Es ist die Horrorvorstellung jedes Online-Käufers: Die Ware kommt nie an, das Geld ist weg. Jetzt aber muss der Anführer einer kriminellen Bande jahrelang in Haft. Die Staatsanwaltschaft hofft auf eine Signalwirkung des Prozesses - für Täter und Opfer.
Zu Hunderten sind Online-Kunden auf seine Masche hereingefallen, doch vor Gericht zeigt der Internet-Betrüger keine Reue. Im Netz verkaufte er gegen Vorkasse Waren wie Laptops, Silbermünzen und sogar Goldbarren, die er allerdings nie lieferte - weil es sie gar nicht gab. Mit versteinerter Miene sitzt der 23-Jährige am Dienstag auf der Anklagebank, als die Kammer des Augsburger Landgerichts ihn zu sieben Jahren Haft wegen millionenschweren Betrugs verurteilt. Nach der Verkündung erhebt sich der Anführer der "Fakeshop-Bande" kurz und ruft aufgebracht: "Ich habe nichts mehr zu sagen."
Nichts zu sagen war seine Strategie im gesamten Verfahren - am Ende wurde es ihm zum Verhängnis, dass er sich zu den Vorwürfen nicht hatte äußern wollen. Bandenmitglieder identifizierten ihn als Anführer und kamen mit milderen Strafen davon. Zum Prozessauftakt standen vier Angeklagte aus Nordrhein-Westfalen vor Gericht, später wurden drei der Verfahren abgetrennt. Die Bandenmitglieder wurden zu Strafen von bis zu vier Jahren Haft verurteilt. Die anderen Täter hätten sich zum Teil auf Kosten des 23-Jährigen reingewaschen, gibt Staatsanwalt Andreas Straßer zu bedenken. Am Ende sagt der Verurteilte doch noch etwas - er kündigt Revision an.
"Teile dieser Tat werden im Dunkeln bleiben", ist der Staatsanwalt überzeugt. Es gebe sicherlich noch weit mehr von den Online-Shops Geschädigte als die ermittelten 1609 Personen. Dem Verfahren kommt aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine hohe Bedeutung zu. Es zeige, dass die Polizei trotz aller Anonymität im Internet Betrügern schließlich das Handwerk lege. Der Prozess habe Signalwirkung: Die Täter merkten, dass sie nicht davonkämen, und die Opfer sähen, dass es sich doch lohne, Anzeige zu erstatten.
Staatsanwalt Straßer appelliert an die Kammer: "Die Signalwirkung des Verfahrens sollte sich auch im Urteil niederschlagen." Die sieben Jahre Haft sind nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters eine "recht hohe Gesamtfreiheitsstrafe". Landeskriminalamtspräsident Peter Dathe hatte das Verfahren "in seiner Dimension bisher einzigartig" genannt.
Der Betrug wurde hochprofessionell durchgezogen - darin sind sich alle einig. Internet-Shops wurden entworfen und zum Teil an das Layout von real existierenden Firmen angelehnt, um Seriosität auszustrahlen. Die angebotene Ware war zwar günstiger als die marktüblichen Preise, aber nicht so günstig, dass arglose Käufer gleich Verdacht schöpften. Das Geld überwiesen sie auf Konten zahlreicher sogenannter Finanzagenten, die austauschbar waren.
"Es ist eine Tat, die ein Jugendlicher oder Reifeverzögerter nie hätte durchführen können", sagt der Staatsanwalt. Schließlich gab der 23-Jährige auch deutlich älteren Bandenmitgliedern Anweisungen. Die Kammer verurteilt den Mann denn auch nach Erwachsenenstrafrecht, obwohl er während der Tatzeit zwischen 2009 und 2011 zum Teil noch Heranwachsender war.
Die Bande spähte außerdem Daten von Bankkunden aus, indem sie - angeblich im Namen der Bank - massenhaft E-Mails schrieb und um die Herausgabe von PIN- und TAN-Kennungen für Online- und Telefonbanking bat. Zum Teil ging diese Masche auf: Von sieben Tagesgeldkonten räumte die "Fakeshop-Bande" Geld ab. Der 23-Jährige schreckte auch nicht davor zurück, Forenbetreibern, die vor der Bande warnten, Gewalt anzudrohen. "Gewinnmaximierung um jeden Preis könnte man das nennen", sagt Staatsanwalt Straßer.
Im Mai 2011 gelang den Ermittlern der große Schlag gegen die "Fakeshop-Bande", nachdem Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft ihr eineinhalb Jahre lang auf den Fersen gewesen waren. Bundesweit durchsuchten mehr als 170 Polizisten rund 30 Wohnungen und Büros. Es gab mehrere Festnahmen. Auf die Spur der Bande kamen die Ermittler 2009 durch den Tipp eines Elektro-Unternehmers gekommen. Bei ihm waren mehrere Anfragen von frustrierten Käufern eingegangen, die auf einer Webseite Waren bestellt und nie bekommen hatten. Das Impressum der Seite verwies - leicht verändert - auf die Firma, die allerdings ahnungslos war.
Verbraucherschützer raten, vor einer Bestellung im Internet grundsätzlich den Anbieter zu überprüfen. Bei einem unbekannten Online-Verkäufer sei dringend von Vorkasse und Geldtransfers abzusehen - weil das Geld weg sei, wenn Käufer an Betrüger gerieten. Empfohlen werden Zahlungsarten wie Lastschrift, Kreditkarte oder Bezahldienste, denn damit gebe es im Zweifel das Geld zurück. (dpa/bw)