Künstliche Intelligenz (KI) ist immer noch ein kontrovers diskutiertes Thema. Sie bietet Unternehmen immense Möglichkeiten, von denen viele noch längst nicht ausgeschöpft werden. Langsam beginnen Unternehmen den vielfältigen Nutzen dieser Technologie zu begreifen. Sie entdecken das Potenzial von KI zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, der Erleichterung des Geschäftsalltags und zur Steigerung der Effizienz. Hierbei muss jedoch behutsam vorgegangen werden. Gerade weil das Potenzial von KI grenzenlos zu sein scheint müssen wir bedenken, wie sie sich auf unsere Gesellschaft auswirkt und uns in diesem Zusammenhang mit Fragen rund um Moral und Risiken beschäftigen. Nur wenn Unternehmen die eingesetzte KI und ihre Entscheidungen vollends verstehen, können sie die Kontrolle über ihre Algorithmen behalten.
KI-Modelle sind nie wirklich unvoreingenommen
Auf Algorithmen basierende Modelle sind nie vollkommen unvoreingenommen, denn die ihnen zugrundeliegenden Daten werden nach vorher festgelegten Kriterien beurteilt und kategorisiert. So ist der Heimatort einer Person für sich genommen nur ein Datenfragment. Doch wenn die KI auf Grundlage dieses Fragments beispielsweise einen Kunden benachteiligt, da er mutmaßlich weniger einkommensstark und damit weniger profitabel ist, ist dies eine ungerechte und unethische Diskriminierung. Wird dieses Merkmal jedoch dazu genutzt, um dem Kunden Warteschleifenmusik zu spielen, die ihn an seine Heimat erinnert, hat dies eventuell einen positiven Einfluss auf das Kundenerlebnis. In beiden Fällen hat die KI das gleiche Merkmal verwendet, um eine Aktion auszulösen. Es ist also nicht unbedingt die Voreingenommenheit, die unethisch ist – es ist die von der Voreingenommenheit ausgelöste Aktion.
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Ethische Richtlinien für den Umgang mit KI-Systemen
Daher ist es wichtig, dass Unternehmen wissen, wie ihre Modelle und Algorithmen arbeiten und dass der Einsatz von KI ethische Konflikte birgt. Gleichzeitig können wir den Kopf nicht in den Sand stecken und sollten uns nicht vor technologischem Fortschritt scheuen. Unternehmen müssen verantwortungsvoll mit KI umgehen und sicherstellen, dass sie dem Wohle aller Akteure – des Unternehmens, der Mitarbeiter und der Kunden – dient. Die Notwendigkeit von Ethikrichtlinien beim Einsatz von künstlicher Intelligenz wird zunehmend auch den Verantwortlichen selbst bewusst. Eine Umfrage, die Genesys vor Kurzem in den USA durchführte, ergab, dass 40 Prozent der Befragten Unternehmen diese Meinung vertreten. Der Bedarf in den Belegschaften ist ebenfalls groß: Von den befragten Angestellten ist die Hälfte der Meinung, dass Ethikrichtlinien für KI notwendig sind und wünscht sich entsprechende Maßnahmen. Jedoch haben die meisten der befragten Unternehmen noch keine entsprechenden Richtlinien aufgestellt.
Grundlagen für den Umgang mit KI schaffen
Wesentlich ist, dass Unternehmen den Umgang mit KI weder vertuschen noch geheim halten. Dies befeuert nur Ängste und Vorurteile gegenüber dem Einsatz von Algorithmen und Analysen auf Datenbasis. Wer sowohl das Vertrauen seiner Kunden als auch seiner Mitarbeiter bewahren will, sollte zunächst eine allgemeine Akzeptanz für diese Systeme schaffen. Dazu ist es sinnvoll, alle entscheidenden Abteilungen in diesen Prozess einzubinden und zu beteiligen.
Beispielsweise kann die Rechtsabteilung Standards schaffen und interne Regelungen der Datennutzung und -analyse auf ihre Kompatibilität mit staatlichen Richtlinien und Gesetzen prüfen.
Eine Schlüsselrolle kommt der Personalabteilung als Vermittler zwischen der Unternehmensführung und den Mitarbeitern zu. Sie kann Beurteilungsprozesse und Weiterbildungsvorschläge prüfen und sollte befragt werden, wenn es darum geht, auf welcher Basis Personalentscheidungen gefällt werden.
Der Vertrieb schließlich kann den Stellenwert der KI für ein wettbewerbsfähiges Produktangebot nutzen. Dazu sollte er geschult werden, um zu verstehen, welche Chancen und Herausforderungen sich durch den Einsatz von KI in Vertrieb und Marketing ergeben.
Stehen die KI-Systeme bereit, gilt es permanent an der Optimierungen der Algorithmen zu arbeiten. Denn der Einsatz künstlicher Intelligenz und selbstlernender Systeme verpflichtet dazu, die daraus resultierenden Aktionen durchgehend zu überprüfen.
Entscheider müssen sich Folgendes vor Augen halten: Unternehmen bleiben während des gesamtem Lebenszyklus' eines KI-Systems für die Entscheidungen verantwortlich, die auf Basis von Algorithmen getroffen wurden. Und ebenso für die entsprechenden Auswirkungen. Damit tragen Unternehmen nicht nur eine juristische, sondern auch eine ethische Verantwortung.
Ein verantwortlicher Umgang mit KI-Systemen steht somit auf drei Säulen:
Unternehmen sollten sicherstellen, dass die eingesetzten KI-Systeme die beabsichtigten Ergebnisse produzieren und dass für diese Ergebnisse die Verantwortung übernommen werden kann. Dabei helfen Leitlinien, die es Unternehmen ermöglichen, mit selbstlernenden Modellen Schritt zu halten und die Kontrolle über diese zu behalten.
Unternehmen müssen verstehen, wie die eingesetzten Modelle Entscheidungen treffen. Jeder Schritt, von der Datenerhebung bis zur finalen Aktion der KI, die womöglich die Realität von Mitarbeitern oder Kunden beeinflusst, sollte für die Verantwortlichen nachvollziehbar sein.
Unternehmen müssen transparent agieren und Dritten Einblick in alle Daten gewähren, die ihren geschäftlichen Entscheidungen zugrunde liegen.
Fazit
Kein Unternehmen kann es sich leisten, KI einzusetzen, ohne dies zu hinterfragen. Die Arbeit mit KI ist ein ständiger Entwicklungsprozess und bedarf ethischer Richtlinien. Oder, wie es Cathy O'Neil in ihrem 2017 erschienenen Buch „Angriff der Algorithmen“ formuliert: „Big-Data-Prozesse definieren nicht die Zukunft – das übernimmt die menschliche Vorstellungskraft.“ Sie ruft dazu auf, dass wir als Menschen unsere moralische Vorstellungskraft nutzen, um bessere Werte in unsere Algorithmen einzubetten und Big-Data-Modelle zu schaffen, die einem konsequenten ethischen Leitbild folgen. Folgen wir diesem Ruf – und nehmen wir unseren Auftrag ernst. (bw)