Streit um Lotus und Exchange

Kampfhähne IBM und Microsoft - mit oder ohne den Channel?

20.01.2010
Pünktlich zu IBMs Softwaremesse "Lotusphere" bekriegen sich die Erzrivalen Microsoft und IBM. Das hat Tradition. Doch vor allem zeigt es, in welche Channel-Richtung die beiden Unternehmen marschieren.

Pünktlich zu IBMs Softwaremesse "Lotusphere" (17. bis 21. Januar) bekriegen sich die Erzrivalen Microsoft und IBM. Das hat Tradition. Doch vor allem zeigt es, in welche Channel-Richtung die beiden Unternehmen in Sachen Software marschieren.

Während IBM während seiner größten Softwaremesse Meldungen wie zum Beispiel "380.000 Panasonic-Anwender migrieren auf LotusLive" lanciert und zugleich auf der "Lotusphere" in Orlando, Florida, eine Heerschar von Notes-Anwender und -Migranten antreten lässt, die die Überlegenheit seiner variantenreichen Groupware-Plattform Notes/Domino für alle Geschäftsbelange augenfällig unterstreichen sollen, lässt Microsoft die PR krachen. "1,1 Millionen deutsche Lotus Notes-Nutzer entscheiden sich für Microsoft".

In den vergangenen drei Jahren habe der Redmonder Software-Anbieter "vor allem im gehobenen Mittelstand und bei Großkunden eine große Nachfrage erlebt", wird Marcel Schneider, als Direktor Großkunden & Partner auch einer der Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, sinnfällig zitiert.

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Nun ist der Kampf um die erfolgreichste Kommunikationslösung für Unternehmen uralt, beide Rivalen wirken, als seien sie ein wenig in die Jahre gekommen, und es verhält sich auch seit Jahren so, dass die Entscheidungen großer Unternehmen in Sachen Kommunikationsplattform nicht aufgrund fragwürdiger PR-Meldungen getroffen wird.

Tatsächlich, um dies kurz zu skizzieren, evaluieren Unternehmen monate-, bisweilen auch jahrelang, ob sie sich für IBMs Notes oder Microsofts Exchange plus den unvermeidlichen Ratenschwanz vereinheitlichter Kommunikation entscheiden. Dafür liefern beide Anbieter ausführliche Roadmaps für die kommenden Jahre inklusive TCO und andere Kostenberechnungen; es werden komplexe Implementationspläne entwickelt und verglichen, damit zum Beispiel die Anbindung vieler aushäusiger Mitarbeiter an zentrale Applikationen für die aktuelle und die kommenden IT gewährleistet ist, und die jeweilige Aufgabe der CIOs ist, die in langen Verhandlungen gewonnen Erkenntnisse in ihren Unternehmen zu begründen.

Kurzum: Wer migriert, egal ob von IBM zu Microsoft, umgekehrt oder übrigens auch nicht, hat sich in den seltensten Fällen mutwillig entschieden.

Insofern erscheint auch vielen IT-Beobachtern das alljährliche Gezeter der beiden Rivalen nicht mehr als ein gewohntes Ritual. Damit könnten es alle genug sein lassen - träfen nicht für den Channel einige Fragen zu, die beide Unternehmen bis heute nicht beantwortet haben.

IBM und der "kontrollierte Softwarevertrieb"

LotusLive - ein Partnergeschäft?

Nach der Channel-Rosskur des letzten Jahres, von IBM unter klingenden Namen wie "Growth Through Skills" und "Controlled Distribution" verpackt und rund 100.000 Partner weltweit betreffend, muss sich das Unternehmen in diesem Jahr damit beschäftigen, ob es und inwieweit seine Partner an den Cloud- und Saas-Angeboten beteiligt.

Denn es ist offensichtlich, dass IBMs Software-Abteilung in diese Richtungen marschiert. Beispiel "LotusLive": Es handelt sich um ein Cloud-Angebot, das auf die Arbeitsumgebung von Unternehmäsmitarbeitern abzielt und direkt gegen Microsofts Desktop- und Kommunikations-Softwarre positioniert ist.

Seit vergangenem Jahr bietet IBM lediglich einen sogenannten Building Block unter dem Namen "LotusLive Engage"; er beinhaltet Web Mail, Instant Messaging und weitere Werkzeuge, ferner LotusLive Connections (Sozial-Software) und die Hosting-Lösung "LotusLive iNotes".

Bei der ersten Präsentation im April vorigen Jahres wurde vielen Beobachtern keineswegs klar, ob mit dieser Lösung Mittelstands- oder Großkunden gewonnen werden sollten, und so mancher Partner dürfte allein deshalb zur diesjährigen Lotusphere geflogen sein, um sich dort schlau zu machen: Über seine Chancen, diese Lösung an SMB-Kunden verkaufen zu können, und was IBM tut, um sie zusammen mit Partnern - VARs, Integratoren und Softwareanbietern - im Mittelstandsmarkt zu positionieren.

Diese Klärung ist dringend notwendig. Denn soviel steht bis jetzt fest: IBMs ausgesprochen erfolgreiche Software-Abteilung - sie steht, wie die Unternehmensergebnisse für das vergangene Jahr zeigen, für 20 Milliarden Dollar Umsatz und 40 Prozent des Gesamtgewinnes - sieht ihre Zukunft in SaaS- und Cloud-Angeboten. Und da sie zum Erfolg verdammt ist, bleibt ihr nur, in diese Marschrichtung zu gehen - mit oder ohne Partner.

Microsoft und die zögerliche Cloud-Strategie

Microsofts Azure - ein Partnergeschäft?

Auch bei dem Redmonder Softwarekrösus haben die jüngsten IT-Entwicklungen deutliche Spuren hinterlassen. Mag Windows 7 auch ein momentaner Erfolg sein, und die Desktop-Abteilung noch eine Zeitlang maßgeblich zum Gewinn des Konzerns beitragen. Die wirklichen Schlachten um die künftige Software-Strategie werden gerade in den Abteilungen Miet-Software, Hosting und Clouds ausgetragen.

Hier hat Microsoft sich bis heute nur zu einem lauen Kompromiss durchgerungen: Einerseits bietet es unter dem Namen "Azure" eine Cloud-Lösung an, die auf der Basis von Windows und der Datenbank SQL geeignet sein soll, Web-Applikationen aller Art sowie gehostete Lösungen für Kunden jeder Größe entwickeln und anbieten zu können, andrerseits kommt der IT-Riese nicht von seiner Vergangenheit los.

Statt "SaaS" anzubieten, behält er sich nach wie vor vor, Software plus Services in diversen Varianten anzubieten: als lokal installierte Lösung (on Premise), als gehostete und als Online-Lösung (SaaS): Und es gibt auch hybride Kombinationen der einzelnen Lizenz- und Distributionsmodelle.

Welche Modelle aber für mittelständische Kunden brauchbar sind, müsse im Einzelfall geprüft werden, steht für das Unternehmen fest.

Dass dies eine besonders aufschlussreiche Aussage für die Partner wäre, behauptet niemand. Weshalb auch hier gilt: Um seine Wiederverkäufer langfristig an sich an sich zu binden - allein in Deutschland nennt Microsoft insgesamt 30.000 Partner -, sollte der Konzern in diesem Jahr klar machen, wie seine künftige Vermarktungsstrategie aussieht und was er dem Channel anbieten kann und will.

Denn sowohl für IBM als auch Microsoft und beider Mittestandsstrategie trifft zu, dass die Partner die Geschäfte machen. Wer also in diesem Markt wachsen will, muss den Partnern klare Wege aufzeigen, wie das geschehen soll.

Die Scharmützel um die Notes- und Exchange lenken nur ab. (wl)