Die Europäische Kommission fordert von Rechenzentrumsbetreibern in dem im Februar 2020 veröffentlichten Strategiepapier "Shaping Europe´s Digital Future", bis 2030 CO2-Neutralität zu erreichen. Mit dem "Climate Neutral Data Centre Operator Pact" hat die Branche darauf reagiert und sich Anfang 2021 selbst dazu verpflichtet, europäische Rechenzentren bis 2030 klimaneutral zu machen. Dadurch werden bereits bestehende, "grüne" Rechenzentren für Übernahmen interessant. Aufgrund des generell kühleren Klimas und der günstigen Voraussetzungen für Energie aus Wind- und Wasserkraft ist Nordeuropa für energieeffiziente Rechenzentren geradezu prädestiniert und nimmt in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein. Zum Beispiel steht mit dem in Kooperation mit APC by Schneider Electric errichteten EcoDataCenter im schwedischen Falun das erste klimapositive Rechenzentrum Europas.
Die Vorteile haben nun auch Investoren entdeckt, wie die Übernahme von Verne Global und der Kauf von Green Mountain kurz nacheinander belegen. Für den norwegischen Rechenzentrumsbetreiber Green Mountain bezahlte der israelische Investor Azrieli Group rund 7,6 Milliarden Norwegische Kronen (738,4 Millionen Euro). Der in Island beheimatete Marktbegleiter Verne Global war dem britischen, auf digitale Infrastruktur spezialisierten Investor Digital 9 Infrastructure (D9) 231 Millionen Pfund (269,4 Millionen Euro) wert.
Green Montain punktet mit Zugang zum britischen Markt
Das 2009 gegründete Green Mountain hat seinen Sitz in Stavanger und betreibt dort auch ein Rechenzentrum mit 22.600 Quadratmetern Rechenzentrumsfläche und einem PUE-Wert unter 1,18. Sowohl das in Stavanger als auch die Rechenzentren von Green Mountain in Telemark (40.000 m2) und Oslo (75.000 m2) werden vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben.
Zusätzlich trägt bei den Green-Mountain-Rechenzentren zur Umweltverträglichkeit bei, dass die Abwärme unter anderem von einer Hummerzucht sowie einer Fischzucht zur Klimatisierung der jeweiligen Zuchtbecken genutzt wird. Den Wert des Rechenzentrums in Stavanger erhöhen wird ein 700 Kilometer langes Unterseekabel mit einer Kapazität von bis zu 216 TBit/s, dass von Altibox Carrier gerade von dort nach Großbritannien verlegt wird. Es soll noch im Laufe des Jahres 2021 fertiggestellt werden. Es bietet dann eine Verbindung von Newcastle nach Norwegen und erlaubt britischen Firmen somit Zugriff auf die Rechenzentrumskapazitäten in Norwegen.
Für die Ausstattung seiner Rechenzentren setzt das bisher in Privatbesitz befindliche Unternehmen, das seit Jahren für seine Nachhaltigkeitsstrategien geradezu mit Auszeichnungen überschüttet wurde, unter anderem auf Schneider Electric, HPE, DellEMC, Hitachi, Huawei und F5. Zu den Co-Location-Kunden von Green Mountain gehört seit 2019 auch die Volkswagen-Gruppe. Für Aufsehen sorgte das norwegische Unternehmen zudem mit seinem ersten Standort Stavanger, der recht spektakulär in einem ehemaligen NATO-Munitionsbunker an der Küste untergebracht ist.
Verne Global als Öko-Offshore-Standort für HPC
Auf einer ehemaligen NATO-Basis hat auch Verne Global angefangen. Das Unternehmen wurde 2007 in Island gegründet und nahm sein Rechenzentrum in Keflavík 2012 in Betrieb. Vor etwa fünf Jahren begann das Unternehmen dann auch, bei Firmen aus Deutschland für die komplett mit Energie aus Wasserkraft und Geothermie betriebene Rechenzentrumsinfrastruktur zu werben. Allerdings sind klassische Rechenzentrumsdienstleistungen aus Island wegen der Latenzzeiten offenbar nicht ganz so einfach zu erbringen.
Dafür positioniert sich Verne Global als umweltfreundlicher und klimaneutraler Standort für intensive Rechenleistungen, die nur wenige, fortlaufende Transaktionen mit den Nutzern erfordern - etwa im Bereich High Performance Computing für die Finanzbranche oder die Bioinformatik. Aber auch Firmen wie Datto (für seine Desaster-Recovery-Strategie) oder der AI-gestützte Übersetzungsdienst DeepL gehören zu den Kunden der Isländer, die zudem mit um bis zu 70 Prozent geringeren Co-Location-Kosten als in Großbritannien und den EU-Staaten in Kontinentaleuropa werben.
Genau in diesem Bereich sieht der Käufer auch weitere Chancen: Er will Rechenzentrumskapazitäten, die keine räumliche Nähe zu den Nutzern erfordern, an Standorte verlagern, an denen sich der klimaneutrale Betrieb einfach erreichen lässt. CO2-Neutralität lasse sich seiner Ansicht nach nur erreichen, wenn energieintensive Tätigkeiten dahin verlagert werden, wo erneuerbare Energie im Überfluss vorhanden ist. Günstiger dürfte das allemal sein - aber eben nicht für alle Dienste praktikabel.
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