Nach der Server- und Storage-Virtualisierung geht es nun offenbar den Fat-Clients an den Kragen: Desktop-Virtualisierung ist der IT-Trend 2011 schlechthin.
Für Karl Heinz Warum, den langjährigen Geschäftsführer bei Citrix und nun in gleicher Position beim Thin-Client-Anbieter Wyse tätig, ist Desktop-Virtualsierung kein Hype mehr, sondern die konsequente Weiterentwicklung der Trends der vergangenen 15 Jahre: "Von Client-Server-Strukturen hin zum Server-based Computing, dann zur Server- und schließlich zur Desktop-Virtualisierung - das ist ein einfaches logisches Konzept, konsequent zu Ende gedacht und umgesetzt."
Ähnlich schätzt Ralf Gegg, Partner-Direktor bei VMware Zentraleuropa, die derzeitige Situation ein: "Viele Firmen - ob große Konzerne oder mittelständische Unternehmen - haben sich der Virtualisierung von der Serverseite her genähert. Die Systeme laufen, und die versprochenen Vorteile - Zeit- und Kostenersparnis, Erhöhung der Service-Level und eine flexible Infrastruktur - sind inzwischen Unternehmensrealität geworden."
Desktop-Virtualisierung übersetzt diese Vorteile auf das Client-Computing. Unternehmen erreichen damit eine Reihe weiterer Vorteile, die weit über das Kostenargument hinausgehen. In der Regel sind es business-lastige Argumente, die Auslöser für Desktop-Virtualisierungs-Projekte sind.
"Analystenhäuser wie IDC und Gartner zeigen übrigens, dass wir bei der Desktop-Virtualisierung erst die Spitze des Eisbergs sehen und dieser Bereich ein bedeutender Wachstumsmarkt für unsere Partner darstellt. Also sicherlich mehr als ein Hype", so der VMware-Manager.
Sogar ein vormaliger Fat-Client-Befürworter wie Microsoft hat inzwischen die Vorteile von schlanken Clients entdeckt: "Viele Unternehmen stellen fest, dass der Betrieb ihrer Desktop-Systeme mit allen Anwendungen und den einzelnen Anforderungen sehr komplex und aufwendig ist", resümiert etwa Michael Korp, Technologieberater beim Softwarekonzern aus Redmond. Auch rät er seinen Kunden zunehmend, die Benutzeroberfläche vom Endgerät loszulösen. "Dadurch ließen sich die hohen Betriebskosten senken, die Komplexität heterogener Systemumgebungen reduzieren sowie die Sicherheitsrisiken und der teils immense Support-Aufwand erheblich vermindern", postuliert Korp.
Und hier kommt nach Ansicht des Microsoft-Managers Desktop-Virtualisierung ins Spiel. Allerdings ist sie für ihn nicht das Allheilmittel für alle Probleme beim Desktop-Management: "Virtualisierung ist keine Universallösung, manchmal ist es sinnvoller, sie als Ergänzung und Erweiterung des klassischen Desktops zu sehen - zumal es auch bei der Virtualisierung keine einfache One-size-fits-all-Lösung gibt."
Kein Hype, sondern Realität
Selbstredend ist für Citrix, Vorreiter in Sachen Server-based Computing, Desktop-Virtualisierung kein Hype mehr, sondern erlebbare Realität. "Wir sind da schon längst angekommen", behauptet Jens Lübben, Zentraleuropa-Chef bei Citrix und in dieser Position Nachfolger von Karl Heinz Warum.
"Unsere Kunden setzen solche Konzepte schon um oder haben diese bereits in der Schublade. Das sind Unternehmen aus Branchen, die eine dezentrale Struktur aufweisen und dementsprechend über viele verteilte Clients verfügen. Dazu zählen insbesondere die Sektoren Banken, Versicherungen und der öffentliche Bereich." Aber auch Lübben glaubt, dass die große Desktop-Virtualisierungs-Welle erst im kommenden Jahr über Deutschland schwappen wird.
Gründe für die Einführung von virtualisierten Desktops gibt es nach Ansicht des Citrix-Managers viele: Kosteneinsparungen durch einfaches Management, erhöhte Sicherheit bei gleichzeitiger maximaler Flexibilität. So bekämen auch mobile Mitarbeiter stets Zugriff auf ihre eigene Desktop-Umgebung, die ja zentral vorgehalten wird "Desktop-Virtualisierung wird eine ähnliche Entwicklung erleben wie die Server- und Applikationsvirtualisierung", so Lübben.
In die gleiche Kerbe schlägt übrigens auch Iris Musiol, Product Marketing Analyst bei Oracle Deutschland: "Der Wunsch der Mitarbeiter nach maximaler Flexibilität beim Bereitstellen von Anwendungen sowie hohe Sicherheitsanforderungen am Arbeitsplatz sorgen dafür, dass sich immer mehr Unternehmen mit dem Thema Desktop-Virtualisierung auseinandersetzen."
Der standortunabhängige Zugriff auf eigene Daten und Applikationen ist laut Musiol für die mobilen Mitarbeiter unabdingbar und am besten mit Virtualisierungslösungen in Kombination mit schlanken Endgeräten, also Thin Clients, realisierbar. "Es gilt, den persönlichen Desktop von einem starren Arbeitsplatz zu entkoppeln. Der Anwender greift flexibel auf eine im Rechenzentrum zentral gehostete Arbeitsumgebung zu, unabhängig von Ort und Art des zur Verfügung stehenden Endgeräts."
Diese Art und Weise, am eigenen Desktop zu arbeiten, sei weitaus sicherer als mit dem herkömmlichen PC oder Notebook, meint die Oracle-Analystin. "Die Gefahr des Datenverlustes durch Nicht-Ablegen auf der lokalen Ebene ist einfach nicht vorhanden; Gleiches gilt für die bekannte Viren- und Malware-Problematik an lokalen, dezentralen Endgeräten - auch diese Bedrohungen gibt es nicht mehr", meint Musiol. Viele User würden es ohnehin bald bevorzugen, mit exotischen Endgeräten wie dem iPad zu arbeiten, und dann würde der Desktop am Server schon Sinn machen. "Strategische Ansätze wie User-owned Devices setzen eine derartige technologische Infrastruktur voraus", meint etwa der freie Berater Michael C. Reiserer. Dafür sei Desktop- Virtualisierung am besten geeignet.
TCO als Verkaufsargument
"Der Faktor Total Cost of Ownership (TCO) spielt bei der Einführung von virtualisierten Desktop-Landschaften eine wichtige Rolle", ergänzt Emanuel Pirker, Geschäftsführer der Stratodesk Software GmbH, der Nachfolgeorganisation des früheren österreichischen Thin-Client-Herstellers Liscon. Für Pirker sind Ziele wie optimierte Nutzung von Ressourcen, einfacheres Desktop-Management und flexible Client-Strukturen bei geringeren Betriebskosten nur mit einem ausgereiften Virtualisierungskonzept durchführbar.
Stefan Hölzl, General Manager EMEA bei Parallels, hat vor allem die IT-Abteilung beim Kunden im Sinn, wenn er die mit der Desktop-Virtualisierung verbundenen Kostenvorteile anführt: Demnach möchte der Systemadministrator möglichst wenig Aufwand für die Verwaltung der Clients betreiben und deren Ausfallzeiten gering halten. "Denn auch nach der Krise hält der Kostendruck in den IT-Abteilungen an, sodass die Unternehmen weiter nach Optimierungspotenzial suchen." Virtualisierte Desktop-Infrastruktur (VDI) biete hierfür ein lohnendes Feld. (rw)