channelpartner.de: KI-Technologien spielen bei der Entwicklung neuer Softwareanwendungen eine immer bedeutendere Rolle. Könnten Sie bitte erklären, wie Machine-Learning-Methoden bei der Entwicklung neuer Software und bei der Qualitätskontrolle eingesetzt werden? Ist das ein iterativer Prozess?
Florian Kandlinger, Lead IT Consultant bei msg: In der Softwareentwicklung unterstützt Künstliche Intelligenz (KI) den Entwicklungsprozess in verschiedenen Phasen.
KI-basierte Analysetools helfen bei der Einschätzung von Anforderungen und der Planung neuer Features. Diese Tools können durch maschinelles Lernen Informationen über Nutzerverhalten analysieren und Vorschläge machen, welche Funktionen in der Software sinnvoll wären. Während des Schreibens des Codes helfen KI-gesteuerte Entwicklungsumgebungen dabei, Code vorzuschlagen, Fehler frühzeitig zu erkennen und Best Practices aufzuzeigen.
KI-Tools automatisieren zudem das Testen, indem sie immer wieder neue Testfälle generieren. Selbst nach der Veröffentlichung der Software überwachen KI-Systeme deren Leistung und sammeln kontinuierlich Daten. Diese helfen dabei, Fehler zu erkennen, Updates vorzuschlagen und die Software zu verbessern. Jede Phase wird mehrfach durchlaufen. Nach jedem Schritt gibt es Feedback - entweder von Nutzern oder von den KI-basierten Systemen selbst. Auf dieser Basis werden Anpassungen vorgenommen, um die Software stetig zu verbessern. Dieses ständige Testen, Anpassen und Lernen ist das Kernmerkmal eines iterativen Ansatzes in der KI-gestützten Softwareentwicklung.
channelpartner.de: In einem Forschungsprojekt ist es Ihnen gelungen, die Qualität des Quellcodes mittels KI um 20 Prozent zu erhöhen. Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht, oder lässt sich die Softwareentwicklung mittels KI noch mehr automatisieren?
Florian Kandlinger, msg: Die Verbesserung der Codequalität um 20 Prozent ist ein beachtlicher Erfolg, aber das Ende der Fahnenstange ist damit noch lange nicht erreicht. Die Softwareentwicklung kann mit KI-Technologien noch weiter automatisiert und optimiert werden. Heute sind KI-Tools bereits in der Lage, einfache Codeblöcke und Funktionen zu generieren. In Zukunft könnten KI-Modelle komplexere Systeme entwickeln, die nicht nur einzelne Codezeilen, sondern ganze Module oder sogar komplette Softwarelösungen erstellen. Diese Systeme könnten Designmuster erkennen und anwenden, sodass Entwickler weniger Zeit mit grundlegenden Aufgaben verbringen müssen.
KI könnte in Zukunft die Rolle des Architekten und Designers übernehmen, indem sie automatische Architekturentscheidungen trifft. Das würde bedeuten, dass KI nicht nur einzelne Codezeilen verbessert, sondern das gesamte Systemdesign analysiert und optimiert, um Skalierbarkeit, Effizienz und Wartbarkeit zu maximieren.Ein großer Schritt in Richtung vollständiger Automatisierung könnte die Programmierung in natürlicher Sprache sein. Dabei würden Entwickler die gewünschten Anforderungen einfach in einer natürlichen Sprache - zum Beispiel in Englisch oder in Deutsch - formulieren, und die KI generiert den passenden Code. Erste Ansätze in diesem Bereich gibt es bereits, aber hier ist noch viel Luft nach oben.
channelpartner.de: Wann wird KI komplett selbständig neue Software entwickeln? Was machen dann die heutigen Programmierer?
Florian Kandlinger: Auch wenn die Automatisierung große Potenziale hat, gibt es Grenzen. Komplexe Softwareprojekte benötigen oft kreative Problemlösungen, die eine menschliche Intuition und Erfahrung erfordern, insbesondere wenn es um User Experience oder ethische Fragen geht.
Zudem sind KIs immer nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden. Schlechte Trainingsdaten könnten zu fehlerhaften Ergebnissen führen, und bei sicherheitskritischen Anwendungen ist das ein großes Risiko.
Auch ethische Überlegungen spielen eine Rolle, da die vollständige Automatisierung viele Fragen in Bezug auf Verantwortung und Kontrolle aufwirft.
Langfristig könnte die Rolle der Entwickler eher in Richtung einer Überwachungs- und Managementrolle gehen, bei der sie die KI-Systeme trainieren und steuern, während die eigentliche Entwicklungsarbeit zunehmend automatisiert abläuft.
channelpartner.de: Sie haben den Begriff "DeepCode" mitgeprägt, um was genau handelt es sich dabei?
Florian Kandlinger: Der Begriff DeepCode bezieht sich auf eine spezielle Anwendung von KI und maschinellem Lernen in der Softwareentwicklung, mit dem Ziel, den Quellcode automatisiert zu analysieren und zu verbessern. Im Kern ist DeepCode eine Technologieplattform, die auf großen Datenmengen von Quellcode basiert und Algorithmen nutzt, um Codequalität, Sicherheit und Effizienz zu steigern.
DeepCode verfolgt die Vision, intelligente Werkzeuge für Entwickler zu schaffen, die den Programmierprozess automatisieren und verbessern. Der Name setzt sich zusammen aus:
"Deep", das auf Deep Learning verweist, eine Technik des maschinellen Lernens, bei der neuronale Netzwerke auf komplexe Muster in Daten trainiert werden.
"Code", was klar auf den Quellcode von Software hinweist. Ziel ist es, den Programmierern zu helfen, besseren Code schneller und sicherer zu schreiben, indem das System aus einer Vielzahl von Programmierbeispielen lernt und daraus Empfehlungen ableitet.
channelpartner.de: msg entwickelt gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Software Engineering an der Universität Passau neue KI-Modelle zur Verbesserung der Softwarequalität. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit? Welchen Beitrag leistet hier msg?
Florian Kandlinger: Wir bringen in die Zusammenarbeit unser Branchen-Know-how und praktische Erfahrungen aus realen Projekten ein - sprich eine Vielzahl an Anwendungsbeispielen aus der Praxis, die zur Verbesserung der Modelle genutzt werden können. So ist es möglich, dass die Modelle auf echte Herausforderungen in der Softwareentwicklung abgestimmt werden.
Unser Team arbeitet an der Umsetzung der entwickelten Modelle und ihrer Integration in bestehende Softwareentwicklungsumgebungen. Ziel ist es, die entwickelten KI-Modelle im industriellen Maßstab anwendbar zu machen.
Wir übernehmen das Testen der Modelle in realen Softwareprojekten und geben kontinuierliches Feedback, um die Modelle weiter zu optimieren und praxisnah auszurichten.
channelpartner.de: Und worin liegt in dieser Kooperation der Mehrwert des Lehrstuhls für Software Engineering an der Universität Passau?
Kandlinger: Der Lehrstuhl für Software Engineering an der Universität Passau bringt wertvolles akademisches Wissen und theoretisches Know-how in das Projekt ein. Das Team arbeitet an der Konzeption und Entwicklung der KI-Algorithmen, die die Grundlage für die Fehlererkennung und die Testgenerierung bilden. Dies umfasst mitunter die Wahl geeigneter Architekturen und Methoden des maschinellen Lernens. Die Universität führt wissenschaftliche Studien durch, um die Wirksamkeit und Effizienz der entwickelten Modelle zu evaluieren.
Die Kooperation ist eng verzahnt, und es finden regelmäßig gemeinsame Workshops und Meetings statt, in denen der Fortschritt besprochen, Feedback ausgetauscht und neue Ziele gesetzt werden. Die iterative Zusammenarbeit bedeutet, dass die Universität Modelle und Ansätze entwickelt, die msg anschließend in der Praxis testet. Das Feedback aus den Praxistests fließt wiederum in die Weiterentwicklung der Modelle an der Universität ein.
channelpartner.de: Aus dieser Kooperation ist bereits in Produkt hervorgegangen, das DeepCode-Plugin. Was genau ist das?
Kandlinger: Das DeepCode-Plugin ist eine KI-gestützte Erweiterung für Programmierer, die direkt in ihrem Code-Editor integriert ist. Es nutzt maschinelles Lernen und andere KI-Technologien, um Code zu analysieren und in Echtzeit Verbesserungsvorschläge zu machen. Es ist sozusagen ein "intelligenter Assistent", der der der Softwareentwickler während des Programmierens über die Schulter schaut und sofort Vorschläge für besseren und fehlerfreien Code macht.
channelpartner.de: Und dieser "intelligente Assistent" wurde bereits in ersten Pilotprojekten eingesetzt, oder?
Kandlinger: In den ersten Pilotprojekten mit DeepCode haben wir verschiedene Branchen und Anwendungsfälle untersucht, um die Technologie praxisnah zu testen und ihren Nutzen zu veranschaulichen.
Teams im Umfeld einer großen Versicherungslösung nutzen das Plugin, um ihre Entwicklungsprozesse zu beschleunigen, indem die KI sie dabei unterstützt, schnelleren und saubereren Code zu schreiben, ohne aufwendige manuelle Überprüfungen.
In einer Bildungsumgebung wird das Plugin verwendet, um Programmieranfängern zu helfen, Fehler schneller zu finden und Best Practices zu lernen, wodurch die Lernkurve deutlich reduziert wurde.
In einem Banking-Projekt hilft das Plugin zudem Sicherheitslücken in der Zahlungsabwicklung zu erkennen und verhindert damit, dass Kundendaten durch unsicheren Code gefährdet werden.
channelpartner.de: Wann werden Sie die von Ihnen entwickelten KI-Modelle bei Kunden einsetzen? Wo sehen Sie hier das größte Potenzial?
Kandlinger: Die entwickelten KI-Modelle sind bereits in fortgeschrittenen Testphasen und sollen 2025 bei ausgewählten Kunden im Pilotbetrieb eingesetzt werden. Diese Pilotprojekte ermöglichen es, die Modelle in realen Anwendungsumgebungen zu testen und auf Basis des Kundenfeedbacks zu verfeinern.
Das Potenzial der Modelle ist besonders in Branchen groß, die strenge Qualitätsanforderungen, hohe Sicherheitsstandards und komplexe Softwarelandschaften haben, wie die Finanz- und Versicherungsbranche oder das Gesundheitswesen und der Medizintechnik.
Die größte Stärke der KI-Modelle wird darin liegen, die Softwareentwicklung zu beschleunigen und gleichzeitig die Qualität zu steigern.
channelpartner.de: Wird die Zusammenarbeit zwischen msg und der Uni Passau fortgesetzt?
Kandlinger: Wir arbeiten mit der Universität Passau in diversen Projekten zusammen. Da unsere Geschäftsstelle am Campus der Universität Passau liegt, sind auch unsere Wege sehr kurz - eine optimale Voraussetzung für eine sehr erfolgreiche und für alle Seiten gewinnbringende Zusammenarbeit.
Grundsätzlich gibt es noch sehr viele offene Fragen zur KI, und jeden Tag kommen neue dazu. Daher wäre es sehr wünschenswert, diese Forschungskooperation weiterführen zu können. Derzeit läuft die Zusammenarbeit unterstützt von der Bayerischen Forschungsstiftung. Wir sind aktuell in Gesprächen, wie sich diese Zusammenarbeit fortführen lässt.
channelpartner.de: Kann Software "Made in Germany" weltweit Beachtung finden? Was sollten deutsche Softwarehäuser dafür beachten? Auf welche Marktsegmente sollten sie sich dabei konzentrieren?
Kandlinger: Ja, Software "Made in Germany" hat das Potenzial, weltweit Beachtung zu finden. Deutschland wird international für seine Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit geschätzt, und diese Werte können auch im Softwarebereich ein starkes Alleinstellungsmerkmal sein. Besonders stark sind die Marktchancen in der Sicherheitssoftware, sowie in den Bereichen Industrie 4.0, autonomem Fahren, Green Tech und Digital Health.
Der Schlüssel zum Erfolg wird jedoch darin liegen, internationale Marktanforderungen und kulturelle Unterschiede zu verstehen und die Softwarelösungen entsprechend anzupassen. Mit einer klaren strategischen Ausrichtung auf Qualität und Spezialisierung können deutsche Softwarehäuser ihre Präsenz auf dem globalen Markt stärken.
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