Internet-Zahlungssysteme stecken noch in den Kinderschuhen

10.01.1998

MÜNCHEN: Die Deutschen trauen dem Internet nicht so ganz. Wenn sie sich schon mal zu einer Online-Bestellung durchringen, erfolgt die Bezahlung fast ausschließlich auf dem herkömmlichen Weg per Nachnahme oder über Rechnung. Auf welches Zahlungssystem der Zukunft soll der Handel setzen?Nach einer Studie der Firma In Touch vertrauen 95 Prozent aller Online-Käufer bei der Bezahlung ihrer Waren lieber auf herkömmliche Methoden. Am häufigsten taucht, mit einem Anteil von 65 Prozent, die Bezahlung per Rechnung auf, gefolgt von der Abwicklung über Nachnahme (40 Prozent), Kreditkarte (39 Prozent), Vorkasse (37 Prozent) und dem Lastschriftverfahren (13 Prozent). Gerade mal fünf Prozent der Internet-Läden bieten ihren Kunden eine Online-Zahlungsmöglichkeit an.

Speziell auf das World Wide Web zugeschnittene Zahlungssysteme sollen Online-Händlern und Kunden die nötige Sicherheit bei der Übermittlung der Daten ermöglichen.

Die größte Schwierigkeit stellt die fehlende Unterschrift bei der Abwicklung dieser Art von Geschäften dar. Ohne rechtsverbindliche Unterschrift entsteht kein gültiger Kaufvertrag. Damit liegt die Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages beim Händler. Um diese Problematik zu lösen oder zu umgehen, gibt es verschiedene Methoden. ComputerPartner hat sich die wichtigsten Online-Zahlungssysteme einmal näher angeschaut.

Kreditkarte kämpft um Anerkennung

Obwohl bisher praktisch keine Fälle bekannt sind, in denen durch die Online-Übermittlung von Kreditkartendaten mit diesen Mißbrauch getrieben wurde, traut man in deutschen Landen dem Plastikgeld nicht. Erschwerend kommt hinzu, daß in Deutschland die EC-Karte wesentlich beliebter ist und das Kreditkartendisagio den Gewinn der Händler erheblich schmälert. In den USA ist die Online-Zahlung per Kreditkarte, auch ohne Einsatz einer digitalen Unterschrift, bereits gang und gäbe.

Um Kreditkartentransaktionen im WWW noch sicherer zu gestalten, haben zwei der größten Kreditkartengesellschaften, Mastercard und Visa, bereits 1996 einen Sicherheitsstandard geschaffen. Beim SET-Standard (Secure Electronic Transaction) werden Zertifikate zum Nachweis der Identität der beteiligten Geschäftspartner und digitale Unterschriften in einem Verschlüsselungsprotokoll integriert. Der Nachteil: Die Teilnehmer müssen sich zuerst registrieren lassen, und die SET-Software muß als Browser-Plug-in vorab installiert werden.

Amerikanische Online-Shops sind derzeit eher zurückhaltend, was den SET-Standard anbetrifft. Zu hoch ist der Aufwand, der für ein funktionsfähiges System betrieben werden muß. In Deutschland setzen die Commerzbank und das Internet-Kaufhaus "My World" des Karstadt-Konzerns SET momentan in einem Pilotversuch ein.

Elektronische Lastschrift ersetzt Bankeinzug

Speziell für den deutschen Markt gedacht ist das EDD-Verfahren (Electronic Direct Debit). Das elektronische Pendant zum herkömmlichen Bankeinzug per Lastschrift enthält eine digitale Unterschrift des Kunden und erlaubt damit dem Händler, den Betrag vom Konto abzubuchen. Eine Übermittlung der kompletten Bankdaten findet nicht statt. Allerdings stellt diese Methode für den Händler keine sonderliche Arbeitserleichterung dar, denn die Abwicklung der Bankabbuchung bleibt genauso aufwendig wie vorher.

Electronic Cash zur Abwicklung von Kleinbeträgen

Im Gegensatz zur anderen Online-Zahlungssystemen, wird bei "Electronic Cash" (oder auch "Cybercoin") ein realer finanzieller Gegenwert in Form von Softwaredateien auf den Computer übertragen. Eine Softwareapplikation verwaltet die digitalen Münzen, die anschließend wie Bargeld zur Begleichung von Rechnungen im Internet eingesetzt werden können. Die Technik eignet sich vor allem zur Begleichung von Kleinstbeträgen, da durch die Transaktion an sich keine Gebühren oder Verwaltungskosten entstehen. Verwendungsmöglichkeiten sind kostenpflichtige Datenbankrecherchen, Zeitungsartikel oder beispielsweise die Bezahlung von Shareware-Programmen.

Die elektronischen Münzen sind mit fälschungssicheren Signaturen versehen und werden anonym übermittelt. Weder der Händler noch die Bank können nachvollziehen, wer den Kauf getätigt hat. Dem Händler werden die Beträge sofort auf seinem Konto gutgeschrieben. Trotz integrierter Schutzmechanismen befindet sich der Cyber-Geldbeutel noch im Versuchsstadium. Problematisch gestaltet sich beispielsweise die Währungsumrechnung bei Geldgeschäften zwischen Deutschland und den USA. Außerdem hat die Deutsche Bundesbank Bedenken angemeldet, daß sich im Internet quasi virtuelle Geldprägesysteme entwickeln und damit der Stabilität der deutschen Währung Schaden zugefügt werden könnte. Nach der Einführung des Euro werden diese Barrieren zumindest für Europa aufgehoben.

Wenn der Mikrochip schon auf der EC-Karte drauf ist (Stichwort: Geldkarte), warum diese nicht auch gleich für Online-Zahlungen verwenden? Die Karte funktioniert dabei als virtueller Geldspeicher und wird in verschiedenen deutschen Städten bereits als Zahlungsmittel in den Geschäften akzeptiert. Voraussetzung ist ein Kartenleser mit entsprechender Software für den PC, um die Moneten ins Netz zu schießen. Bei den derzeitigen Kosten von über 500 Mark für den Endkunden ist aber kaum davon auszugehen, daß sich die Smart-Karten als Internet-Zahlungsmittel für den Privatanwender durchsetzen werden.

Einkaufen übers Netz wird in einigen Jahren zum Alltag gehören. Höchste Zeit also, einheitliche Standards einzuführen, um eine reibungslose Abwicklung des Online-Geldtransfers zu ermöglichen. Vor allem die Banken und die großen IT-Firmen sind gefordert, sich an einen Tisch zu setzen, um ein einheitliches Zahlungssystem zu entwickeln und zu etablieren. Doch bis es soweit ist, wird weiter online bestellt und offline bezahlt. (akl)

So einfach soll das Online-Bezahlen in Zukunft sein: Kredit-, Geld- oder EC-Karte in die Tastatur schieben und fertig.