Vor rund einem Jahr startete die Media Saturn Holding (MSH) mit der Eröffnung des Onlineshops Saturn.de den Wiedereinstieg in den E-Commerce. Der Retail-Konzern sprach damals von „einem der größten strategischen Umbrüche in der Unternehmensgeschichte: dem Wandel vom stationären zum Multichannel-Anbieter“. Große Worte – und noch dazu aus dem Mund der größten Elektronikkette Europas. Dass es danach zu skeptischen Reaktionen kommen musste, war somit vorprogrammiert. Zumal Media-Saturn mit der Einstellung des Onlineshops MediaOnline 2007 über alles andere als einen lupenreinen Leistungsausweis in Sachen E-Commerce verfügte. Doch ist die Online-Strategie der MSH wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Nach 12 Monaten Rückkehr in den E-Commerce bietet sich hier die Möglichkeit für eine erste Zwischenbilanz.
Interview-Fragen zu dem Thema wollte man in der MSH-Zentrale in Ingolstadt einmal mehr nicht beantworten. Doch immerhin versorgte eine Unternehmenssprecherin ChannelPartner mit ausführlichen Statements, die nahelegen dass an deren Formulierung auch E-Commerce-Verantwortliche des Unternehmens mitwirkten. Die Antworten geben einen guten Eindruck von der Online-Strategie von Media-Saturn. Hier die wichtigsten Eckpunkte:
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Die nur mit einem recht schmalen Produktsortiment gestarteten Onlineshops Saturn.de und Mediamarkt.de verfügen inzwischen über ein Angebot von jeweils rund 6.000 Artikeln und sollen weiter ausgebaut werden: „Das Onlineangebot beider Vertriebslinien soll in Kürze bereits jeweils rund 10.000 Artikel umfassen. Perspektivisch werden wir online ein komplettes Sortiment abdecken.“
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Mit dem Online-Sortiment ist erstmals ein für alle Media Markt- und Saturn-Standorte einheitliches Grundangebot entstanden, mit den Online-Preisen als verbindliche Preisobergenze: „Um für den Kunden Transparenz zu gewährleisten, sind die Preise der wichtigsten Produkte, die sowohl online als auch im Markt erhältlich sind, identisch. Jeder Geschäftsführer hat aber darüber hinaus die Möglichkeit, diese Preise entsprechend nach unten anzupassen, sofern es der lokale Wettbewerb erfordert.“
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Die MSH betrachtet die Onlineshops Mediamarkt.de und Saturn.de als nur einen Bestandteil eines wesentlich breiter angelegten Online-Portfolios: Weiter zählen dazu die übernommenen reinen Onlinehändler Redcoon und 003.ru, die E-Commerce-Angebote von Media Markt und Saturn für mobile Endgeräte, die besucherstarken Facebook-Seiten des Retailers, das Re-Commerce-Geschäft mit der Konzernbeteiligung Flip4New sowie die Kooperation einer Reihe von Märkten mit eBay.
Vieles auf den Weg gebracht - aber wo bleiben die Umsätze?
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Betrachtet man das recht ausgefeilte Mobile-Angebot von Media Markt und Saturn, erhält man leicht den Eindruck, der Online-Spätstarter MSH will sich als Mobile-Vorreiter profilieren. In der MSH-Zentrale dementiert man diese Sichtweise nicht: „Der Mobile Shop ist ein weiterer sehr wichtiger Teil unserer Multichannel-Strategie, der den Onlineshop und die Märkte noch enger zusammenbringt. Gerade beim Shopping von unterwegs über das Smartphone sind Angebote wie die Pick-Up Möglichkeit, die uns von anderen Anbietern unterscheidet, besonders attraktiv. Wir nehmen hier eine Vorreiterrolle ein.“
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Während man sich hierzulande vor allem auf die deutschen Onlineshops der MSH fokussiert, betrachtet der Retailer das E-Commerce-Geschäft als konzernweite Aufgabe: „Wir treiben den Rollout der Onlineshops in allen Ländern, in denen Media Markt und/oder Saturn vertreten sind, konsequent voran.“
Lässt man sich auf diese über die Media Markt-/Saturn-Webshops herausgehende Perspektive ein, muss man zugestehen, dass Media-Saturn in den vergangenen 12 Monaten einiges auf den Weg gebracht hat. Dabei macht der vielgleisige Ansatz durchaus Sinn: Denn im Jahr 2012 mit neu gestarteten Onlineshops gegen Amazon und Co. aufholen zu wollen, ist ein wesentlich chancenloseres Unterfangen als z.B. die Idee, sich jetzt in dem bald deutlich an Fahrt aufnehmenden Mobile-Geschäft eine gute Startposition zu sichern. Nicht verkehrt ist auch, dass Media-Saturn seine Online-Strategie zumindest teilweise von Kunden her denkt: „Wir tragen dem veränderten Kundenverhalten Rechnung“, erklärt MSH in dem Statement, denn „diese wollen – je nach individuellen Gewohnheiten und Stimmung - sowohl online, als auch im Markt einkaufen oder beide Shoppingmöglichkeiten miteinander kombinieren.“
Trotzdem liegt bei Media-Saturn online auch noch einiges im Argen – vor allem umsatzseitig: Ein Umsatzziel von 5 Milliarden Euro bis 2015 hatte MSH-COO Pieter Haas für das Online-Geschäft vorgegeben. Bei einem Jahresumsatz von zuletzt 20,6 Milliarden Euro in 2011 würde das einem Prozentanteil von 25 Prozent entsprechen. Aktuell liegt das E-Commerce-Geschäft des Retailers allerdings erst bei 3,6 Prozent. Gegenüber ChannelPartner ruderte Media-Saturn nun auch merklich zurück: „Ein Online-Anteil von 10 Prozent ist ein realistisches Ziel“, so die Unternehmenssprecherin. Langfristig wolle MSH im Onlinehandel allerdings weiterhin den gleichen Marktanteil erzielen, wie im stationären Handel.
Die Online-Umsatzproblematik betrifft nicht nur die noch recht jungen Shops Mediamarkt.de und Saturn.de, auch der 2011 übernommene Elektronikversender Redcoon zeigt sich seit der Übernahme auffällig wachstumsschwach. Ähnlich wie Redcoon-Chef Reiner Heckel will man auch in der MSH-Zentrale in Ingolstadt darin kein strategisches Problem sehen, sondern geht davon aus, den Onlinehändler mit einer Reihe von praktischen Maßnahmen wieder auf den Wachstumskurs zurückzuführen: „In den vergangenen Monaten haben wir bereits viele Herausforderungen gemeistert: Wir konnten mit der Eröffnung des neuen, hochmodernen Logistikzentrums in Erfurt zentrale Fragen in der Logistik klären, und auch die Bekanntheit von Redcoon wird mit der Kampagne, die am 12. November startet, enorm wachsen. Auch beim Thema Warenbeschaffung sind wir auf einem sehr guten Weg.“ Ob es so einfach wird? (mh)