinaus lässt sich immer noch das Phänomen beobachten, dass bestimmte Softwareanbieter von Enterprise Resource Planning (ERP) zwar global durchaus auf ein gewisses Renommee pochen können, im deutschsprachigen ERP-Markt aber kaum eine Rolle spielen. So fehlen auch in der diesjährigen Studienausgabebekannte Namen wie Oracle, QAD, Exact oder Epicor in den Auswertungen von i2s.

Die Gründe

Eine Folge dieser Umstände ist, dass im deutschsprachigen Raum überdurchschnittlich hohe Kundenerwartungen auf eine hervorragend ausgeprägte Leistungsdichte seitens der Softwareanbieter treffen. Der deutschsprachige Raum stellt gerade für globale ERP-Player einen wichtigen Umsatzträger dar. Gleichzeitig gelten die Märkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei den in der Regel nicht-deutschsprachigen Managern und Strategen der grossen ERP-Anbieter jedoch als kompliziert und pedantisch. Hier hat der deutschsprachige Raum einen großen Nachholbedarf, dem er sich allerdings durchaus mit einem gewissen Selbstbewusstsein stellen sollte.

Zufriedenheitsportfolio DACH-Markt
Foto: i2s

Globale und lokale ERP-Player

Dieser etwas komplizierte Umstand, dass sich globale und lokale Anbieter in einem gemeinsamen ERP-Anwendermarkt vermischen, war der Grund, im Rahmen der diesjährigen Zufriedenheitsstudie zwei eigenständige Portfolios zu veröffentlichen:

Bei den im "Globalen Portfolio" aufgeführten Anbietern konnten im Rahmen der Erhebung Daten aus zahlreichen Ländern und nicht nur aus dem deutschsprachigen Raum gewonnen werden. In der Liga der globalen Anbietern können sich relativ wenige Systeme platzieren – hier finden sich: SAP, Microsoft, infor und IFS sowie als "Außenseiter" das aus Deutschland stammende ERP-System ABAS.

Letzteres profitiert dabei davon, dass die Unternehmensführung in den zurückliegenden Jahren konsequent an seiner Globalisierungsstrategie gearbeitet hat und mittlerweile in zahlreichen Ländern Installationen und Lokalisierungen aufweisen kann. Dieser Umstand ist eher selten und trifft auf die zahlreichen anderen ERP-Anbieter aus dem deutschsprachigen Raum nicht zu.

Obwohl eine ganze Anzahl von Systemen, wie etwa ProAlpha, eNVenta ERP oder Comarch ERP ausreichende Mehr-Mandanten-Qualitäten haben, arbeiten die dahinterstehenden Unternehmen nicht konsequent an einer Internationalisierungsstrategie. So melden zwar Manager und Marketingvertreter immer wieder, man habe doch verschiedene internationale Installationen – doch dabei handelt es sich in aller Regel um Töchter deutscher Unternehmen und nicht um eigenständige Kunden.

Zufriedene Microsoft-Kunden

Interessant sind die Positionierungen der beiden Microsoft Produkte AX (vormals Axapta) und NAV (vormals Navision), die durchaus von den Marketingaussagen Microsofts abweichen: NAV bekommt als Produkt von den Anwendern die besseren Noten als AX, während sich bei AX vor allem die Partner besser als NAV positionieren. Beide Bewertungen spiegeln klar die positiven Effekte der zahlreichen Initiativen Microsofts in den vergangenen Jahren wider. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass das Image, "NAV ist der kleine Bruder von AX", nicht stimmt. NAV präsentiert sich funktional AX gegenüber mehr als ebenbürtig und kann auch einige sehr große Kunden vorweisen - sogar Konzerne bauen mittlerweile auf NAV-Umgebungen.

Neben den "Platzhirschen" hat sich im Lauf der Jahre insbesondere IFS als Alternative am globalen ERP-Markt etabliert. In Sachen Kundenzufriedenheit positioniert sich der Anbieter im Umfeld der Microsoft-Produkte und vor SAP. IFS hat hier in den zurückliegenden Jahren viel Selbständigkeit bewiesen und seine Kundenbasis beharrlich ausgebaut.

SAP, der langjährige und etablierte Marktführer in der Kategorie Anzahl der Installationen, leidet mit seinem Produkt SAP ERP gerade im Kontext der Zufriedenheitsstudie an seiner eigenen, großen Kundenbasis. Dabei zeigte sich vor allem, dass die SAP-Kundenbasis durchaus wertkonservativ auftritt. SAP fällt es schwer, mit seinen zahlreichen technischen Neuerungen wie beispielsweise der In-Memory-Datenbank HANA an der breiten Kundenfront wirklich Fuß zu fassen. Insgesamt beurteilen die SAP-Kunden Produkt und Partner kritischer als noch vor zwei Jahren, was sich letztlich auch in der Positionierung niederschlägt. Der deutsche Softwarekonzern liegt was die Partnernote betrifft deutlich hinter Microsoft AX. In der Kategorie Softwarezufriedenheit liegen die Walldorfer hinter Microsoft NAV.

Märkte wachsen zusammen

Im Rahmen der diesjährigen ERP-Zufriedenheitsstudie wurden die länderspezifischen Ergebnisse für die langjährigen Kernländer der Studie Deutschland, Österreich und die Schweiz nicht mehr separat ausgewiesen. Der Grund liegt darin, dass sich der Markt aus spezifischen deutschen, österreichischen und schweizerischen Einzelmärkten immer mehr zu einem gemeinsamen DACH-Markt entwickelt hat. So verfügt der langjährige Schweizer Top-Player Dynasoft mit seinem ERP-System "Tosca" mittlerweile auch über Kunden in Deutschland. Gleiches gilt für das österreichische "RS/2" von Ramsauer und Stürmer.

Ansatzpunkte zur Steigerung der Anwenderzufriedenheit
Foto: i2s

Die in Sachen Zufriedenheit führenden ERP-Systeme im DACH-Portfolio sind klar auf kleinere Unternehmen hin ausgerichtet, Auch an dieser Stelle wurde in den vergangenen Jahren viel in neue Funktionalität investiert. Die Spitzenreiter im ERP-Zufriedenheitsportfolio zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass sie "rund" sind und Anwenderunternehmen einen guten Kompromiss aus Funktionsumfang, moderner Technik und rollenorientierter Benutzeroberfläche anbieten. Was große Anbieter oft noch hinter Marketinginitiativen verstecken, haben die "Kleinen" häufig schon in ihren Systemen realisiert. Es ist daher sinnvoll, sich gerade auch diese "runden" Systeme näher anzuschauen - sei es als Anwender in der Evaluation oder als Anbieter, um neue Entwicklungsperspektiven zu erhalten.

Beim Blick auf die "hinteren Plätze" im DACH-Portfolio fällt neben den Infor-Produkten "Infor AS" und "ERP LN", die sich im Vergleich zur letzten Studie aus dem Jahr 2011 nicht verbessern konnten, das PPS-System "PSIpenta" der Firma PSI auf. PSIpenta leidet letztlich an der Kompelixität seiner Installationen und dem großen Funktionsumfang. Die Regel, dass viel Funktionalität auch viel Angriffsfläche liefert, bestätigt sich hier einmal mehr.

Konstanter Funktionalitätszuwachs

Die ERP-Zufriedenheitsstudie beleuchtet traditionell die Installationsbasis auch bezüglich der eingesetzten Modulen und des Funktionsumfangs. An dieser Stelle zeigen sich letztlich auch die größten Unterschiede zwischen 2003 und 2013. Während vor zehn Jahren noch zwölf Module und Funktionsbereiche untersucht wurden, sind es mittlerweile 32. Die Studie differenziert hier seit Jahren immer deutlicher nach Art der Realisierung und zeigt auf, wo neben originären ERP-Modulen, Drittsoftware vom ERP-Anbieter selbst, Drittsoftware vom freien Markt sowie selbstentwickelte Lösungen zum Einsatz kommen.

Gerade der Bereich der Dritt- beziehungsweise Add-on-Software hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem lukrativen, aber auch schwer überblickbaren Markt entwickelt, in dem sich immer wieder neue Player mit wechselnden Namen und wechselnden Besitzverhältnissen bewegen. Gerade die großen ERP-Anbieter, die vor zehn Jahren noch alles eigenständig, selbstentwickelt und aus einer Hand anbieten konnten, mussten beim Wettlauf um funktionale Erweiterungen umstellen und setzen heute vermehrt auf Partnerschaften aber auch auf Akquisitionen.

Modulverteilung
Foto: i2s

In der Folge ist das "All-in-one"-Ideal, dass 2003 noch den ERP-Markt beherrschte, einer "Allmost-in-one"-Realität gewichen. Dabei gilt aber auch: Nicht alles, was vom gleichen Anbieter offeriert wird, passt auch problemlos zusammen. In der Folge haben ERP-Ökosysteme massiv an Bedeutung gewonnen und gerade kleine Anbieter sind hier in Zukunft zu klaren Richtungsentscheiden gezwungen, ob sie sich einem Ökosystem anschließen oder sich unabhängig in einer Marktnische einnisten.

Die ERP-Zufriedenheitsstudie

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Seit nunmehr zehn Jahren fragt das anbieterneutrale Zürcher Beratungs- und Analystenhaus i2s in seiner ERP-Zufriedenheitsstudie – kurz ERP-Z – regelmäßig die Anwender, wie zufrieden sie mit den von ihnen eingesetzten Enterprise-Ressource-Planning-Systemen (ERP) sind. Heute läuft die Studie unter dem Titel "Global ERP User Satisfaction Survey". Aus einer Umfrage mit anfänglich etwas über 350 Teilnehmern in der Schweiz im Jahr 2003 hat sich mittlerweile eine weltweite Studie mit über 1700 Teilnehmern entwickelt.

Die ERP-Anwenderzufriedenheitsstudie stellt im Schwerpunkt eine Vergangenheitsbetrachtung dar: Untersucht werden nur abgeschlossene Projekte und Installationen, die schon mindestens sechs Monate produktiv sind. Die ursprünglichen Investitionsentscheide und häufig auch die Einführungsprojekte liegen damit in aller Regel schon einige Zeit zurück.

Um die globale Präsenz zu gewährleisten, arbeitet i2s mit einem Partnernetzwerk und anderen Analysten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien sowie den USA eng zusammen. Wichtigstes Ziel, das von Anfang an im Vordergrund stand, war und ist, den Anwenderunternehmen im Rahmen der Umfrage und Auswertung Gehör zu verschaffen. Mehr Informationen zur Methodik und den Ergebnissen finden sich unter: www.erp-survey.info (tö)