Ein neues Iphone?

Kann HP mit Palm erfolgreich sein?

30.04.2010
1,2 Milliarden Dollar ist HP der ehemalige PDA-König Palm wert. Deutlich überbewertet sagen die einen; die anderen argumentieren, HP habe das Potential, den siechenden Smartphone-Anbieter wieder zu einem wichtigen Anbieter machen zu können.

Von Wolfgang Leierseder

Die Palm-Zentrale, demnächst bei HP.
Foto: Palm

1,2 Milliarden Dollar ist Hewlett-Packard (HP) der ehemalige PDA-König Palm wert. Deutlich überbewertet sagen die einen; die anderen argumentieren, HP habe das Potential, den siechenden Smartphone-Anbieter wieder zu einem wichtigen Herausforderer des iPhones machen zu können.

Ungeachtet einiger Störfeuer von Anlegern zeigt sich HP fest entschlossen, den ehemaligen PDA-König Palm zu kaufen. Für nicht weniger als 1,2 Milliarden Dollar - für einige Fachleute eine überraschend hohe Offerte. Sie taxierten während der letzten Wochen und nachdem klar geworden war, dass Palm sich zum Verkauf anbot, den Wert des seit Jahren furchterregend kriselnden Smartphone-Anbieters auf rund 500 Millionen Dollar - inklusive Hunderter Patente, dem neuen Betriebssystem WebOS und rund 2.000 Applikationen (Apps).

Natürlich widersprachen dem einige Marktkenner: Allein die 456 Patente plus 406 laufende Patentanträge, dies unter Berücksichtigung der Dauerfehden in der Mobilfunkindustrie, rechtfertigten den hohen Preis.

Um diesen Aspekt abzuschließen: Auf jeden Fall kann sich Finanzinvestor Elevation Partners, der sich im vergangenen Jahr für rund 450 Millionen Dollar ein Drittel von Palm gesichert hatte, freuen. Der Übernahmepreis garantiert ihm mindesten 485 Millionen Dollar Einnahmen, sollte HP zum Zuge kommen.

Was kann HP mit Palm anfangen?

Doch was handelt HP sich mit Palm ein?

Neben dem ausbaufähigen WebOS, das sich in den USA, nicht aber in Europa oder Asien, trotz der konkurrierenden Betriebssysteme Symbian, MacOS/iPhone, Google Android, Microsoft Windows Mobile sowie Windows Phone und Blackberry/RIM, ein gewisser Beliebtheit erfreut und dort derzeit knapp sechs Prozent Marktanteile im Smartphone-Markt aus sich vereinigen kann, eine Reihe hochspezialisierter Entwickler und, wie gesagt, ein umfangreiches Patentportfolio. Dazu kommt, dass der junge Markt für Smartphones und Tablet-PCs erst am Anfang steht und Analysten zufolge mit jährlichen Wachstumsraten von gut 20 Prozent Milliardengeschäfte verspricht.

Vorallem das mag HP unter der Federführung von PSG-Chef Todd Bradley, übrigens von 2002 bis 2005 Palm-Chef, dazu bewegt haben, den nahezu in die Knie gezwungenen Anbieter zu kaufen. In der Telefonkonferenz am Mittwoch dieser Woche legte sich Bradley für den Kauf mächtig ins Zeug: Anders als Palm sei der IT-Riese in der Lage, eine zentrale Rolle bei Smartphones und Tablet-PCs besetzen zu können. "Die Kombination aus HPs globaler Größe und Finanzstärke und Palms einzigartiger Softwareplattform" ermögliche dem IT-Riesen, "viel aggressiver" in diesem Markt "anzugreifen".

Nicht weniger habe HP vor, und es werde sich mit den derzeit weltweit 1,2 Prozent Marktanteilen, die Palm hat, kaum begnügen.

Genau dies erwarten zahlreiche Analysten. Sie erachten HP als durchaus in der Lage, das Thema Smartphone so zu behandeln, dass sich die Akquisition lohnen könnte - und es dem IT-Riesen gelingt, binnen Kürze unternehmenstaugliche Smartphones zu entwickeln, die funktionsmächtiger als es derzeit der IT-Darling "iPhone" oder RIMs Blackberry sind.

Zudem, so ließen sich Analysten vernehmen, könnte es HP gelingen, durch eine rasche Integration des WebOS inklusive Applikationen in seine "Convergend Infrastructure"-Strategie ein einheitliche Unternehmens-Infrastruktur für nahezu alle Applikationsbelange anzubieten. Gelänge es ferner HP, eine ähnlich attraktives Gerät wie das iPhone zu bauen, wozu der jetzige Palm-Chef Jon Rubinstein, immerhin einer der "Vater des iPod", Einiges beitragen könnte, stünde einem Erfolg nichts im Erfolg.

Genau in dieses Horn versuchte HP zu stoßen. Man werde weitaus mehr als Palm mit jährlich rund 190 Millionen Dollar in die Entwicklung solcher Geräte investieren. Man habe vor, sagte Bradley "eine integrierte Plattform" auf Basis von WebOS anzubieten. Sie solle HP die Möglichkeit geben, Geschäfts- und Endkunden Kunden "eine durchgängige Erfahrung" anbieten zu können. Dabei setze HP auf die nach wie vor existierende Entwicklergemeinschaft Palms und ebenso auf sein System aus Vertrieb, indirekten Kanal und ISV-Partner, denen es gelingen müsste, mit Applikationsanpassungen das WebOS in die vorderste Reihe der Betriebsplattformen für geschäftsrelevante Anwendungen zu katapultieren.

Was HP einen Strich durch den Palm/WebOS-Erfolg machen könnte

Man muss nicht der unverhohlen ablehnenden Meinung des amerikanischen Analysten John Strand sein, der zur Übernahme von Palm sagte, "wenn HP weltweit eine Rolle in der mobilen Welt spielen will, ist ein 1,2 Milliarden Dollar schwerer Kauf von Palm nicht der richtige Weg. Palm hat außerhalb der USA keine Marke und keinen Vertrieb", um einige Zweifel an der Übernahme zu haben.

HPs ipaq - ein Megaflop.

Wenn man beispielsweise auf die hauseigene "iPaq"-Geschichte verweist, fällt auf, dass HP nach der Compaq-Übernahme mit dem Organizer-Erbe rein gar nichts anfangen konnte. Heute hat dieses Windows Mobile-basierende Gerät vernachlässigbare 0,1 Prozent Marktanteil.

Auch das Marktpotential der Netzwerktochter Procurve wurde spät erkannt. Intern jahrelang als Verkaufskandidat gehandelt, musste Procurve bis zur Übernahme des einstigen Netzwerkprimus 3Com warten, um als relevante Geschäftseinheit anerkannt zu werden.

Aber auch der Smartphone-Markt selbst zeigt, dass Erfolge sich nur dann einstellen, wenn man in diesem mit einer klaren Roadmap und entschlossen mit großem Tempo agiert. So ist es Microsoft trotz Milliardenaufwand bis heute nicht gelungen, sein mobiles Betriebssystem erfolgreich zu platzieren. Von Palms trostloser Geschichte und Nokias verzweifelten Bemühungen, sich als Marktführer zu halten, ganz zu schweigen.

Zudem sind im Geschäft mit diesen attraktiven Geräten offensichtlich einige Regeln zu beachten, die wenig mit dem Unternehmensumfeld zu tun haben, dafür viel mit der Akzeptanz durch Endverbraucher. Apples erstaunlich erfolgreiches iphone spricht hier eine so deutliche Sprache, das sich alle Konkurrenten, gleich ob RIM, HTC, Samsung oder Nokia, ausschließlich an ihm orientieren. Es ist also die Mischung aus geschäftstauglichem Werkzeug und ansprechendem Freizeitgerät, die über den Erfolg entscheiden wird.

Und, um zu schließen, entscheidend ist auch die deutliche Positionierung des WebOS in HPs Strategie. Nur wenn die Vertriebsmannschaften und Partner des IT-Riesens den Eindruck haben, dass HP entschlossen ist, die Neuerwerbung so weiterzuentwickeln dass sie bei Kunden, wozu eben Geschäftskunden ebenso Service Provider zählen werden, unübersehbar ankommt, wird sich die Übernahme als Erfolg herausstellen.

Man sieht, HP hat viel zu tun. (wl)