Ständige Schlafstörungen sind besonders in der IT-Branche ein vernachlässigtes Problem. Das berichten indische Forscher von der Universität Mysore in der Springer-Zeitschrift "Applied Research in Quality of Life". Bei 35 Prozent der 91 IT-Techniker eines untersuchten Unternehmens konnten sie leichte, bei 21 Prozent schwere chronische Schlafprobleme feststellen. Die körperliche und psychische Verfassung der Untersuchten und ihre subjektive Lebensqualität stimmte oft mit der Schlafqualität überein.
Dass sich das Problem nicht nur auf Indiens IT-Spezialisten beschränkt, betont Anja Gerlmaier vom Institut für Arbeit und Qualifikation IAQ der Universität Duisburg. Gerlmaier hat erst kürzlich mit Kollegen eine Studie zum Gesundheitszustand in der IT-Branche präsentiert und dabei besorgniserregende Zustände dokumentiert. "Die Schlafstörungen erschienen auch in unserer Untersuchung, wobei ein starker Zusammenhang zu Stress und zum Burnout-Syndrom besteht", so die Expertin.
Jeden Tag bei Arbeitsende "verbraucht"
Besonders die hochbeanspruchten IT-Techniker schlafen laut der deutschen Studie bei 331 Untersuchten schlecht – und zwar 54 Prozent von ihnen, womit dieses Problem häufiger ist als Rückenschmerzen (46 Prozent), Konzentrationsstörungen (45 Prozent), Magenleiden (35 Prozent) und Tinnitus (30 Prozent). Bei weniger beanspruchten IT-Technikern hat jeder fünfte Schlafstörungen, wobei Rücken- und Konzentrationsprobleme gleich oft vorkommen. Insgesamt ist jeder Vierte jeden Morgen müde und zerschlagen, jeder Dritte denkt ständig, er werde die Arbeit auf Dauer nicht durchhalten und 40 Prozent fühlen sich jeden Tag bei Arbeitsende "verbraucht".
Dahinter steckt die enorme Stressbelastung, ist Gerlmaier überzeugt. "IT-Techniker sind mit ungeplanten Arbeiten, nicht realistisch kalkulierten und parallelen Projekten und teils kritischen Kundensituationen konfrontiert. Zudem macht ihnen auch die Virtualisierung der Arbeit zu schaffen. Sitzen die direkten Vorgesetzten in Texas, können sie diesen gegenüber eine zu hohe Belastung viel schlechter signalisieren." Die dauernde Anspannung sorgt für einen ständig hohen Adrenalinspiegel, wobei der Körper mit dem Abbau des Hormons nicht nachkommt. "Die Folgen sind Unruhe, Unfähigkeit des Abschaltens und der Erholung sowie erschwertes Einschlaf- und Durchschlafen."
Wenig Freiheit bei der Arbeitszeit
Seien die Probleme auch ähnlich, könne man laut Gerlmaier die Arbeitssituation indischer IT-Entwickler dennoch nicht auf europäische Verhältnisse übertragen. "In Indien sind Großraumbüros mit fabriksmäßigen, unflexiblen Arbeitszeiten die Regel. Bei uns dominiert die Orientierung am Projekt und Arbeitstage dauern schon mal von 8 bis 22 Uhr, wenn es drängt." Viele deutsche Entwickler sind unter der Woche beim Kunden tätig. "Die oft vermutete Autonomie und Freiheit in der Arbeitszeit gibt es nicht, da Entwickler die anfallende Arbeitsmenge kaum beeinflussen können", so die Expertin für Arbeitszeit und Arbeitsorganisation. (pte/tö)