Viele Führungskräfte scheuen sich davor, ihre Mitarbeiter zu kritisieren - teils weil sie befürchten, autoritär zu wirken, teils weil sie meinen, dies widerspreche einem partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil.
Doch mangelnder Klartext führt auf Dauer zu Mittelmäßigkeit und Unzufriedenheit. Deshalb sollten Führungskräfte ihren Mitarbeitern klipp und klar sagen, wenn sie Erwartungen nicht erfüllen.
Was tun, wenn ein Mitarbeiter seine Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt? Oder nicht wie gewünscht? Das fragen sich viele Führungskräfte. Denn in den zahlreichen Unternehmen ist es verpönt, Mitarbeiter zu tadeln und zu kritisieren - zumindest in den Büroetagen. Die Folge: Mitarbeiter erhalten über eine unbefriedigende Leistung oft keine klare Rückmeldung. Ihr Vorgesetzter lässt es bei einem Hochziehen der Augenbrauen bewenden - selbst wenn ein Mitarbeiter die Erwartungen häufiger nicht erfüllt. Diese Erfahrung speichert sich aber im Kopf der Führungskraft. Also delegiert sie mit der Zeit bestimmte Aufgaben nicht mehr an den Mitarbeiter. Oder sie stellt sich von Anfang an darauf ein, dass sie nacharbeiten muss.
Das Ende vom Lied: Die Führungskraft hat bald einen Schreibtisch, der von unerledigten Aufgaben überquillt. Zunehmend türmen sich auf ihm operative Aufgaben, die eigentlich Mitarbeiter erledigen sollten. Die wirklich wichtigen, weil zukunftsweisenden Aufgaben der Führungskraft hingegen wie zum Beispiel das Entwickeln von Strategien bleiben liegen. Was letztlich die Leistung der Führungskraft schmälert - auch in den Augen von deren Vorgesetzten.
Mittelmäßigkeit vorbeugen
In vielen Unternehmen hat sich eine Harmoniekultur entwickelt, in der es für die Mitarbeiter ungewohnt ist, dass ihre Vorgesetzten auch klar und deutlich ihr Unzufrieden-Sein äußern. "Klartext reden" passt in den Augen vieler Mitarbeiter (und Führungskräfte) nicht zum partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil, den heute die meisten Unternehmen propagieren. Als selbstverständlich wird zwar erachtet, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter fördern und ihnen Entwicklungsperspektiven aufzeigen, verdrängt wird aber zuweilen, dass die Beziehung Führungskraft-Mitarbeiter in erster Linie eine Arbeitsbeziehung ist, aus der auch Forderungen erwachsen - schließlich wird der Mitarbeiter für seine Leistung ja auch bezahlt. Die Folge: Berechtigte Kritik wird vielfach nicht artikuliert. Oder sie wird so lange weichgespült, bis nur noch Anregungen und Hinweise übrig bleiben. Beschönigend wird dies vielfach "konstruktives Feedback" genannt. Die Folge von so viel Weichspüler: Die eigentliche Botschaft "Sie erbringen die geforderte Leistung nicht" kommt beim Mitarbeiter oft nicht an. Also hegt er die Illusion: "Im Großen und Ganzen ist mein Chef mit mir zufrieden". Folglich ändert sich sein Verhalten nicht.
Ist in einem Unternehmen ein solches Kommunikationsgebaren gängige Praxis, dann erwächst hieraus auf Dauer eine Kultur der Mittelmäßigkeit und Inkonsequenz. Diese kann sich darin artikulieren, dass Veränderungsprozesse zwar exakt geplant werden, doch die definierten Ziele regelmäßig nur teilweise oder mit zeitlicher Verzögerung erreicht werden. Oder darin, dass eine konsequente Marktbearbeitung zwar propagiert wird, aber niemand es als Beinbruch empfindet, wenn Angebote nur selten nachtelefoniert werden. Denn einig sind sich alle: Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. Folglich sind Nachlässigkeiten erlaubt.
Schleicht sich eine solche Denkhaltung in einer Organisation ein, dann kann diese keine Spitzenleistungen mehr erbringen. Und zwar langfristig, weil entsprechend Verhaltensmuster zur Gewohnheit werden. Also gilt es, solchen Entwicklungen rechtzeitig entgegen zu wirken oder diese, wenn sie auftreten, umgehend zu korrigieren.
Erwartungen deutlich machen
Dies setzt voraus, dass die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern Klartext reden und von ihnen die nötige Verbindlichkeit einfordern. Sie müssen ihnen verdeutlichen:
a, Was von ihnen erwartet wird - aufgrund ihrer Funktion und Position, aber auch ihrer Fähigkeiten und ihres Einkommens. Und:
b, Welche Konsequenzen es hat, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden - für die Organisation und den Mitarbeiter. Viele Führungskräfte müssen das neu lernen.
In zahlreichen Unternehmen erwarten die Mitarbeiter zwar, dass sie sogar für Selbstverständlichkeiten gelobt werden. Aber wehe, ihr Vorgesetzter kritisiert ihr Verhalten. Dann ist "der Chef böse", dann zeigt er sein wahres, autoritäres Gesicht, und die Mitarbeiter schmollen. Das wissen auch die Führungskräfte, weshalb sie vielfach Kritik runterschlucken. Das registriere ich auch in meinen Seminaren - für gestandene Führungskräfte. Frage ich dort, welche Probleme den Teilnehmern unter den Nägeln brennen, dann steht regelmäßig folgendes Thema ganz oben: "Wie kann ich meinen Mitarbeitern - bei Bedarf - charmant auf die Füße treten?" Wohlgemerkt "charmant" - also so, dass die Botschaft rüberkommt ohne zu verletzen.
Damit Mitarbeiter die gewünschte Leistung erbringen können, müssen sie zunächst wissen, welche Anforderungen an sie gestellt werden. Hier beginnt vielfach das Dilemma. Viele Führungskräfte delegieren zwar Aufgaben an ihre Mitarbeiter. Sie vereinbaren mit ihnen aber nicht, wie diese zu erfüllen sind und welchen Ansprüchen die Lösung genügen muss - dies ist aber zumindest bei anspruchvollen Aufgaben, die keine Routineaufgaben sind, unabdingbar. Des Weiteren klären sie mit ihnen nicht, welche Konsequenzen es hat, wenn die Aufgabe nicht adäquat wahrgenommen wird - für die Organisation und den Mitarbeiter selbst. Die Folge: Verhängt eine Führungskraft Sanktionen, weil ein Mitarbeiter die geforderte Leistung nicht erbrachte, dann empfindet dieser dies oft als Willkür. Warum? Ihm war weder klar, was von ihm erwartet wird, noch war er sich über die Konsequenzen bewusst, wenn er die Erwartungen nicht erfüllt. Zum Beispiel, dass er dann am Wochenende nacharbeiten muss, um die Aufgabe noch rechtzeitig zu erfüllen. Oder, dass dann der erhoffte finanzielle Bonus entfällt. Oder dass er dann künftig weniger anspruchsvolle Aufgaben erhält. Und weil der Mitarbeiter dies nicht wusste, empfindet er die Sanktion als "ungerecht" und nicht als logische Folge seines Verhaltens.
Kritik an Situation anpassen
Beim Kritisieren von Mitarbeitern gilt es zwei Situationen zu unterscheiden.
a, Ein Mitarbeiter bringt einmalig die geforderte Leistung nicht.
b, Ein Mitarbeiter bringt regelmäßig die geforderte Leistung nicht.
Bringt ein ansonsten guter Mitarbeiter ein Mal die geforderte Leistung nicht, schauen viele Führungskräfte darüber hinweg, weil sie den Mitarbeiter nicht vor den Kopf stoßen möchten. Das ist falsch. Auch dann sollten Sie als Führungskraft das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen - allein schon, um ihm zu signalisieren "Ich habe es registriert". Damit vermeiden Sie, dass sich Gewohnheiten einschleichen. Teilen Sie als Führungskraft Ihrem Mitarbeiter jedoch zunächst stets nochmals mit, dass Sie ansonsten mit seiner Leistung zufrieden sind, weshalb Sie ihm auch viele Gestaltungs- und Entscheidungsfreiräume einräumen. Vermitteln Sie dem Mitarbeiter also, dass Sie ihn aufgrund der guten Erfahrungen in der Vergangenheit mit "Vertrauen" - das heißt an der langen Leine - führen und dies auch künftig gerne tun möchten. Klären Sie dann mit dem Mitarbeiter, warum er im konkreten Einzelfall nicht die übliche Leistung erbrachte. Schließlich kann dies unterschiedliche Ursachen haben: Sie machten Ihre Erwartungen nicht ausreichend deutlich. Oder es gab ein Missverständnis in der wechselseitigen Kommunikation. Oder der Mitarbeiter hat private Probleme oder er war mit dieser speziellen Aufgabe überfordert.
Auch folgendes sollten Sie im Gespräch deutlich machen: Der Mitarbeiter hat die Pflicht, an seine Führungskraft ein Signal zu senden, wenn er spürt "Ich schaffe es nicht" - ganz gleich aus welchen Gründen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für das Führen mit Vertrauen. Denn gibt der Mitarbeiter das Signal rechtzeitig, ist noch ein Gegensteuern möglich. Kommt das Signal zu spät, kann die Führungskraft nur noch feststellen, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Anders ist die Ausgangslage, wenn ein Mitarbeiter seine Aufgaben regelmäßig nicht adäquat erfüllt - obwohl er die Anforderungen kannte. Dann sollte Sie sich als Führungskraft zunächst kritisch fragen: Wie ging ich bisher mit solchen Situationen um? Sah ich stillschweigend darüber hinweg oder habe ich den Mitarbeiter schon mehrfach auf seine Versäumnisse hingewiesen und ihm die möglichen Konsequenzen aufgezeigt? Sahen Sie in der Vergangenheit darüber hinweg, dann sollten Sie auf keinen Fall sofort den "Dampfhammer" auspacken. Der Grund: Ein solches Verhalten empfindet der Mitarbeiter - und zumeist auch seine Kollegen - als ungerecht und willkürlich, da der Vorgesetzte in der Vergangenheit ein entsprechendes Verhalten tolerierte. Also sollte Sie als Führungskraft im Gespräch mit dem Mitarbeiter, diesem zunächst aufzeigen, warum Sie mit seiner Leistung unzufrieden sind und ihm darlegen, welche Erwartungen Sie künftig an ihn haben. Anschließend sollten Sie ihn fragen, ob er sich zutraut, diese Erwartungen zu erfüllen und welche Unterstützung er, wenn ja, benötigt. Kurz: Sie müssen die Zusammenarbeit auf eine neue Basis stellen, indem Sie Ihre künftigen Erwartungen klar artikulieren.
Konsequenzen nicht nur androhen
Ein anderes Führungsverhalten ist nötig, wenn ein Mitarbeiter regelmäßig Erwartungen nicht erfüllt, obwohl er diese und die möglichen Folgen eines Fehlverhaltens kannte. Dann gilt es im Gespräch zunächst zu konstatieren: Die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Anschließend sollten Sie die Ursache ermitteln: War der Mitarbeiter überfordert oder hat die Zielabweichung eher Gründe, die im Bereich Arbeitseinstellung und -motivation liegen? Ist der Mitarbeiter überfordert, sind zwei Konsequenzen möglich: Entweder der Mitarbeiter erhält künftig andere Aufgaben oder er wird künftig beim Wahrnehmen seiner Aufgaben stärker kontrolliert. Das heißt, Sie gehen als Führungskraft häufiger auf ihn zu und fragen ihn zum Beispiel: "Was haben Sie bisher getan?" "Was sind Ihre nächsten Schritte?" .... Sie führen den Mitarbeiter also straffer - was sich letztlich auch in der Bezahlung widerspiegeln muss. Denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob ein Mitarbeiter gewisse Aufgaben eigeninitiativ und eigenverantwortlich oder nur mit Anleitung erfüllt.
Wieder anders ist die Ausgangslage, wenn ein Mitarbeiter nicht bereit ist, die gewünschte Leistung zu erbringen. Dann gilt es ihm zu vermitteln, dass er nicht besser da steht als die Kollegen, denen die erforderlich Kompetenz hierzu fehlt. Im Gegenteil: Denn ein Mitarbeiter, der eine Leistung nicht erbringt, obwohl er dies könnte, beeinflusst auch das Verhalten seiner Kollegen - und zwar negativ. Folglich kann ein Unternehmen eine solche Arbeitshaltung nicht tolerieren. Das heißt, der Mitarbeiter muss die angekündigten Konsequenzen tragen. Diese Konsequenzen können abhängig von der Situation sehr unterschiedlich sein. Erfüllt der Mitarbeiter seine Aufgaben nicht rechtzeitig, kann die Konsequenz lauten: "Dann müssen Sie eben - wie vereinbart - unbezahlte Überstunden machen." Oder wenn die Qualität der Leistung zu wünschen übrig lässt: "Dann kann ich Ihnen künftig nur noch Routineaufgaben übertragen, weshalb die gewünschte Gehaltserhöhung nicht möglich ist."
Kurz, der Mitarbeiter muss spüren, dass Ihren Ankündigungen auch Taten folgen. Der Mitarbeiter muss zudem begreifen: Sanktionen fallen nicht vom Himmel, sie sind eine logische Folge meines Verhaltens. Registrieren Mitarbeiter dies, sind sie in der Regel nicht sauer auf ihre Führungskraft, wenn diese eine Sanktion verkündet, denn sie wissen: Ich habe mir die Suppe selbst eingebrockt. Und ich bin selbst dafür verantwortlich, wie sich meine Führungskraft mir gegenüber verhält. Sie reagiert nur auf mein Verhalten.
Mitarbeiter würdigen Klarheit und Konsequenz
Klar sollten Sie als Führungskraft Mitarbeitern, die regelmäßig Ihre Erwartungen nicht erfüllen, auch vermitteln, dass die Beziehung Führungskraft-Mitarbeiter stets von einem Gegen und Nehmen geprägt ist. Hierfür ein Beispiel: Ein Mitarbeiter liefert vereinbarte Aufgaben regelmäßig verspätet oder unvollständig ab. Dann ist im Gespräch auch mal die Frage erlaubt: "Wie würden Sie reagieren, wenn Sie Ihr Gehalt stets mit zehn Tagen Verspätung überwiesen bekämen oder wenn Ihnen am Monatsende nur 50 Prozent Ihres Gehalts überwiesen würden? Ach, Sie wären sauer und würden sich denken: Das ist kein zuverlässiger Arbeitgeber. Dann können Sie sich vermutlich vorstellen, was ich denke, wenn ...." Werden Mitarbeiter mit solchen Vergleichen konfrontiert, hat dies oft eine starke erzieherische Wirkung.
Folgendes sollten Sie beim Formulieren von Kritik aber stets beachten: Kritisieren Sie Mitarbeiter nie vor Kollegen, sondern stets hinter geschlossenen Türen; des weiteren kritisieren Sie stets das Verhalten und nie die Person. Und signalisieren Sie Ihren Mitarbeitern: "Es liegt an Ihnen wie sich unsere Beziehung mittel- und langfristig gestaltet, denn ich reagiere nur auf Ihr Verhalten." Mit einer Ausnahme: Sie betrachten den Mitarbeiter als unverbesserlich. Dann sollten Sie die nötigen Konsequenzen ziehen und sich von ihm trennen.
Zeigen Führungskräfte die oben skizzierte Klarheit und Konsequenz würdigen dies auch ihre Mitarbeiter. Denn dann haben sie im Alltag die erforderliche Orientierung und ihr "Chef" ist für sie berechenbar. Anders ist dies, wenn Leistungsdefizite nicht klar und zeitnah angesprochen werden. Dann staut sich bei der Führungskraft mit der Zeit Unmut an. Und irgendwann bringt eine Kleinigkeit das Fass zum Überlaufen. Entsprechend grundsätzlich, emotional und der Situation nicht angemessen ist dann die Kritik, weshalb die Mitarbeiter sie nicht nur als ungerecht, sondern auch verletzend empfinden. Deshalb sollten Führungskräfte Kritik klar und zeitnah äußern - auch um zu vermeiden, dass ihr Bereich allmählich in der Mittelmäßigkeit versinkt. (Roland Jäger/mf)