Der Jahresabschluss ist für Firmenlenker oft eine ungeliebte Pflicht. Gleichwohl bieten sich viele attraktive Gestaltungsoptionen. Wer die gesetzlichen Möglichkeiten systematisch nutzt, kann mit Art und Form der Bilanzierung mitunter kräftig Steuern sparen. Für das Geschäftsjahr 2016 sieht der Gesetzgeber neue Richtlinien für Jahresabschlüsse vor. Für einige Unternehmen lohnt bereits im laufenden Jahr eine Umstellung auf die künftigen Standards. Unternehmen sollten jetzt ihre Bilanzierung im Hinblick auf neue Chancen überprüfen und gegebenenfalls ihr Rechnungswesen anpassen.
Die neuen Vorgaben sollen die europäische Rechnungslegung harmonisieren und Bürokratie abbauen. Ob Unternehmen von dem so genannten Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) profitieren, hängt laut aktuellem Gesetzentwurf in erster Linie von der Unternehmensgröße und der Struktur der Erträge ab. Denn die Unternehmensgröße bestimmt den Umfang der Pflichten beim Jahresabschluss, die Struktur der Erträge wirkt sich auf die Erfolgskennzahlen aus. Überlegenswert ist eine vorzeitige Umstellung nicht nur, wenn Unternehmen durch Wegfall der Prüfungspflicht Kosten sparen. Attraktiv ist auch, wenn sich durch die neuen Vorgaben die Erfolgskennzahlen signifikant verbessern.
Neue Schwellenwerte für Größenklassen
Eine wesentliche Neuerung stellen die Schwellenwerte für die vier Größenklassen von Kapital- und Personengesellschaften dar (kleinst, klein, mittelgroß, groß). Der Gesetzgeber will die Untergrenze für eine Einstufung als "mittelgroßer" Betrieb um rund 20 Prozent anheben. Unternehmen gelten demnach erst ab einer Bilanzsumme von 6 Millionen Euro (bislang 4,84 Millionen Euro) oder einem Umsatz von 12 Millionen Euro (bislang 9,68 Millionen Euro) als mittelgroß. Gesellschaften, die künftig als "klein" eingestuft werden, profitieren von Erleichterungen in der Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen. Damit gehen administrative und finanzielle Entlastungen einher. In allen anderen Größenklassen bleiben die Schwellenwerte und Jahresabschlusspflichten unverändert.
Das BilRUG ändert den Ausweis von Erträgen, was die Erfolgskennzahlen deutlich verändern kann. Künftig werden außerordentliche Erträge nicht mehr gesondert in der Gewinn- und Verlustrechnung aufgeführt. Dazu zählen etwa Einnahmen aus dem Verkauf von Betriebsteilen, aus Verschmelzungen oder aus Zuschüssen der öffentlichen Hand. Ähnlich verhält es sich bei den Umsatzerlösen. Bislang zählten dazu nur Einnahmen aus geschäftstypischen Erzeugnissen, Waren und Dienstleistungen. Künftig fließen auch Erlöse ein, die untypisch für das Geschäftsmodell sind wie etwa Erlöse aus der Betriebskantine oder aus nicht betrieblichen Mieterträgen.
Firmen können unter Umständen mit verbesserten Erfolgskennzahlen gegenüber Kreditgebern, Anteilseignern und Kunden punkten. Firmenlenker sollten deshalb dringend mit ihren steuerlichen Beratern klären, ob sich eine vorzeitige Umstellung auf die neuen Bilanzregeln lohnt. Zeichnen sich Vorteile ab, sind gegebenenfalls Änderungen bei der Buchführung vorzunehmen. So lassen sich aufwendige Umbuchungen am Jahresende vermeiden.
Die Kehrseite der Medaille
Doch jedes Ding hat zwei Seiten: Die Umsatzerlöse von bisher als "klein" eingestuften Unternehmen können unter den neuen Erlösvorgaben den Schwellenwert übersteigen und eine Einstufung in die Kategorie "mittelgroß" zur Folge haben. Dann müssen bisher als klein eingestufte Betriebe alle Bilanzierungspflichten vollständig erfüllen. Deshalb sollten Unternehmen jetzt die Vor- und Nachteile des BilRUG gründlich abwägen. Sind keine positiven Effekte zu erwarten, sollten Firmen mit der Umstellung sicherheitshalber noch warten. Auf diese Weise profitieren Unternehmen von den Erfahrungen anderer und können Fallstricke in der praktischen Umsetzung besser umgehen.
Kontakt und Infos: Dr. Ulrich Viefers ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH, www.wws-gruppe.de