Einmal im Jahr gewähren namhafte Experten im Rahmen der zweitägigen Konferenz LiveWorx in Präsentationen und Podiumsdiskussionen einen profunden Einblick im Bezug auf innovative Geschäftsmodelle und ebenso auf die neuesten Ansätze im Bereich Technik. Mit dieser umfassenden Ausrichtung und dem hohen Grad an Aktualität wird die Veranstaltung inhaltlich den unterschiedlichen Ansprüchen der Teilnehmer gerecht. So stand auf der diesjährigen LiveWorx-Veranstaltung die Transformation in eine neue Realität inklusive der ersten Schritte dorthin im Fokus.
Einen globalen Ausblick darüber, wie sich die Welt in den nächsten Jahren ändert gab James E. Heppelmann, President and Chief Executive Officer (CEO) von PTC: Zukünftig werden Unternehmen mit intelligenten Produkt- und entsprechenden Serviceangeboten den Wettbewerb (neu) gestalten. Real eröffnen sich Optionen letztendlich unter anderem dadurch, dass zukünftig für Unternehmen die klare Trennung zwischen physischer und digitaler Welt nicht mehr existiert.
Die faktische Dimension dieser Aussage erschließt sich durch den Blick zurück: Lange Zeit wurden Ideen aus der digitalen Welt in die physische übertragen, aber nicht umgekehrt. Ganz profan kann dies an einem einfachen Beispiel illustriert werden - heute müssen Kunden immer noch eine Garantiekarte ausfüllen, wenn sie ein neues Produkt kaufen und für den Fall der Reklamation dieses dann einschicken lassen. Dass dies auch in Zukunft noch Bestand hat, davon geht Heppelmann nicht aus: die Produkte werden mit Intelligenz ausgestattet - unter anderem Sensorik, die dem Unternehmen ermöglicht, den Lebenszyklus zu überwachen und auch initiativ im Sinne der Kunden zu agieren.
Durch die Kooperation mit ServiceMax ist der Grundstein für die Umsetzung in Richtung proaktiver Kundenbetreuung gelegt worden - die Plattform von ThingWorx bietet die Basis dafür, dass umfangreiche Serviceangebote in Richtung Kundendienst-Orientierung abrufbar sind.
Big Data als Treiber
Doch durch die Fähigkeit Informationen erfassen und auswerten zu können eröffnen sich weitere Anwendungsfelder: Als Beispiel sei hier ein Projekt in den USA zum Training des ressourcen-schonenden Fahrverhaltens von Zugführern aufgezeigt. In der Umsetzung sieht dies so aus, dass mittels Sensoren unter anderem identifiziert wurde, wann - unter dem Aspekt der Energieeffizienz - der optimale Zeitpunkt für einen Bremsvorgang ist. Diese Informationen konnten dann jeweils unverzüglich - für den direkten Lernerfolg - zur Verfügung gestellt werden.
Ein Beispiel dafür, wie bereits existierende Produkte auf Basis der Plattform von ThingWorx mit Intelligenz versehen, oder mit anderen Worten smart werden können ist der "Digital Twin". Das Modell des "Digital Twin" beruht im Prinzip darauf, dass sich von einem realen Gegenstand - aktuell ein Fahrrad der Marke "Santa Cruz" - ein digitales Abbild erschaffen lässt. Initiiert wird dieses, indem zunächst die vollständigen Informationen über das Fahrrad unter Einsatz der ThingWorx-Plattform erhoben und analysiert werden. Essentiell für den weiteren Prozess ist dann, dass zwischen beiden eine permanente Verbindung besteht.
Das lässt sich über Augmented Reality und entsprechende Sensorik realisieren - denn diese Technologien ermöglichen, kontinuierlich mit dem (realen) Fahrrad zu interagieren und alle Daten zu erheben, die umgehend zur Weiterentwicklung der digitalen Konstruktion und letztendlich zur ständigen Optimierung des realen Produkts Verwendung finden können. Fazit: IoT eröffnet neue Geschäftsmodelle und ist somit in der Praxis angekommen.
Prof. Michael E. Porter, Harvard Business School - neue Denkweise für die Schritte in die Zukunft
Mit Sicht auf die, von James E. Heppelmann skizzierte, Entwicklung kann eins als gesichert gelten: Perspektivisch werden sich Produktionsprozesse und Produkte in einer so fundamentalen Weise ändern, wie dies niemals zuvor der Fall war.
Auch hier ist zur besseren Einschätzung dieses Statement ein Rückblick dienlich: In der Vergangenheit bestand eine klare Trennung - Produkte basierten auf Mechanik oder Elektrik, die manuell ausgelegten Fertigungsprozesse waren entkoppelt von den separat gespeicherten Daten. Mit dem Einzug der IT vor über 30 Jahren begann sich die Wertschöpfungskette schrittweise zu wandeln - im ersten Schritt erfolgte die Automatisierung bis hin zur Vernetzung aller Produktionsschritte und -prozesse mit dem Internet. Im Rahmen der weiteren digitalen Transformation ergibt sich zukünftig eine Vielzahl an Möglichkeiten, nicht zuletzt im Hinblick auf Kollaborationen etwa bei der gemeinsamen Entwicklung von Produkten an (weltweit) verteilten Standorten.
Durch die heute verfügbare Technologie werden nun Entwicklungsschritte auf der nächsthöheren Ebene möglich: in naher Zukunft befindet sich die gesamte Intelligenz ausschließlich als integraler Bestandteil in den Produkten. Daraus ergeben sich nach Ansicht von Prof. Porter tiefgreifende Änderungen für die Unternehmen, denn zukünftig steht das Produkt mit seinen gesamten Produkteigenschaften inklusive aller damit verbundenen weiteren Prozesse im Mittelpunkt. Hierdurch wird eine Reorganisation des gesamten Unternehmensumfelds initiiert, was nicht zuletzt auch die Rahmenbedingungen hinsichtlich des Wettbewerbes tangiert, denn die klassischen Konzepte haben dann keinen Bestand mehr.
In diesem Kontext ist, nach Ansicht von Porter, eine der weitaus anspruchsvollsten Aufgaben, wie Unternehmen diese neue Situation intern strukturell bewältigen. Denn die gesamten Abläufe werden sich ändern, unter anderem, weil es zukünftig möglich sein wird, 24/7 alle Funktionalitäten des Produkts zu messen sowie zu überwachen und dies in einer hohen Granularität. Des Weiteren kann die Kontrolle von jedem Standort aus erfolgen, ohne physischen Kontakt zum Produkt - was jedoch im Umkehrschluss bedeutet diese so zu gestalten, dass eine Überwachung problemlos möglich ist.
Aufgrund der gegebenen Möglichkeiten ergeben sich neue Gestaltungsoptionen zur (auch nachträglichen) Produktoptimierung oder erweiterten Serviceangeboten - wodurch sich gute Differenzierungsmerkmale für den Wettbewerb ergeben können. Vieles wird heute in diesem Zusammenhang bereits angedacht - unter anderem auch im Hinblick auf das autonome Produkt - doch die Entwicklung steht hier gerade erst am Anfang und die Umsetzung wird zwar kontinuierlich, aber eben nur schrittweise vorangehen. Letztendlich bleibt die große Herausforderung laut Porter, die Technologie so ein- und umzusetzen, dass die Erträge daraus auch "geerntet werden können".
Big Data - Sinn und Zweck der Daten
Im Kern dreht sich alles um eine Idee: die in Echtzeit gewonnenen Daten optimal zu nutzen. Doch die Informationen, die in eine Big Data-Datenbank einfließen sind nicht direkt verwendbar - weil dieses hohe Datenvolumen, das aus vielen unterschiedlichen Datenquellen resultiert völlig unstrukturiert ist und in einer extrem hohen Geschwindigkeit eintrifft. Auf den Punkt gebracht: kein Vergleich mit den bekannten relationalen Datenbanken. Für diese Anforderungen müssen neue Plattformen geschaffen werden, die mit den verschiedensten Diensten und Anwendungen bestückt sind, sodass ein Austausch mit allen angeschlossenen Systemen stattfinden kann.
Mit anderen Worten - um die unstrukturierten, im Datawarehouse lediglich abgespeicherten, Daten verwendbar zu machen, bedarf es Übersetzungsmechanismen, die Auskunft über den Zustand des angefragten Produktes geben. Erst dadurch entsteht der Mehrwert, denn dies ermöglicht letztendlich "Predictive Maintenance", also die Analyse und Auswertung von Mustern sowie dem Erkennen, dass wenn dieses Muster vorkommt ein Störfall eintritt. Im nächsten Schritt - als "Prescriptive Analytics" bezeichnet - ist das Ziel den Eintritt von Ausfällen dadurch zu verhindern, dass präventive Maßnahmen vorgeschlagen werden. Dies lässt sich heute noch nicht fehlerfrei realisieren, aber hier wird die Auswertungsmethodik besser.
IoT - in der Realität nutzbar
Die Entwicklung der Weltbevölkerung wird einige große Herausforderungen mit sich bringen, zum Beispiel im Bereich Ernährung. Experten gehen davon aus, dass sich der Bedarf an Nahrungsmitteln potenziell verdoppelt. Einer der Gründe dafür ist die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten in bestimmten Ländern - zum Beispiel in Afrika infolge der verbesserten Einkommenssituation. Doch welche Möglichkeiten sind vorhanden, um diese Anforderungen decken zu können? Der Einsatz von mehr Düngemittel zur Steigerung der Produktion ist nach Ansicht von Experten kein geeigneter Weg. Die Nutzung von Technologie hingegen schon. Diese kann eingesetzt werden, um Auskunft darüber zu erhalten, wie bestimmte Nahrungsmittel am besten angebaut werden und vor allem auch, wo die günstigen Standorte dafür im Einzelnen sind.
Konkret bietet das amerikanische Unternehmen "OnFarm" hierzu eine Lösung: Unter Einsatz von ThingWorx war es dem Unternehmen möglich, die umfassendste Plattform für den Bereich Landwirtschaftsmanagement zu realisieren. Diese gestattet - auf Basis des IoT - unterschiedlichste Endgeräte sowie generelle Informationen und unternehmensspezifische nicht nur zentral zusammenzuführen sondern im Weiteren auch nutzbar zu machen. Die einfache Plug-and-Play-Implementierung ermöglicht den Kunden einen schnellen Zugang zu relevanten Daten wie Wettervorhersagen, Empfehlungen hinsichtlich der Aussaat oder über Bodenbedingungen, ermittelt durch Sensoren. Der Grundgedanke dahinter ist, dass Landwirte möglichst passgenau die Informationen zur Verfügung steht, mittels derer sie ihren Ertrag maximieren können.
Schutz der Daten - mit Sicherheit auch zukünftig ein Thema
In der Diskussion über IoT, die daraus resultierende Komplexität sowie die Interdependenzen auch bezüglich Daten und Informationen darf ein Thema nicht ausgeklammert werden - die Sicherheit. Unleugbar, so Heppelmann, "stellen Hacker eine Bedrohung dar". Denn unstrittig sei, dass Unternehmen heute leicht angreifbar sind, weil es "durch die Vernetzung eine Menge Einfallstore gibt" und viele von diesen ließen sich nicht so einfach schließen. Allein aufgrund der unterschiedlichen Umgebungen sowie der Tatsache, dass viele Endgeräte nicht genug Prozessoren-Leistung besäßen, um notwendige Sicherheitslösungen einspielen zu können.
Doch auch unter der Prämisse, dass die Abwehr illegaler Angriffe immer aufwendig bleiben wird, darf dies seines Erachtens kein Hinderungsgrund für die Einführung neuer Technologien sein. Es gelte nur sich darauf einstellen, dass Sicherheit ein fortlaufender Prozess ist - aber dieser Denkansatz sei ja nicht neu, "man kenne dies ja bereits aus der Diskussion um die Absicherung von Rechenzentren".
Zudem sei es heute unabdingbar, bei der Produktentwicklung der Absicherung von vorneherein eine hohe Priorität einzuräumen - ein Beispiel für diesen Ansatz ist, dass eine "End-to-End"-Sicherheitslösung als fester Bestandteil in der ThingWorx-Plattform bereits integriert wurde. Des Weiteren werden auch strategische Partnerschaften als weiterer Garant für das Sicherheitsniveau geschlossen - etwa mit der Axeda Corporation, ein Unternehmen von Lösungen die - in Real-Time - zur sicheren Vernetzung von Maschinen und Sensoren mit der Cloud beitragen.
Wie sich PTC in Sachen IoT aufstellt
Es wird sich einiges ändern: Unternehmen werden als Produktionsbetrieb schlafen gehen und am nächsten Morgen als Softwarebetrieb wieder aufwachen. Die Frage, der sich jedes Unternehmen stellen muss lautet, wann stößt die reine Ausrichtung auf die Produktion an ihre Grenzen - kann damit auch perspektivisch der Fortbestand in einer zunehmend service-orientierten Umwelt gewährleistet werden. Denn es gilt, darin sind sich die Experten von PTC einig, als gesichert, dass proaktive Services zukünftig eine der Killer-Applikationen sein werden. PTC sieht sich hier bestens aufgestellt.
Auch durch die Akquisition von Coldlight, einer der Visionäre im Bereich Big Data Machine Learning und Predictive Analytics. "Unsere Strategie ist darauf ausgerichtet, Unternehmen zu unterstützen, die sich hier auf die neuen Möglichkeiten einstellen. Wie werden in Zukunft Produkte erstellt, miteinander verbunden, betrieben und gewartet - das alles ändert sich", sagt Jim Heppelmann, Präsident und CEO von PTC. "Unsere Strategie ist darauf ausgerichtet, Unternehmen zu unterstützen, die sich hier auf die neuen Möglichkeiten einstellen." (rw)