Die 5. Novelle der MaRisk hat die Vertragsgestaltung für die Institute nicht erleichtert, obwohl der Wortlaut vermeintlich zunächst Klarheit schafft. Das Entscheidungskriterium für die Einhaltung der Anforderungen nach § 25b KWG sowie nach AT 9 MaRisk ist das Vorliegen einer wesentlichen Auslagerung. Maßgeblich die Einstufung als (IT-)Auslagerung sind folgende Kriterien:
Notwendig ist der funktionaler Zusammenhang der auszulagernden Leistung mit einem Bankgeschäft, einer Finanzdienstleistung oder einer sonstigen institutstypischen Dienstleistung.
Gegenstand darf nicht der nur einmalige, gelegentliche Fremdbezug einer Leistung sein (Nachhaltigkeit);
Die auszulagernde Leistung muss ansonsten vom Institut selbst erbracht werden.
Ob eine Auslagerung wesentlich ist, hat nach AT 9 TZ. 2 MaRisk das Institut auf der Grundlage einer Risikoanalyse unter Risikogesichtspunkten eigenverantwortlich festzulegen. Diese Risikoanalyse muss im Vorfeld der Auslagerung durchgeführt und während der Laufzeit der Auslagerung kontinuierlich wiederholt werden.
Wurden bisher IT-Leistungen "fremdbezogen", kam es darauf an, ob und wenn ja, in welchem Maße sie in einem funktionalen Bezug zu den institutsspezifischen Leistungen standen. Wesentlich für die Einordnung als Auslagerung im Sinne der MaRisk war der funktionale Zusammenhang mit einem Bankgeschäft, einer Finanzdienstleistung oder einer sonstigen institutstypischen Dienstleistung.
Wurden beispielsweise Teile der IT fremdbezogen, die in einem direkten Zusammenhang mit den institutsspezifischen Leistungen standen, wie beispielsweise der Rechenzentrumsbetrieb eines Kernbankensystems oder die Verlagerung von für die institutsspezifischen Leistungen wesentlicher IT-Infrastruktur oder Applikationen in die Cloud, lag in der Regel eine (wesentliche) Auslagerung vor. Der Fremdbezug von Software und die für den operativen Einsatz typischerweise erforderlichen Projektleistungen (Anpassung und Implementierung) sollen nicht unter den Begriff der Auslagerung fallen.
Die Ausnahme von der Ausnahme
Von dieser Ausnahme, die auf den ersten Blick Projektverträge und Softwarepflegeverträge den Anforderungen der MaRisk entzieht, macht die MaRisk aber eine entscheidende Ausnahme: Bei Software, die zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation der Risiken eingesetzt wird oder die für die Durchführung von bankgeschäftlichen Aufgaben von wesentlicher Bedeutung ist, sind Unterstützungsleistungen als Auslagerung einzustufen.
Anbieter von
Gesamtbankenlösungen,
Applikationen für das Kreditriskomanagement,
Handels- und Wertpapiersysteme,
Anwendungen für Risikomanagement und Controlling
bieten Produkte, die im Regelfall unter diese Ausnahme der Ausnahme fallen. Die wesentliche Bedeutung für die bankgeschäftlichen Aufgaben kann zum Beispiel am Risiko eines etwaigen Ausfalls der entsprechenden Leistungen festgemacht werden. Hinweise liefern kann ebenfalls die Schutzbedarfseinstufung der Software.
Wann liegt eine Auslagerung vor?
Das bislang einschlägige Kriterium des funktionalen Zusammenhangs schlägt sich auch in der nunmehr von der BaFin für die Beschaffung von IT vorgenommenen Abgrenzung nieder. Diese ist gegeben, soweit es um die
Identifizierung,
Beurteilung,
Steuerung,
Überwachung und
Kommunikation
von Risiken des Instituts oder um Tätigkeiten geht, die für die Durchführung von bankgeschäftlichen Aufgaben von wesentlicher Bedeutung sind.
Problematisch dürfte allerdings die Feststellung werden, unter welchen Voraussetzungen diese Kriterien denn tatsächlich nicht mehr erfüllt wären. Es dürfte bei den beaufsichtigten Instituten nur relativ wenige IT-Beschaffungen geben, die nicht zumindest mittelbar zu den oben aufgeführten Punkten beitragen oder für die Durchführung von bankgeschäftlichen Aufgaben von wesentlicher Bedeutung sind.
Solange hier in der Prüfungspraxis keine (restriktive) Konkretisierung erfolgt, ist davon auszugehen, dass bei IT-Beschaffungen zukünftig relativ schnell das Vorliegen einer Auslagerung seitens der Institute angenommen werden wird und die Verträge entsprechend gestaltet werden müssen.
Die Bedeutung der MaRisk endet allerdings nicht bei der Ergänzung der Vertragstexte, sondern auch beim Aufbau der entsprechenden Prozesse auf Seiten des Softwareanbieters.
Unabhängig von der Einstufung als Auslagerung hat das Finanzinstitut beim Bezug von Software folgende aufsichtsrechtliche Anforderungen zu erfüllen:
Gemäß AT 7.2 TZ 4 sind für jeden Softwarebezug die damit verbundenen Risiken zu bewerten.
Die Verpflichtung zur Risikobewertung ergibt sich auch aus Modul 8 der BAIT.
Anforderungen an Vertragsinhalte
AT 9 TZ. 7 MaRisk enthält einen ausdrücklichen Regelungskatalog von Anforderungen, die bei einer wesentlichen (IT-)Auslagerung einzuhalten sind. Aus der MaRisk lassen sich aber noch weitere Anforderungen ableiten, die bei der Vertragsgestaltung Berücksichtigung finden sollten. Das auslagernde Institut hat das Auslagerungsunternehmen mit der erforderlichen Sorgfalt auszuwählen, die Leistungserbringung umfassend zu spezifizieren und die Leistungserstellung angemessen zu überwachen.
Eine möglichst klare, eindeutige und detaillierte Leistungsbeschreibung gehört zu den Mindestanforderungen an den Auslagerungsvertrag. Gerade hier liegen aber in der Praxis erhebliche Mängel vor.
Des Weiteren sind sollten beispielsweise folgende Anforderungen an den Anbieter in der Gestaltung des Auslagerungsvertrags berücksichtigt werden:
Die Geschäftsprozesse des Anbieters sind so effizient und effektiv ausgestaltet, dass die Leistungserbringung wie vereinbart erbracht werden kann.
Das Personal des Anbieters erfüllt die qualitativen Anforderungen für die Bereitstellung der auszulagernden Leistung.
Das Vergütungssystem entspricht den gesetzlichen Anforderungen.
Durch die Auslagerung können Prozesse qualitativ gleich oder höherwertig im Vergleich zur Inhouse-Lösung abgewickelt werden.
Der Anbieter kann auch individuelle Anliegen und spezifische Prozesse des Instituts berücksichtigen.
Auf Basis von vereinbarten Service-Level-Agreements (SLAs) muss es messbare Qualitätskriterien geben.
Zur Sicherstellung der Überwachung der Auslagerung muss der Anbieter aussagekräftige Reports zur Verfügung stellen.
Der Anbieter verhält sich entsprechend den rechtlichen Vorgaben.
Daneben erfordert die MaRisk die Festlegung angemessener Informations- und Prüfungsrechte: Kritische Themen, die in diesem Zusammenhang regelmäßig diskutiert werden, sind: wer, wann, was in welchem Umfang auf Seiten des Anbieters geprüft werden kann. Nicht selten stehen Informations- und Transparenzanforderungen der Institute und ihrer externen Prüfer sowie der BaFin in einem Spannungsverhältnis zu den Geschäfts- und Sicherheitsinteressen des Anbieters. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Vor-Ort-Kontrollen.
Vorbehalt von Weisungsrechten
Musste sich das auslagernde Institut nach dem Rundschreiben 11/2001 Weisungsrechte stets zwingend vorbehalten, gilt dies nach den MaRisk 2017 (AT 9 TZ. 7 lit. d)) nur noch "soweit erforderlich".
Doch was bedeutet das in der Praxis? Insbesondere: wie sollen Weisungsrechte bei standardisierten Leistungen, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie nicht auf institutsspezifische Besonderheiten abstellen, umgesetzt werden? Eine gewisse Hilfe geben die Erläuterungen der BaFin, wonach auf eine explizite Vereinbarung von Weisungsrechten zugunsten des Instituts verzichtet werden kann, wenn die vom Auslagerungsunternehmen zu erbringende Leistung hinreichend klar im Auslagerungsvertrag spezifiziert ist. Daran fehlt es aber bei standardisierten Leistungen häufig erst recht; die Leistungsbeschreibungen der Anbieter haben vertrieblichen Charakter und sind auch nicht zwingend auf dem aktuellen Stand.
Festlegung der Möglichkeiten und Modalitäten einer Weiterverlagerung
MaRisk spricht zunächst davon, dass über die Möglichkeit und über die Modalitäten einer Weiterverlagerung Regelungen zu treffen sind, die sicherstellen, dass das Institut die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen weiterhin einhält.
Allerdings hat das Thema "Voraussetzungen für eine Weiterverlagerung" in den MaRisk 2017 wieder an Bedeutung zugenommen, was daran deutlich wird, dass mit AT 9 TZ. 8 MaRisk ein neuer Regelungsabsatz in die MaRisk 2017 aufgenommen wurde, der ausschließlich das Thema Weiterverlagerung zum Gegenstand hat:
"Mit Blick auf Weiterverlagerungen sind möglichst Zustimmungsvorbehalte des auslagernden Instituts oder konkrete Voraussetzungen, wann Weiterverlagerungen einzelner Arbeits- und Prozessschritte möglich sind, im Auslagerungsvertrag zu vereinbaren.
Zumindest ist vertraglich sicherzustellen, dass die Vereinbarungen des Auslagerungsunternehmens mit Subunternehmen im Einklang mit den vertraglichen Vereinbarungen des originären Auslagerungsvertrags stehen. Ferner haben die vertraglichen Anforderungen bei Weiterverlagerungen auch eine Informationspflicht des Auslagerungsunternehmens an das auslagernde Institut zu umfassen. Das Auslagerungsunternehmen bleibt im Falle einer Weiterverlagerung auf ein Subunternehmen weiterhin gegenüber dem auslagernden Institut berichtspflichtig."
Die Aufnahme eines gesonderten Regelungsabsatzes zu Weiterverlagerungen in die MaRisk lässt erahnen, dass diesem Thema zukünftig erneut eine große Aufmerksamkeit bei der Vertragsgestaltung zukommen wird. Im Hinblick auf zum Teil hochgradig arbeitsteilige Prozesse, in die zum Beispiel in Verbindung mit Cloud-Leistungen typischerweise mehrere Dienstleister eingebunden sind, wird die Umsetzung der BaFin-Anforderungen eine besondere Herausforderung darstellen.
Die MaRisk fordern in AT 9 Tz. 6 auch die Vorbereitung des Instituts auf eine erwartete (beabsichtigte) oder vorzeitige (unerwartete) Beendigung der Auslagerung, um eine reibungslose Geschäftsfortführung zu sichern. Dabei ist es unerheblich, ob die ausgelagerte Tätigkeit anschließend wieder in das Institut eingegliedert oder anderer Anbieter mit der Übernahme der ausgelagerten Aktivität beauftragt wird.
Hier ist durch geeignete vertragliche Regelungen mit dem Anbieter (Unterstützungsleistungen, Übergangsfrist) seitens des Instituts sicherzustellen, dass der ausgelagerte Bereich nach planmäßiger Beendigung des Auslagerungsverhältnisses ohne größere Schwierigkeiten entweder wieder in das Institut aufgenommen oder auf einen anderen Anbieter übertragen werden kann (Verpflichtung für eine geordnete Überleitung der ausgelagerten Prozesse an eine geeignete Nachfolgeeinrichtung). Im Fall, dass die Auslagerung an einen anderen Anbieter übergeben wird, kann der neue Anbieter mit der Überführung der Leistungserbringung und damit verbundener Ressourcen beauftragt werden.
Anforderungen aus den BAIT
Die BAIT ergänzen die Mindestanforderungen der MaRisk. Die BAIT gelten in einer Gesamtschau mit der MaRisk, soweit die BAIT auf dezidierte Textziffern der MaRisk verweisen.
Die bislang nur groben Anforderungen an IT-Projekte und Anwendungsentwicklung haben in den BAIT eine sehr detaillierte Ausgestaltung erfahren. Jede außerhalb der IT entwickelte Anwendung - so genannte IDVs - unterliegt den BAIT und muss somit, wie auch in der IT, abhängig von ihrer Risikoeinschätzung, die vom Institut vorzugebenden Standards erfüllen. Dazu gehört die Dokumentation von fachlichen und technischen Anforderungen sowie die Einhaltung von Entwicklungs-, Rollout- und Betriebsprozessen.
Im Bereich derAuslagerungen sehen die Vorgaben mehr Kontrolle über Anbieter und die zu erbringenden Leistungen vor. Daraus abgeleitet muss eine Steuerung der Auslagerungen anhand eines vollständigen Vertragsportfolios erfolgen - denn die Anforderungen sind unabhängig davon, ob die IT-Leistungen intern oder extern erbracht werden. Dazu zählen auch regelmäßige Risikoüberprüfungen und die Ableitung von Maßnahmen, die gemeinsam mit dem Dienstleister zu vereinbaren und durchzuführen sind.
Die BAIT befassen sich in insgesamt 14 Gliederungsziffern mit diesen Anforderungen, insbesondere mit:
der Steuerung und Überwachung von Projekten durch das Institut;
die Identifizierung und Berichterstattung von Projektrisiken gegenüber der Geschäftsleitung;
die Festlegung von Prozessen, die Vorgaben zur Anforderungsermittlung, zum Entwicklungsziel, zur (technischen) Umsetzung (einschließlich Programmierrichtlinien), zur Qualitätssicherung, sowie zu Test, Abnahme und Freigabe enthalten;
das Treffen angemessener Vorkehrungen vor und nach der Produktivsetzung im Hinblick auf verschiedenste Anforderungen und Risiken;
Dokumentationsanforderungen.
Diese Anforderungen müssen in Projekt- und auch in Pflegeverträgen mit den Anbieter abgebildet werden, wobei daraus auch ein Spannungsverhältnis mit der von Auftraggebern üblicherweise favorisierten Erfolgsverantwortung des Anbieters entstehen können.
Lesetipp: 5. Novelle der MaRisk und BAIT - Neue Herausforderungen bei Outsourcing-Verträgen