Plattformökonomie für jedermann - so könnte man das Geschäftsmodell beschreiben, mit dem das französische E-Commerce-Softwareunternehmen Mirakl in den letzten zehn Jahren frischen Wind in die Branche brachte. Unter anderem entschieden sich MediaMarktSaturn, Fressnapf, Douglas, Decathlon und Home24 für die Plattformlösung von Mirakl, um vom reinen Händler zum Online-Marktplatz zu werden. Ebenso zählen Nischenshops wie Conrad oder Voelkner zu den Kunden des Softwareanbieters. Doch gibt es in der Branche, auch Skepsis, ob wirklich jeder Händler einen eigenen Marktplatz starten sollte.
"Dieser Vorbehalt trifft vielleicht für die ganz Kleinen zu. Aber aus meiner Sicht macht es schon ab einem unteren zweistelligen Millionenumsatz Sinn, sich zum Marktplatz zu wandeln - vor allem, wenn es sich um Händler mit einer hohen Relevanz in ihrer Nische handelt", antwortet Georg Sobczak, Deutschland-Chef von Mirakl, auf die Kritik. "Natürlich wird nicht jeder Händler automatisch zu einer riesigen Plattform werden, aber das Marktplatzmodell bietet eine logische Erweiterung des eigenen Produktangebotes durch externe Partner und Händler." Aus Sicht von Sobczak ermöglicht das Händlern, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern - weil sie ihren Kunden mit einem Online-Marktplatz Zugang zu einem erweiterten Sortiment bieten könnten und gleichzeitig eine zusätzliche Erlösquelle für ihr Business eröffneten.
Retail Media als logischer nächster Schritt
Seit einem Jahr hat Mirakl sein Angebot um eine weitere Facette erweitert. Ergänzend zu der Marktplatzlösung bietet das Unternehmen nun auch eine Retail-Media-Plattform. Auch hier sollen Händler ohne Investition in den Aufbau eigener Ressourcen ihr Geschäftsmodell um einen ergänzenden Pfeiler erweitern, zusätzliche Einnahmen generieren und damit insgesamt in einer für den E-Commerce herausfordernden Zeit wettbewerbsfähig bleiben. "Aus meiner Sicht sollte jeder größere Händler Retail-Media-Anbieter werden, da dieser Geschäftsbereich eine sehr profitable Möglichkeit bietet, um den gesamten Website-Traffic zu monetarisieren", erklärt Sobczak. Wie wichtig Mirakl das neue Geschäftsfeld ist, zeigt sich auch an der Person des Deutschland-Chefs: Bevor er 2021 zu dem französischen E-Commerce-Softwareanbieter wechselte, arbeitete er elf Jahre für den Retail-Media-Spezialisten Criteo, zuletzt als Geschäftsführer für die DACH-Region.
Mit der Retail-Media-Plattform adressiert Mirakl Kunden, die bereits die Marktplatzlösung des Unternehmens nutzen. Sie können mit der Integration von Werbeformaten zwei Gruppen von Advertisern ansprechen. Zum einen sind das Brands, die auf den Marktplätzen nicht selbst als Seller aktiv sind, aber durch Werbemaßnahmen den Verkauf ihrer Produkte unterstützen wollen. Zum anderen sind die Marktplatzhändler die zweite Nutzergruppe der Retail-Media-Formate. Sie können auf diese Weise ihre Verkäufe auf der betreffenden E-Commerce-Plattform zusätzlich pushen. "70 bis 80 Prozent der gebuchten Formate betreffen den Lower Funnel, vor allem in Form von Sponsored Products", berichtet Sibczak über die bisherigen Erfahrungen mit dem Retail-Media-Angebot. "Aber auch Banner- und Videoformate werden gerne genutzt. Der große Vorteil ist, dass die Werbekunden alle Maßnahmen vollkommen datenbasiert nutzen können, auf Grundlage der Browsing- und Transaktionsdaten in dem jeweiligen Shop."
Mirakl betrachtet sich bei dem Retail-Media-Angebot primär als Technologieanbieter. "Wir kombinieren das aber auch mit einem Sales-House-Approach, bei dem wir unsere Kunden ganz konkret dabei unterstützen, wie sie die Retail Media-Budgets am besten akquirieren", erklärt der Deutschland-Chef des E-Commerce-Softwareanbieters. Sein Unternehmen ermögliche den Advertisern - sowohl Brands wie auch Marktplatz-Sellern - auszuwählen, welche Plattformen im umfangreichen Partnernetzwerk von Mirakl diese nutzen möchten. Dabei kommt dem E-Commerce-Dienstleister entgegen, dass die Marktplätze seiner Kunden inzwischen ein jährliches Handelsvolumen von mehr als neun Milliarden Euro und einen Händlerstamm von über 100.000 Marktplatzanbietern umfassen. Die Relevanz von Mirakl als Retail-Media-Player liegt damit in der Bündelung dieser Angebotsbreite.
Werbeformate auf datenbasierter Grundlage
Verglichen mit Handelsriesen wie Amazon im E-Commerce (weltweiter Umsatz 2023: 574,8 Milliarden US-Dollar) oder im Retail der Schwarz-Gruppe (u.a. Lidl und Kaufland, Umsatz 2023: 172,2 Milliarden Euro) nimmt sich auch das kombinierte Volumen der Mirakl-Marktplätze noch recht bescheiden aus. Insofern sollten Nutzer des Retail-Media-Angebots des Dienstleisters damit keine überzogenen Erwartungen verbinden. Doch aus Sicht von Georg Sobczak schafft Mirakl mit der neuen Geschäftssparte Vorteile für alle Beteiligten: Die Händlerpartner könnten - wie schon mit ihren Online-Marktplätzen - noch einmal zusätzliche Einnahmen generieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Zum andere steigere aus seiner Sicht ein gut gemachtes Retail-Media-Angebot, das intuitiv in die Category-Seiten der Plattformen integriert ist und relevante Advertiser vereint, auch die Nutzererfahrung der Endkunden und die Orientierung im Shop. "Und schließlich ist das Angebot auch für die Advertiser hochinteressant", erklärt Sobczak. "Sie können damit skalierbare Budgets für messbare Erfolge einsetzen und ihre Kampagnen performancebasiert aussteuern und optimieren."
Welches Potenzial Retail Media im E-Commerce-Kontext generell habe, sehe man an der Entwicklung in den USA, meint Sobczak. Dort betrage der Anteil des Formats an den Werbespendings bereits fünf Prozent, während dieser in Deutschland noch bei zwei Prozent liege. "Weltweit sprechen wir von Online-Spendings in Retail Media in Höhe von bereits 125 Milliarden Dollar in 2023 und erwarten circa 180 Milliarden Dollar im Jahr 2028. Das ist ein riesiges Potenzial und ich bin überzeugt, dass Retail Media mittelfristig TV als einen der immer noch wichtigsten Werbekanäle ablösen wird", erklärt der Advertising-erfahrene Deutschland-Chef von Mirakl.