Neues Betriebssystem

iPad Pro 10,5 Zoll mit iOS 11 im Praxiseinsatz

10.07.2017 von Bastian Gruber
Die diesjährige WWDC machte deutlich, welche Software Apple dominiert. Das Mac-Betriebssystem rangiert dabei nur noch gleichauf mit tvOS und watchOS, und der Sieger mit den größten Veränderungen und zugeteilten Ressourcen ist iOS.

Version 11 will dabei vor allem das iPad zu einer mobilen Produktionsmaschine aufwerten, bringt aber auch für das iPhone einige Neuerungen. Wir haben Apples neuestes mobiles Betriebssystem einem Praxistest unterzogen um heraus zu finden, ob das iPad Pro mit iOS 11 schon als Ersatz für das Macbook (Pro) mit macOS ist und für wen.

Multitasking à la macOS

Die wichtigste Neuerung ist dabei die neue Multitasking-Ansicht auf dem iPad. Eine Ein-Finger-Wischgeste von unten nach oben lässt alle offenen Apps als Fenster nebeneinander sehen. Zusätzlich erscheinen das neue Dock und das verbesserte Kontrollzentrum. Mit dieser Geste gelangt der Nutzer somit gefühlt in ein Cockpit, von dem er alle Geschehnisse überblicken und steuern kann.

Auch unter iOS hat sich die Ansicht etwas verändert. Ein doppeltes Drücken der Home-Taste lässt alle offenen Anwendungen in einem Art Fächer erscheinen. Neu ist hier das Fehlen des Startbildschirm als Teil der Anwendungen. Schließt der Nutzer also alle offenen Anwendungen, bleibt ein verschwommener, leerer Bildschirm übrig. Anstatt also wie sonst üblich auf den Startbildschirm zu drücken um wieder zurück zu gelangen, muss man erneut die Home-Taste drücken.

Von macOS bekannt, und mit dem Kontrollzentrum an der Seite angereichert ist die neue Mutlitasking-Ansicht unter iOS 11.

Auf dem iPhone fühlt sich die neue Ansicht hier etwas ungewohnt und umständlich an. Wer weiß, ob Apple die Handhabung nach den ersten Rückmeldungen der Entwickler noch ändert, oder es nur Zeit braucht, sich an die neue Benutzerführung zu gewöhnen. Das iPad Pro 10,5 jedoch strahlt mit der neuen Ansicht in neuem Glanz. Ein guter Grund, warum uns das Zurückgehen zu iOS 10 so schwer macht, ist genau diese Ansicht.

Das gesamte Kontrollzentrum wird neben dem Dock und aller offenen Fenstern angezeigt, und das ohne eine Taste drücken zu müssen. Die Handhabung fühlt sich federleicht an und so als ob es schon immer da gewesen wäre.

Neue App-Dateien

Ein weiterer Faktor, der zum Erfolg des iPad Pro beitragen könnte, ist die Dateien-App. Zwar existiert diese auch auf dem iPhone, dennoch dürften viele Nutzer vor dem iPad als Macbook-Ersatz zurückschrecken, da es keine gewohnte Dateihandhabung bietet. Apple ändert dies nun und bietet zu diesem Zweck eine App an, mit der sich die Dokumente in der iCloud und auch lokale Dateien anzeigen lassen. Der Nutzer kann auch Dienste wie Dropbox einbinden, und hat somit wie beim Finder unter macOS alle Dateien unter einem Ort.

Die neue Dateien App kann Dienste wie Dropbox einbinden, und kann die Liste der Dateien als Symbol- oder Listenansicht anzeigen. Auch Drag-and-drop ist hier möglich.

Steve Jobs' Vision von iOS war noch, dass sich der Nutzer nicht mit dem Dateisystem auseinander setzen muss, da dies das größte Problem bei Computer-Neulingen darstelle. Er wollte jede mobile Anwendung wie ein E-Mail Programm handhaben lassen, dass diese also selbst die eigenen Dateien verwaltet, ohne dass der Anwender wissen müsste, wo genau diese liegen.

Mit dieser Mentalität bricht Apple jetzt, und bewegt such damit auf professionelle Nutzer zu. Und tatsächlich, das Gefühl ein iPad (oder iPhone) zu verwenden, und gleichzeitig auf eine ausgereifte App mit Dateiverwaltung zurück zu greifen, lässt den Mac doch öfter geschlossen. Schade finden wir hierbei, dass eine große Möglichkeit verschenkt wurde, das mobile Arbeiten neu zu denken.

Das Dock

Neu auf dem iPad ist auch das erweiterte Dock mit bis zu dreizehn Apps. Hier kann der Nutzer häufig genutzte Apps platzieren, um diese so in jeder Ansicht leichter erreichen zu können. Eine Ein-Finger-Geste vom unteren Bildschirmrand nach oben lässt das Dock erscheinen. Dieses ist durch einen Strich zweigeteilt. Auf der linken Seite befinden sich die Nutzer-Apps, rechts davon von iOS vorgeschlagene Anwendungen.

Die vorgeschlagenen Anwendungen ändern sich hierbei je nach Tageszeit und Benutzung. Apples iOS lernt also mit der Zeit die Gewohnheiten des Nutzers, und platziert anschließend Anwendungen im Dock, bei denen es denkt, dass der Nutzer sie bald benötigen könnte. Nach einer circa einwöchigen Nutzung ist die Funktion nett, einen richtigen Mehrwert konnten wir aber noch nicht erkennen, da unsere Favoriten sowieso im festen Teil des Docks platziert sind.

Drag-and-Drop

Für Mac-Nutzer nichts Neues: Durch Halten und Ziehen von Dateien können diese durch Ordnerstrukturen gezogen und platziert werden. Dieser Mechanismus ist fast so alt wie der Computer selbst. macOS hat diesen Mechanismus noch einmal verbessert, und erlaubt das Öffnen von Ordnern, während Dateien am Mauszeiger kleben.

Nach dem Halten und Ziehen der ersten Datei lassen sich weitere mit einem einfachen Tippen zum Stapel hinzufügen.

Und jetzt endlich hat auch iOS gelernt, was mit Drag-and-Drop gemeint ist. Befindet sich der Nutzer beispielsweise in der Dateien-Anwendung, so kann eine Datei hoch und runter und in andere Ordner gezogen werden. Hier hört es jedoch nicht auf. Denn sobald man eine Datei zieht, können andere mit einem einfachen Tippen dem Stapel hinzugefügt werden. So kann der Nutzer einfach mehrere Dateien markieren und in eine gewünschte Stelle schieben.

Mit iOS 11 lassen sich in der geteilten Ansicht Links, Bilder und Texte von der einen in die andere Anwendung ziehen.

Doch iOS 11 kann noch mehr. Sind zwei Anwendungen nebeneinander platziert, so lassen sich Bilder, Texte und Links ganz einfach in die andere Anwendung daneben ziehen. Was zuerst klein klingen mag, erleichtert das Arbeiten ungemein, und fühlt sich wesentlich produktiver an als unter macOS.

Bildschirmfotos und Markieren von PDFs

Schon mit macOS hat Apple das Aufnehmen von Bildschirmfotos revolutioniert. Anstatt wie unter Windows das Bild in der Zwischenablage zu kopieren, und anschließend eine Anwendung zu suchen, in welche man dieses Bild einfügen kann, speicherte Apple das Foto direkt als Bild auf dem Desktop ab.

Unter iOS war ist bis jetzt genauso. Der Screenshot landet in der Fotos-App und kann von dort aus weiter bearbeitet werden. Oder müllt einfach die eigene Foto-Mediathek weiter zu. iOS 11 ändert dies jetzt: Nach dem Aufnehmen eines Bildschirmfotos erscheint dieses als kleines Symbol am linken unteren Bildrand. Ein Antippen öffnet das Foto in einer speziellen Ansicht, welches das Markieren und Bearbeiten der Datei zulässt.

Bildschirmfotos lassen sich nach dem Erstellen in einer neuen Darstellung bearbeiten, teilen und anschließend sofort löschen oder speichern.

Das ist einfach und schlicht sensationell gelöst. Auch kann man das Foto nach dem Bearbeiten und Versenden sofort löschen. Vor allem auf dem iPad unter Einsatz des Apple Pencils ist dieser Arbeitsablauf eine wahre Freude.

Das Markieren hört aber nicht bei Bildschirmfotos auf. Jede Webseite kann unter Safari jetzt als PDF abgespeichert und in dieser speziellen Markierungsansicht aufgerufen werden. Inhalte von Webseiten können so leichter mit Freuden und Kollegen geteilt werden. Dieser Mechanismus fühlt sich sehr nach Apple an, und funktioniert ausgesprochen gut.

Automatisches Einrichten

Um ohne Macbook (Pro) zu leben, ist es für iOS-Geräte wichtig, selbstständig zu sein. Das wird mit iOS 11 wieder einen weiteren Schritt besser, nachdem Apple bereits vor sechs Jahren mit iOS 5 den Zwang zur Kabelverbindung mit iTunes gelöst hat. Denn ist sowohl auf iPhone und iPad iOS 11 installiert, können diese Geräte sich gegenseitig einrichten. Informationen wie Apple ID und das WLAN Passwort werden somit kabellos zwischen beiden Geräten geteilt. Kurz nach dem Kauf des iPads erscheint das bekannte Einrichtungsszenario. Wie unter tvOS oder der Apple Watch bekannt kann das iPad jetzt auch Dateien von einem iPhone oder anderem iPad empfangen.

Neue iOS-Geräte lassen sich in Zukunft einfach mit schon vorhandenen Koppeln, um so die AppleID mitsamt Informationen auszutauschen. Ein einfaches Scannen eines QR-Codes auf dem jeweiligen Gerät genügt.

Dazu erscheint automatisch ein Fenster auf dem iOS-Gerät, das neben dem iPad platziert wird. Nach dem Scannen eines Codes und Eingeben des Passwortes übermittelt das iOS-Gerät alle Daten zum iPad. Einrichten neuer Geräte wird somit ein Kinderspiel, und vermittelt vor allem das Gefühl erweiterter Selbständigkeit von iOS 11.

Fazit

Es sind die kleinen Dinge, die iOS endlich rund erscheinen lassen. Das automatische Einrichten beschert dem Nutzer nun endgültig das Gefühl, ein eigenständiges Gerät zu haben, welches keinen stationären Computer mehr benötigt. Die neue Multitasking-Ansicht auf dem iPad mitsamt dem Dock und der Dateien-App lässt es wie ein neumodisches macOS erscheinen.

Die Frage ist allerdings, wo Apple hin will. Microsoft platziert sich mit dem Surface klar in der 2-in-1 Schiene und bietet Windows auch für Tablets an. Je mehr Funktionen von macOS auf iOS transferiert werden, desto häufiger fragt man sich: Warum soll ich dann nicht gleich einen kleinen Mac kaufen? Steve Jobs hatte noch eine klare Vorstellung von dem, was mobile Endgeräte von Macs unterscheidet. Apple scheint dies immer weiter aufzuweichen.

iOS fühlt sich aber auch so gut an, weil Apples Hardware einfach eine Klasse für sich sind. Ein iPad zum Konsumieren, und anschließend darauf zu Arbeiten macht bei täglichen Anwendungen wie Photo-Bearbeitung, ToDo-Listen erstellen und abhaken, E-Mail-Abarbeitung und Notizen-Erstellung wesentlich mehr Spaß als auf einem Mac. Das Verfassen von längeren Texten jedoch führt an schon an eine Grenze, selbst mit der Apple-Tastatur.

Besitzen Sie also ein iOS-Gerät, bringt die Version 11 ohne jegliche Frage einen unglaublichen Schub nach vorne. Das System macht Spaß und verbessert wirklich an allen Ecken und Enden das Benutzererlebnis. Man darf gespannt sein, was sich Apple langfristig plant, ob etwa iOS die Richtung zu einem mobilen macOS einschlägt oder wo Entwickler und Produktmanager die Grenzen ziehen. (Macwelt)