Hausautomation leicht gemacht

Interessante Smart-Home-Lösungen im Überblick

22.02.2016 von Klaus Hauptfleisch
Smart Home, die zentrale Heimvernetzung und Haussteuerung, lockt viele neue Anbieter an. In unserer Marktübersicht stellen wir einige interessante Smart-Home-Lösungen vor.

Hinter Begriffen wie Smart Home, Hausautomation oder intelligente Gebäudetechnik verbergen sich eine Vielzahl von Produkten und Ideen, die meisten davon immer noch Einzel- oder Insellösungen.

Als idealer Brückenbau gilt für viele Installateure und etablierte Anbieter dagegen immer noch ein von EIB zu KNX weiterentwickelter europäischer Installationsbus für die meist kabelgeführte Datenleitung parallel zur Stromversorgung. Die Funk- und Powerline-Varianten konnten sich nicht wirklich durchsetzen.

Um die Nachrüstung oder Umzüge zu erleichtern, haben die KNX/EIB-Pioniere Jung und Gira Anfang des Jahres ein gemeinsam entwickeltes neues bidirektionales Funksystem namens eNet auf den Weg gebracht. Andere alteingesessene Hersteller wie Honeywell oder Busch-Jaeger haben ähnliche Funksysteme im Programm, die eben den Vorteil haben, die für einzelne Lösungsszenarien weit günstiger sind und eine breitere Marktbasis schaffen.

Im noch relativ jungen Smart-Home-Markt, der viel von Bastlern und Tüftlern (Stichwort Do it yourself, kurz DiY) lebt, geht der Trend indes mehr und mehr zu IP-Lösungen. Und das ruft viele neue Player auf den Plan ruft, darunter auch so mächtige Smartphone- und Internetanbieter wie Apple, Samsung und Google. DiY- und IP-Lösungen sollen in diesem Artikel auch den Schwerpunkt bilden. Aber zunächst sei die Frage erlaubt, wo smart oder intelligent anfängt.

Was ist smart?

Wenn es nur um Bequemlichkeit oder um die Steuerung schwer erreichbarer Jalousien an hohen Dachfenstern zum Beispiel geht, tun es auch Infrarot-Fernbedienungen - irgendwie auch schon smart. Die guten alten Zeitschaltuhren können bei Abwesenheit ebenso Aktivität vorgaukeln wie sogenannte intelligente Steckdosen, wie sie AVM, Belkin, Gembird und Co. anbieten.

Ihr mehr an Intelligenz besteht vor allem darin, dass sich zum Beispiel WLAN-fähige Steckdosen oder Steckdosenleisten über Smartphone-Apps auch von Ferne ein- und ausschalten und ereignisorientiert mit anderen Geräten und Apps koppeln lassen. Ein IFTTT (If This Than That, Wenn-dann) genannter Diensteanbieter für solche Verknüpfungen zählt schon über 150 Channels beziehungsweise Apps, darunter auch Facebook und Twitter.

Mit einem eNet-Server lassen sich alle angeschlossenen Geräte zentral steuern.
Foto: Jung

Ein Smart TV oder netzwerkfähiger Receiver, für viele Novizen vielleicht der Einstieg zu Smart Home, braucht die Anbindung an ein Netzwerk, um auf Widgets, Internetradio oder Inhalte wie Flickr zugreifen zu können. Aber so richtig smart werden sie erst, wenn sie sich zentral oder von der Ferne über eine Smartphone-App steuern lassen. Smart Home besteht idealerweise darin, alle im Heimnetz angeschlossenen Geräte und Funktionen wie Licht, Heizung, Jalousie, Haushaltsgeräte und Musik über ein Bedienpanel steuern zu können. Es können auch mehrere oder eine Kombination unterschiedlicher Bedienelemente sein.

Gira, Jung und Co. bieten neben eigenen Tastern und Bediengeräten auch Gateways und Apps für iOS und Android an, um die angeschlossenen Geräte über Smartphone oder Tablet steuern zu können. Samsung bringt auch Smartwatches wie die Galaxy Gear als Steuereinheiten ins Spiel und baut samt eigener Unterhaltungselektronik und weißer Ware ein ganzes Ökosystem rund um Smart Home auf. Dabei setzt der koreanische Riese nicht alles auf eine Karte, sondern auf verschiedene Allianzen und Plattformen.

Qivicon verbindet Standards

So hat sich Samsung auch der der Telekom ins Leben gerufenen Qivicon-Plattform angeschlossen. Jedoch sind unter den dort vorgestellten Produkten noch keine Samsung-Geräte zu finden. Herzstück der Qivicon-Plattform ist eine von Miele, EnBW, Vattenfall und RheinEnergie auch im OEM-Paket angebotene Home Base. Diese unterstützt von Hause aus nur die von der ostfriesischen ELV-Tochter eQ-3 eingeführte proprietäre Homematic-Funktechnik auf dem 868-MHz-Frequenzband, bietet über vier USB-Plätze aber auch Raum für andere Übertragungstechnologien. Da ZigBee als offener Standard im 2,4-GHz- oder 868-MHz-Funknetz immer beliebter wird, werden im Qivicon-Shop und im Bundle mit vielen Produkten auch bereits ZigBee-Sticks angeboten. Sticks für weitere Funktechnologien sollen folgen.

Miele wurde als einer der Vorreiter im Smart-Home-Markt schon genannt. Die deutsche Edelmarke zeigt sich mit Miele@home und der Miele@mobile-App etwa seit vielen Jahren sehr umtriebig im Smart-Home-Bereich, sieht dies wie Liebherr und andere Mitbewerber auch immer im Kontext mit intelligenter Stromnutzung über Smart Grids und hat eine ganze Armada von Haushaltsgeräten in Qivicon-Plattform eingebracht. Im Miele-StartUp-Komplettpaket befinden sich eine Qivicon Home Base, ein Zigbee-Stick und eine Miele-App zur Steuerung der Backöfen, Kühlschränke, Dampfgarer, Dunstabzugshauben, Geschirrspülmaschinen und vieles mehr.

Mit Qivicon lassen sich verschiedene Hausautomationssystem zentralisieren.
Foto: Qivicon

Allerdings setzen diese bei der Steuerung über Qivicon Mieles Hausgeräte-App voraus, während von eQ-3 vertriebene Homematic-Produkte wie Thermostate, Dimm- und Schaltaktoren, Bewegungs- und Rauchmelder zwar nicht von der Miele-App, wohl aber von Smart Home der Deutschen Telekom und von RheinEnergie sowie von den Apps der anderen Energieversorgern unterstützt wird. Gleiches gilt auch für entsprechende ZigBee-Produkte von Bitron Home. Im Qivicon-Reigen befinden sich aktuell auch Netzwerkkameras von D-Link und die LED-Lampen der hue-Familie von Philips, die allerdings nur mit der Telekom-App kompatibel sind.

Sonos-Multiroom-Lautsprechersysteme, wegen der einfachen Integration in verschiedene Szenarien, immer beliebter und mit Smart Home oft in einem Atemzug genannt, sollen in Bälde ebenfalls in die Qivicon-Familie aufgenommen werden. Auf der IFA 2014 hat Qivicon zusammen mit BMW auch schon eine Studie für Gebäudesteuerung vom Auto gezeigt. RWE gilt zwar als einer der größten Smart-Home-Anbieter in Deutschland, ist aber nicht bei Qivicon vertreten.

Von kleinen und großen neuen Mitspielern

Sonos und Philips hue haben schon so manche Entwicklungen im Smart-Home-Bereich angestoßen. Seit Anfang des Jahres macht ein junger Softwareanbieter namens iHaus von sich Reden, der sich als Spin-off des Münchener Gebäudetechnik-Traditionsunternehmen Heinemann unter dem Leitgedanken, alles lasse sich regeln, Smart Home und das Internet der Dinge auf die Fahne geheftet hat. Durch die Wenn-dann- oder IFTTT-Verknüpfung will iHaus weit mehr Anwendungsmöglichkeiten schaffen als nur das An- und Ausschalten der Philips-hue-LED-Lampen oder der Sonos-Lautsprechersysteme.

Mit den genannten Produkten, mit der Einbindung von iBeacons und Wetterdiensten für die ereignisorientierte Steuerung hat alles begonnen bei iHaus. Mittlerweile ist im Apple-Shop auch schon eine App für iOS kostenlos erhältlich, eine Android-App und eine Vielzahl weiterer Anwendungen sollen nach und nach folgen. Für die zu steuernden Geräte werden sogenannte LINKITs (link it) angeboten, die 30 Tage kostenlos genutzt werden können. Neben Sonos, Philips hue und Wetter- und Verkehrsdiensten, die in der kostenlosen Starterversion schon enthalten sind, sind unter anderem auch schon LINKITs für Smart TVs von Samsung und LG, Rauchmelder und Osram Lightify in Arbeit. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, über SUMITs die Funktionen mehrerer Geräte zusammenzufassen (sum it). Das Drehbuch dazu sollen die Kunden selbst schreiben können.

Praxiseinsatz: Die iHausTechnologie im Konferenzraum.
Foto: iHaus

Während iHaus sich mit relativ bescheidenen Mitteln im Blindflug einen Platz im Markt erobert hat, haben Google und Apple vor allem durch ihre massiven Investitionen für Schlagzeilen gesorgt. Oberflächlich gesehen scheinen die 3,2 Milliarden Dollar, die Google Anfang des Jahres für Nest Labs hingeblättert hat, nicht wirklich gut angelegt zu sein. Denn neben Funk-Rauchmeldern hat die neue Tochter nur Zweipunktregler für die in den USA üblichen Warmluftheizungen mitgebracht.

In Europa und den meisten anderen Regionen der Welt sind dagegen Heizungen mit Stetigreglern verbaut. Abgesehen davon erfordern die Nest-Regler eine US-Postleitzahl. Apple hat zwar mit iBeacon 2013 nützliche Bausteine zur Steuerung von Smart Home eingebracht, scheint sich sonst aber eher damit zu begnügen, dass die meisten mobilen Apps zunächst für iPhone und iPads entwickelt werden. Das mit iOS 8 vorgestellte Apple Homekit kommt anders als Apple Healthkit kaum in die Gänge.

iHaus verknüpft Apple HomeKit und Amazon Alexa mit Gebäudesystemtechnik

iHaus hat sich auf die Themen Smart Home und Internet of Things (IoT) spezialisiert. Dazu hat das Unternehmen eine Smart-Home-App für die Plattformen iOS und Android entwickelt, die der Schlüssel für ein intelligentes vernetztes Zuhause sein will.

Nun hat der Münchner Spin-off der Claus Heinemann Elektroanlagen GmbH seine Software-Lösung zur Steuerung und Verknüpfung internetfähiger Geräte um Apple HomeKit und Alexa von Amazon erweitert. Mit der App soll es möglich sein, WLAN-fähige Geräte unabhängig vom Hersteller miteinander zu vernetzen und bestehende KNX-Lösungen aus der Gebäudesystemtechnik mit IoT-Lösungen zu verknüpfen. Die neue App-Version 2.2 unterstützt nun erstmals auch Apple HomeKit. Damit sollen sich etwa smarte Steckdosen und intelligente Heizungsregler, die mit dem Label "Works with Apple HomeKit" versehen sind, über die App zentral bedienen und steuern lassen. Nach Angaben des Unternehmens soll das auch von unterwegs aus funktionieren.

"Der Nutzer bekommt damit völlig neue Use Cases an die Hand", erklärt iHaus-Vorstand Robert Klug. Mit jeder Integration werde iHaus immer mehr zum digitalen Knotenpunkt im alltäglichen Leben. Als neue Kombinationsmöglichkeit zwischen Systemen und Geräten sollen jetzt "HomeKit-Produkte beispielsweise über Amazon Echo auch auf die Sprachassistentin Alexa und nicht nur auf Apples Siri hören". Eine Steuerung aus der Ferne sei auch "ohne die sonst obligatorische Apple-TV-Verknüpfung" möglich.

In Karlsfeld bei München betreibt das Unternehmen ein Musterhaus, das auf Wunsch besichtigt werden kann.

Fazit

Aus den soeben genannten Gründen ist der vielfach gehegte Verdacht, dass es Google und Apple bei Smart Home mehr darum geht, unschätzbare Informationen über das Verbraucherhalten zu sammeln, vielleicht gar nicht so falsch. Andererseits wäre der Markt ohne die beiden führenden mobilen Betriebssysteme längst nicht so beflügelt wie heute. Denn diese haben ein Ökosystem geschaffen, das den Spieltrieb fördert. KNX-Systeme mögen zwar in punkto Sicherheit und Zuverlässigkeit immer noch die erste Wahl sein, aber erst durch IP- und Funklösungen wird das Spielfeld massenmarkttauglich und für jedermann erschwinglich.