Viele Arbeitsplätze sind heutzutage mit einem Internetanschluss ausgerüstet. Was liegt somit näher, als den betrieblichen Internetanschluss für den privaten E-Mail-Verkehr, Ebay-Auktionen oder einfach für einen Blick in das aktuelle Kinoprogramm der Heimatstadt zu nutzen? Je nach Einzelfall beziehungsweise Inhalt der privat genutzten Internetinhalte kann hierbei jedoch das Arbeitsverhältnis auf dem Spiel stehen.
Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die private Nutzung des beruflichen Internetanschlusses. Nutzt er den Internetanschluss trotzdem privat, müssen die Rechtsfolgen hieraus mit einem "Kommt darauf an" beantwortet werden.
Die bisher bekannte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Frage der meist fristlosen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz orientiert sich aus der schon seit längerem bestehenden Rechtsprechung zur privaten Telefonnutzung am Arbeitsplatz.
Grundsätzlich wird man unterscheiden, ob es hinsichtlich der privaten Nutzung des Internets am Arbeitsplatz ein Verbot des Arbeitgebers gab, entsprechende betriebliche Übungen, Vereinbarungen im Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarungen. Grundsätzlich liegt es somit in der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, ob er die private Internetnutzung duldet.
Stillschweigende Erlaubnis
Neben den genannten ausdrücklichen Erlaubnisformen kann auch eine konkludente (stillschweigende Erlaubnis) vorliegen. Diese stillschweigende Erlaubnis kann sich aus den Umständen ergeben. Ist beispielsweise privates Telefonieren gestattet, so wird der Arbeitnehmer davon ausgehen können, dass in vergleichbarem Umfang auch die private Internetnutzung möglich ist. Dies gilt jedenfalls wohl dann, wenn für die private Internetnutzung dem Arbeitgeber keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Selbst wenn eine Internetnutzung ausdrücklich oder stillschweigend erlaubt ist, muss sie sich natürlich in einem angemessenen Rahmen halten. Das Arbeitsgericht Wesel (Urteil vom 21.03.2003, Az. 5 Ca 4021/00) hatte eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund für nicht rechtswirksam erachtet, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres 80 bis 100 Stunden im Internet surft.
Die vorliegende Rechtsprechung zur privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz beschäftigt sich in der Regel mit außerordentlichen Kündigungen gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Voraussetzung ist, dass eine Tatsache vorliegt, die unter Berücksichtigung aller Umstände und des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als unzumutbar ansieht. In der Regel ist es so, dass vor einer außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden muss. Es gibt nur wenige Tatbestände, die eine Abmahnung entbehrlich machen, mit der Folge, dass der Arbeitgeber sofort, wenn er einen Pflichtverstoß feststellt, außerordentlich kündigen kann. Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten aufzeigen und ihm Gelegenheit geben, dieses zukünftig abzustellen. Dem Arbeitnehmer soll dabei deutlich gemacht werden, dass er im Wiederholungsfalle der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen muss.
Eine Abmahnung ist nur in solchen Fällen entbehrlich, in denen das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Pflichtverletzung so nachhaltig gestört ist, dass eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitnehmer ohnehin nicht zumutbar ist. Regelmäßig ist dies beispielsweise bei so genannten Verdachtskündigungen der Fall, dass heißt in Fällen, in denen der Arbeitnehmer einer Straftat verdächtigt wird.
Im vom Arbeitsgericht Wesel entschiedenen Fall hatte die Arbeitnehmerin binnen eines Jahres insgesamt 80 bis 100 Stunden privat im Internet verbracht. Dies entspricht bei Zugrundelegung einer 40-Stunden-Woche mindestens zwei Arbeitswochen.
Das Arbeitsgericht hatte die Kündigung als unwirksam erachtet, da im entschiedenen Fall ein ausdrückliches Verbot der Internetnutzung nicht vorlag und der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht abgemahnt hatte. Nach Ansicht des Gerichtes ist auch bei einer Nutzung des Internets für private Zwecke für 80 bis 100 Stunden binnen eines Jahres nicht ein Ausmaß erreicht, das eine Abmahnung hätte entbehrlich werden lassen können. Im Urteil heißt es zudem: "Überdies wird die private Internetnutzung von einem Großteil der Arbeitnehmer oft als bloße Spielerei oder zumindest als Kavaliersdelikt empfunden. Dass dies seitens des Arbeitgebers nicht so bewertet wird, hat er dem Arbeitnehmer bei einer Internetnutzung, wie sie möglicherweise durch die Klägerin erfolgt ist, durch eine Abmahnung deutlich zu machen."
Liegt ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers zur privaten Internetnutzung vor, und kommt dann noch hinzu, dass der Arbeitnehmer pornografisches Material heruntergeladen hat, kann eine außerordentliche Kündigung sehr wohl auch ohne Abmahnung zulässig sein. Einen derartigen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Hannover (Az. 3 Sa 726/01, in: MMR 2002, Seite 766 f.) zu entscheiden. Die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Hannover (Az. 1 Ca 504/00 B, in: NJW 2001 Seite 3500 ff.), hatte wie das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung als zulässig erachtet. Der Arbeitnehmer hatte pornografische Bild- und Videodateien in großem Umfang auf seinem Computer gespeichert, und zwar nachweisbar während seiner Arbeitszeit.
Nach Ansicht des Gerichtes lagen beim Arbeitnehmer gleich mehrere schwer wiegende Pflichtverletzungen vor, die in ihrer Summe eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigten:
- das private Nutzen des ihm zur Verfügung gestellten dienstlichen PCs am Arbeitsplatz,
- das private Nutzen des PCs während der Arbeitszeit
- das Herunterladen einer erheblichen Menge pornografischen Bildermaterials aus dem Internet und dessen Speicherung auf dem Datenträger des Arbeitgebers,
- das Nutzen des ihm gewährten Internetzugangs zum Einrichten einer Internetseite mit sexuellem Inhalt, ohne dass dies mit Wissen und Wollen des Beklagten geschah
Ebenso wie das Arbeitsgericht Wesel zog das Arbeitsgericht Hannover eine Analogie zur bereits bestehenden Rechtsprechung zur privaten Nutzung von Diensttelefonen.
Sowohl das Arbeitsgericht Hannover als auch das Landesarbeitsgericht Hannover hatten angenommen, dass der Festplatteninhalt des Rechners des Arbeitnehmers, der im Eigentum des Arbeitgebers war, im Verfahren problemlos verwertet werden durfte. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichtes kommt es zudem darauf an, dass es sich bei dem Computer des Arbeitnehmers um einen dienstlichen Rechner und nicht um einen für private Zwecke handelte. Keinen Erfolg hatte auch die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 4 Ca 3437/01). Trotz Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Internetzugang nur für dienstliche und geschäftliche Zwecke verwendet werden darf und das Speichern von Daten gesetzeswidrigen, rechtsradikalen oder pornografischen Inhalts auf jeden Fall unzulässig sei, hatte der Arbeitnehmer zehn Prozent seiner Internetnutzungszeit mit dem Herunterladen von pornografischen Dateien verbracht. Auch hier hatte das Arbeitsgericht eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB als zulässig erachtet. Das Arbeitsgericht bewertete insbesondere die Tatsache für den Arbeitnehmer als negativ, dass dieser gegen die ausdrückliche Internetnutzungsvereinbarung in erheblichem Umfang verstoßen hatte, obwohl ihm die Konsequenzen in einer entsprechenden Vereinbarung deutlich aufgezeigt worden waren.
Da die Folgen somit für den Arbeitnehmer auf der Hand lagen, bedurfte es keiner Abmahnung, sodass die Kündigung wirksam war.
Die Rechtsprechung hinsichtlich der privaten Internetnutzung, die auf der bisher bestehenden Rechtsprechung zu privaten Telefonaten am Arbeitsplatz resultiert, ist auch auf private E-Mails übertragbar. Auch hier kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber ausdrücklich oder stillschweigend private E-Mails über den Internetzugang am Arbeitsplatz duldet oder nicht. Auf ein entsprechendes Verbot sollte jedoch klar und ausdrücklich hingewiesen werden. Diese Erfahrung musste auch eine Anwaltskanzlei machen, die eine Rezeptionistin fristlos gekündigt hatte, die eine private E-Mail versandt hatte. Das Hessische Landesarbeitsgericht (Az. 5 Sa 987/01) hatte auch in zweiter Instanz die Kündigung der Rechtsanwälte als nicht gerechtfertigt angesehen. Hintergrund war, dass es einen internen Vermerk gab, dass private E-Mails nicht versandt werden sollten, da hierdurch Viren ins System gelangen könnten, zusammen mit der Formulierung: "Eine fristlose Kündigung ist die Folge".
Das Landesarbeitsgericht hatte genau wie das Arbeitsgericht angenommen, dass eine Kündigung ohne Abmahnung vorliegend nicht zulässig ist. Die Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin sei nicht so schwer, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Trotz der Virengefahr, die private E-Mails beinhalten, liegt keine Gefahrsteigerung vor, die eine Abmahnung entbehrlich macht. Zudem wurde auf die Konsequenzen des Versendens von privaten E-Mails, nämlich die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnissen, nicht deutlich genug hingewiesen.
Zusammenfassung
Für die Frage, ob eine private Internet- und E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz erlaubt ist, kommt es somit auf eine ausdrückliche oder stillschweigende Erlaubnis des Arbeitgebers an. Liegt diese Erlaubnis nicht vor, beziehungsweise liegt ein ausdrückliches Verbot vor, stellt jede private Internetnutzung eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Ob als Folge dessen der Arbeitgeber ohne Abmahnung sofort fristlos kündigen kann, hängt von der Schwere des Verstoßes ab, der beispielsweise bei dem Herunterladen einer großen Menge von pornografischem Material eindeutig gegeben ist. Ansonsten wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erst einmal abmahnen müssen, um dann im Wiederholungsfalle berechtigt eine außerordentliche Kündigung aussprechen zu können.
Morgen lesen Sie auf ComputerPartner.de: Internetnutzung am Arbeitsplatz, Teil II: Die Rechte des Arbeitgebers
Steckbrief des Autors: Johannes Richard
Rechtsanwalt Johannes Richard arbeitet in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er ist auf Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert.
www.internetrecht-rostock.de