Keine Angst vor der digitalen Betriebsprüfung

24.11.2005
Unternehmen müssen steuerrelevante Daten so archivieren, dass ein unmittelbarer Zugriff durch das Finanzamt gewährleistet ist. Bei Verstößen drohen hohe Geldstrafen.

Seit 2002 dürfen Finanzämter auf elektronisch gespeicherte Daten zugreifen. Unternehmen müssen darauf achten, steuerrelevante Daten so zu archivieren, dass ein unmittelbarer Zugriff gewährleistet ist. Ebenso müssen Hardware- und Softwaresysteme über einen Zeitraum von zehn Jahren die elektronische Steuerprüfung erlauben. Bei einem Verstoß gegen diese Vorschriften drohen Zwangsgelder bis zu 25.000 Euro. Darauf weist die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei SH+C Schwarz Hempe & Collegen Gmbh hin.

Umstellung auf digitale Betriebsprüfung

In ganz Deutschland laufen die Umstellungen auf die digitale Betriebsprüfung seitens der Finanzbehörden auf Hochtouren. Im Hinblick auf die GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) sind in einigen Bundesländern wie zum Beispiel in Bayern bereits alle Betriebsprüfer in der Prüfsoftware IDEA (Interactive Data Extraction and Analysis) geschult. Darüber hinaus hat die Finanzverwaltung neue Notebooks erhalten, die auf dem aktuellen Stand sind. Eine zentrale Makrosammlung, also automatisierte Prüfungsabläufe, befindet sich bei der Finanzverwaltung derzeit in Aufbau. Der Vorteil: Von versierten Prüfern entwickelte Lösungen stehen Kollegen ohne großen Aufwand zur Verfügung.

Nach Auffassung von Alexander Finger, Rechtsanwalt und Steuerexperte bei SH+C, müssen sich Unternehmen schnellstmöglich auf die digitale Betriebsführung vorbereiten, denn spätestens in zwei bis drei Jahren werde bei den Prüfern eine erhebliche Routine im Umgang mit IDEA vorhanden sein. "Unternehmen, die sich darauf nicht einstellen, laufen Gefahr, sich dem Vorwurf der Nichterfüllung der GDPdU auszusetzen", warnt Finger.

Vor allem zwei Fragen müssten rechtzeitig geklärt werden, um beispielsweise bei einer Betriebsprüfung in 2007 Daten aus dem Jahr 2005 GDPdU-konform bereitstellen zu können: Wie müssen digitale Unterlagen zur Verfügung gestellt und in welcher Weise müssen sie archiviert werden. Zu klären sei außerdem, so Finger, was steuerrelevante Daten genau sind.

Aufbewahrungspflicht zehn Jahre

Grundsätzlich haben die Finanzbehörden drei Möglichkeiten, auf digital gespeicherte Unterlagen zuzugreifen, deren Aufbewahrungspflicht zehn Jahre (unter anderem Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse) beziehungsweise sechs Jahre (unter anderem Geschäftsbriefe) beträgt.

Unmittelbarer Zugriff (Z1): Hierbei muss der Steuerpflichtige dem Prüfer einen Zugriff auf die im Unternehmen eingesetzte Hardware sowie auf die Buchhaltungsdaten (einschließlich der Stammdaten und Verknüpfungen) zur Verfügung stellen und den Prüfer in das Datenverarbeitungssystem einweisen. Dabei muss der Prüfer in die Lage versetzt werden, die im Buchführungssystem vorhandenen Auswertungsmöglichten zu nutzen. Der Prüfer arbeitet also am laufenden Datenverarbeitungssystem des Unternehmens.

Mittelbarer Zugriff (Z2): Hierbei handelt es sich um einen Z1-Zugriff mit dem Unterschied, dass nicht der Prüfer die IT-Anlage bedient, sondern der Steuerpflichtige oder ein vom Steuerpflichtigen beauftragter Dritter. Die Kosten hierfür trägt der Steuerpflichtige.

Datenträgerüberlassung (Z3): Dem Prüfer sind alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen in maschinell auswertbarer Form (zum Beispiel auf CD oder DVD) zur Verfügung zu stellen. Dabei ist darauf zu achten, dass die überlassenen Daten in einem gängigen Datenformat vorliegen, welches die Finanzverwaltung verarbeiten kann. Dies sind unter anderem ASCII feste Länge, ASCII Delimited, EBCDIC feste Länge, EBCDIC Dateien mit variabler Länge, Excel, Access, dBASE oder Lotus 123.

Derzeit machen die Finanzbehörden bei kleinen Unternehmen überwiegend von der Datenträgerüberlassung Gebrauch. Dabei reicht es in der Regel aus, dem Prüfer eine CD oder DVD mit den erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Es ist aber genauso möglich, dass Unternehmen jederzeit mit dem Z1-Zugriff konfrontiert werden. Genau hier aber liegen große Probleme, denn laut SH+C ist derzeit völlig unklar, wie beim Z1-Zugriff die laufenden Systeme über einen Zeitraum von zehn Jahren zur Verfügung gestellt werden sollen. "Gerade bei größeren Rechenzentren erscheint es uns nicht möglich, parallel mehrere unterschiedliche Hard- und Software-Umgebungen über einen längeren Zeitraum vorzuhalten", sagt Finger. Hier ergäben sich bereits umfangreiche Schwierigkeiten bei einem Wechsel der Buchhaltungssoftware.

Auch sei die Frage ungeklärt, ob aufgrund der zu erwartenden Kosten Rückstellungen gebildet werden müssen. Unklar sei weiterhin, ob Daten im Drucklisten-Format den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Finanzverwaltung geht teilweise davon aus, dass Drucklisten nicht mehr Stand der Technik sind und will zumindest in Bayern entsprechende Datenformate zukünftig nicht mehr akzeptieren.

Daten müssen immer verfügbar sein

Generell müssen Unternehmen darauf achten, Daten so aufzubewahren, dass sie jederzeit verfügbar sind, das heißt unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können. Damit digitale Daten auch mehrerer zurückliegender Jahre in den von den Finanzbehörden gewünschten Formaten immer bereit stehen, ist es notwendig Lösungen zu erarbeiten, die die Bereiche Rechnungswesen wie IT gleichermaßen umfassen. Denn die Finanzverwaltung kann bei Verstößen gegen die GDPdU Zwangsgelder von bis zu 25.000 Euro verhängen oder aber eine steuerliche Schätzung vornehmen.

Um dies zu vermeiden, empfiehlt Rechts- und Steuerexperte Alexander Finger zunächst einmal zu ermitteln, in welchem Unternehmensbereich steuerrelevante Daten (beispielsweise Buchhaltung, Registrierkassen, Zeiterfassungssysteme, E-Mail mit Rechnungen etc.) anfallen. Denn im Falle einer digitalen Betriebsprüfung ist es wichtig, diese von Daten trennen zu können, die für die Besteuerung nicht relevant sind. Anschließend ist zu prüfen, in welchem Format und auf welchem Medium die vorhandenen IT-Systeme die steuerrelevanten Daten speichern und ausgeben können. In einem dritten Schritt muss geprüft werden, ob der Zugriff auf die so gespeicherten Daten nach Z1 bis Z3 auch möglich ist und sämtliche Daten dauerhaft und unverändert zur Verfügung stehen. Einen Systemwechsel, zum Beispiel der Buchhaltungssoftware, sollten Unternehmen nur in vorheriger Abstimmung mit der Finanzverwaltung vornehmen und klären, rät Finger. Erst danach können alte Systeme außer Betrieb genommen werden.

Gefordert sind nicht nur Unternehmen, sondern auch die Zunft der Steuerberater. Sie müssen in Zukunft das Know-how haben, um die digitalen Prüfungsprotokolle beurteilen zu können und entsprechende Fehlinterpretationen eines Betriebsprüfers entkräften können. "IDEA kann zwar sehr gut Zahlen auswerten, aber die Frage der steuerlichen Bewertung und Qualifizierung muss weiterhin von menschlichem Sachverstand vorgenommen werden", so Finger. (mf)