Heute sind die Unternehmen nicht nur von der IT abhängig - sie können ohne sie überhaupt nicht am Wettbewerb teilnehmen. IT ist in die Produkte integriert, sie zieht wertvolle Informationen aus den Kundendaten, und sie ist die treibende Kraft hinter dem Online-Shopping. Dieser Trend verstärkt sich in dem Maße, wie die Digitalisierung voranschreitet.
Damit wächst auch der Druck auf die IT-Organisationen. In den kommenden sieben Jahren werden zwei Drittel der Unternehmen mehr Geld in IT investieren - und zwar in allen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette, vor allem aber im Vertrieb und in der Interaktion mit dem Kunden. Die gute Nachricht: Die IT bekommt ein größeres Stück vom Budget-Kuchen. Die schlechte: Auf der anderen Seite steigen die Erwartungen. Und die kleinste Fehlkalkulation in Sachen IT-Priorisierung bedeutet ein hohes Risiko für das gesamte Unternehmen.
Um diesem Druck standzuhalten, werden sich die besten IT-Organisationen mehr denn um gute Beziehungen zum Business kümmern müssen. Das ist keine leichte Aufgabe, denn Business-versierte IT-Experten sind noch rarer als andere Personalressourcen im IT-Bereich.
Die künftigen Herausforderungen an die IT bewegen sich grundsätzlich im Spannungsfeld von Supply und Demand. Fortschrittliche Unternehmen werden langfristiges Wachstum anstreben, indem sie ein Gleichgewicht zwischen den IT-Kosten und dem IT-Wert herstellen.
Demand: Die Business-Rolle der IT
Bis 2020 werden die Anforderungen an die IT ständig zunehmen. Fast 85 Prozent der von A.T. Kearney befragten Manager äußerten diese Ansicht. Und fast ebenso viele (75 Prozent) sehen steigenden Zeitdruck für IT-Projekte voraus, ausgelöst durch die Notwendigkeit einer kurzen Time-to-Market. Wie schnell ein IT-Vorhaben "zum Fliegen" kommt, wird quasi der Gradmesser für die Leistungsfähigkeit des gesamten IT-Bereichs.
Vertriebsanwendungen und Kunden-getriebene Applikationen werden den Großteil der IT-Investitionen abbekommen, sagen 61 Prozent der befragten CIOs. Aber nicht mehr die Prozessverbesserung und die Automatisierung stehen im Scheinwerferlicht; die Schlüsselfunktionen sind der Aufbau von Kundenbeziehungen durch personalisierte Marketing-Kampagnen, die Datenanalyse und die Online-Bestellsysteme.
Um zu verstehen, wie die IT dem Business helfen kann, stelle man sich beispielsweise einen mit rückläufigen Umsätzen konfrontierten Automobilproduzenten vor: Er möchte potenzielle Kunden ansprechen, indem er ihnen maßgeschneiderte Angebote macht. Ein augenfälliger Weg dorthin ist die Nutzung der zahlreichen Kundendaten, die über die In-Car-Informationssysteme in das Unternehmen zurückfließen.
Umgesetzt werden soll diese Idee in Form einer Social-Marketing-Suite, die Daten aus dem internen CRM-System mit denen aus einem externen Social Network verbinde. Auf diese Weise, so die Hoffnung des Autobauers, lassen sich Vertriebs- und Marketing-Aktionen auf bestimmte Kundengruppen und ihre bevorzugten Kanäle zuspitzen.
Der Effekt dieses IT-Ansatzes ist schnell zu erkennen: Der Kunde erhält mehr Aufmerksamkeit und der Anbieter höhere Antwortraten. Ein solches Szenario lässt auch leicht auf Versorgungs- und Telekommunikations-Unternehmen sowie die Finanzindustrie anpassen.
Der CIO hat einen "Sitz am Tisch"
In den beiden letztgenannten Branchen spielt die IT eine besonders große Rolle, während sie woanders derzeit nur eine Support-Funktion hat. Das spiegelt sich auch in der Häufigkeit wider, mit der der CIO einen Sitz im Vorstand hat: In Banken und Versicherungen ist es schon gang und gäbe.
In der näheren Zukunft wird sich dieser Trend sogar noch verstärken. A.T. Kearney fragte die Studienteilnehmer, ob sie einen IT-Vorstand für sinnvoll halten. Fast 45 Prozent äußerten sich positiv, dass spätestens 2020 die IT ein eigenes Vorstandsressort haben werde.
Allerdings weist dieser Wert eine große Streuung auf: Im der Finanzindustrie und im Bereich Telco, Hightech und Medien liegt er bei der Hälfte der teilnehmenden Unternehmen, in den Versorgungsunternehmen beträgt er nicht einmal ein Drittel.
Die IT-Budgets wachsen überall
Zwar unterliegen die IT-Budgets einem generellen Kostendruck, aber die Unternehmen haben wohl eingesehen, dass sie ohne Investitionen keinen Wertbeitrag bekommen. Die Teilnehmer an der AT-Kearney-Studie gehen durchweg davon aus, dass die IT-Budgets in den kommenden sieben Jahren zunehmen - im Durchschnitt um insgesamt 30 Prozent.
Hier tut sich vor allem die Maschinenbaubranche hervor, zu der auch die Automobilhersteller und die Produzenten von Wehrtechnik zählen. Ein Grund für die besonders hohe Budgetsteigerung ist sicher die produktimmanente Informationstechnik, die in dieser Branche bereits einen hohen Stellenwert hat.
Überraschend hoch ist die prognostizierte Steigerung im Handel ; hier gibt es offenbar großen Nachholbedarf. In den Branchen, wo die IT längst ein Kernbestandteil des Unternehmens ist, beispielsweise bei den Finanzdienstleistern und in der Hightech-Industrie, wachsen die Budgets hingegen langsamer.
Wie A.T. Kearney prognostiziert, werden die Banken ihre Architekturen überarbeiten, so dass sie weniger komplex und besser an das Business angepasst sind. Auf diese Weise ließen sich leichter neue Produkte und Services entwickeln. Darüber hinaus sei den Banken daran gelegen, die Kundenerfahrung zu verbessern, indem sie die unterschiedlichen Kanäle und die darüber erzeugten Daten besser integrierten und nutzten.
Supply: Drei große Veränderungen
Vor allem in dreierlei Hinsicht wird sich die IT in sieben Jahren von der heute üblichen unterscheiden, so A.T. Kearney:
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Zum einen wird die IT wesentlich weniger komplex sein - dank standardisierter Softwarepakete und weniger kundenspezifischer Lösungen.
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Zum anderen werden die operativen Bereiche schlanker, weil sich Outsourcing und Offshoring zum Normalfall entwickeln.
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Last, but not least wird die Lücke zwischen erforderlichem und vorhandenem Know-how immer breiter, so dass Business-affine IT-Experten auch noch im fortgeschrittenen Alter einspringen werden.
Eine zu komplexe IT verhindert, dass die IT ihre PS auf die Straße bringt. Zudem macht sie es schwieriger und kostspielige, die Anwendungen funktional zu ergänzen oder an veränderte Regularien anzupassen. Doch trotz der Bemühungen, die IT-Landschaften zu konsolidieren und zu vereinfachen, wird die Zahl der IT-Anwendungen bis 2020 weiter zunehmen. Das jedenfalls sagten 84 Prozent der Befragten. Wachsen wird auch die Anzahl der Schnittstellen, weil immer mehr mobile Endgeräte in die Umgebungen einbezogen werden.
Standardlösungen sollen dafür sorgen, dass die IT dadurch weder teurer noch langsamer wird. Mehr als die Hälfte der notwendigen Funktionalität wird sich 2020 durch Standards abdecken lassen, prognostizieren rund vier Fünftel der befragten CIOs.
Viele Unternehmen mühen sich aber nach wie vor mit wenig standardisierten, komplexen Anwendungen ab. Diese Applikationen verschlingen immer mehr Entwicklungs- und Betriebskosten. Auf der anderen Seite belasten sie die Performance der IT generell.
Konsolidierungsprojekte sind aber teuer, vor allem, wenn es darum geht, eine Menge unterschiedlicher Schnittstellen zu bedienen. Gibt es für diese Funktionen Standardsoftware, so ist es eine Überlegung wert, ob man nicht lieber die alte Anwendung durch eine neue ersetzen sollte. Wer "auf der grünen Wiese" ganz neu beginnt, kann den Softwareanbieter für Entwicklung und Maintenance in die Pflicht nehmen.
Inseln der Spezialisierung
Konsolidieren und Aufstocken sind nicht mehr die Universalantwort auf die Frage: Wie kriegt die IT den steigenden Bedarf in den Griff? Tatsächlich gehen fast 60 Prozent der befragten IT-Chefs den entgegengesetzten Weg: Sie bauen unabhängige "Inseln der Spezialisierung". Damit hoffen sie, die Nachfrage schneller und effektiver befriedigen zu können.
Ein Beispiel dafür ist die Transformation, welche die Digitalisierung der Medienbranche aufgezwungen hat. Jahrelang war das beherrschende Thema für die IT, die Produktionsprozesse zu verbessern und kosteneffektiver zu machen. Im Zeitalter der Content-Konvergenz und Veröffentlichung auf unterschiedlichen Kanälen braucht die IT ganz andere Fähigkeiten: Kurz gesagt, sind Agilität, Flexibilität und Time-to-Market die entscheidenden Kriterien, um im digitalen Medienmarkt wettbewerbsfähig zu sein.
Outsourcing: Von Asien nach Osteuropa
Alle Unternehmen werden 2020 stärker als heute von externen IT-Dienstleistungen Gebrauch machen. Dabei verschiebt sich der Fokus wegen der steigenden Kosten und der Zeitzonen-Differenzen von Asien allmählich nach Osteuropa. Diesen "Mini-Trend" beobachtet A.T. Kearney derzeit.
Die Unternehmen im angelsächsischen Sprachraum haben weniger kulturelle Unterschiede zu überwinden und sind deshalb dem Offshoring gegenüber aufgeschlossener als beispielsweise deutsche Betriebe, wo Sprachbarrieren immer noch als eine Herausforderung gelten. Nichtsdestoweniger wird auch im EMEA-Raum das Offshoring zunehmen, so hat A.T. Kearney in seiner Studie festgestellt.
Angesichts der Vielzahl von Anforderungen aus dem Business muss die IT das operationale Risiko verringern. Eine Möglichkeit ist die Auslagerung großer Teile der IT-Services an "Mega-Supplier" wie SAP oder Accenture. Sevice-Level-Agreements (SLAs) definieren die zu erbringende Leistung und die Anreize beziehungsweise Pönalen, die mit der (Nicht-)Erfüllung des Vertrags verbunden sind.
60.000 unbesetzte IT-Stellen in Deutschland
Leute, die sowohl die IT als auch das Business verstehen, sind dünn gesät - und wachsen auch keineswegs auf den Bäumen, um im Bild zu bleiben. Diese Know-how-Lücke gilt es zu schließen, damit die Bemühungen um Geschäftsentwicklung und Time-to-Market nicht ins Leere laufen.
Besonders gravierend ist der Mangel an qualifiziertem Personal laut A.T. Kearney in Frankreich und Deutschland. Hierzulande würden 2020 rund 60.000 IT-Stellen unbesetzt bleiben. Es sei denn, den Unternehmen gelänge es, weit stärker als heute IT-Leute mit Verständnis für das Geschäft anzuziehen beziehungsweise auszubilden. (mhr)