Eine Vielzahl autarker Landesgesellschaften mit unterschiedlichen und wenig vergleichbaren Organisationsstrukturen sind dem Ingram-Europchef Gerhard Schulz ein Dorn im Auge: "Ich hatte die letzen Monaten Gelegenheit, die europäische Seite von Ingram Micro kennenzulernen und habe darüber nachgedacht, was man daraus machen kann", erzählt er. Herausgekommen ist laut Schulz das "größte Umbauvorhaben" das bisher bei Ingram auf Europaebene realisiert wurde. So soll die die gegenwärtige Struktur der Landesgesellschaften in ein einheitliches paneuropäisches Geschäftsmodell umwandeln. Damit soll die Zusammenarbeit mit Herstellern, Kunden und anderen Geschäftspartnern "deutlich verbessert" werden. Für den Europapräsidenten besteht da akuter Handlungsbedarf: "Der IT-Markt unterliegt einem signifikanten Wandel, auf den sich der IT-Channel mit seinen Geschäftsmodellen entsprechend einstellen muss", erklärt er.
Gehaltsvorteile in Osteuropa
Durch die Vereinfachung und Standardisierung des organisatorischen Set-ups aller Länder verspricht sich Schulz eine bessere Ausnutzung von Skaleneffekte und der lokalen Expertise. Natürlich will der Broadliner auch Kosten sparen: Schulz spricht von substanziellen Einsparungen in "zweistelliger Millionenhöhe". Eine besondere Rolle kommt dabei dem Shared Services Centers im bulgarischen Sofia zu. Hier soll das Personal von derzeit 250 auf 500 Mitarbeiter verdoppelt werden. So wandern zahlreiche Back-Office-Funktionen aus den einzelnen Landesgesellschaften nach Bulgarien. Zudem werden Aufgaben, die bisher noch aus der Brightpoint-Historie in Barcelona ihre Heimat hatten, nach Sofia umgesiedelt. Man wolle dadurch auch "Gehaltsvorteile in Osteuropa nutzen", erläutert Schulz.
Value-Geschäft nach Deutschland
Durch die Umstrukturierungen werden Prozesse, Zuständigkeiten, Themengebiete oder Funktionen zentralisiert aber dezentral in diversen Landesgesellschaften verortet. "Die verantwortlichen in den Landesgesellschaften können sich nun mehr um ihre lokalen Märkte kümmern als um die Infrastruktur", hofft Schulz. Die Maßnahmen werden allerdings nicht ohne Auswirkungen auf die Personalsituation in den einzelnen Landesgesellschaften bleiben. Man werde in enger Kooperation mit den Mitarbeitervertretungen in den einzelnen Ländern über die Pläne beratschlagen und Vorschläge für eine faire Regelung für die betroffen Mitarbeiter vorlegen, heißt es bei Ingram.
Für Deutschland gibt Schulz aber vorsichtige Entwarnung: "In Deutschland wurde bereits im vergangenen Jahr der Umbau schon nach der europäischen Vorgabe gestaltet", erklärt der Europachef. Man habe die Hausaufgaben gemacht und könne nun durchstarten. Zwar werden weitere Beck-Office-Aufgaben nach Bulgarien ausgelagert, doch mit der Verantwortung für das Value-Geschäft wird der deutsche Standort aufgewertet. "Wir freuen uns, dass beispielsweise das europäische Kompetenzzentrum für das Value-Geschäft zukünftig in München angesiedelt sein wird", erklärt Marcus Adä, Vorsitzender der Geschäftsführung von Ingram Micro in Deutschland. So werden große Accounts wie Cisco oder das Enterprise-Geschäft von Hewlett-Packard künftig von Dornach aus gesteuert. Allerdings bedeutet der Konzernumbau auch das Aus für das ehemalige Brightpoint-Lager in Trier, das in das Straubinger Logistikzentrum integriert wird. Rund 60 Logistikmitarbeiter sind von der Schließung betroffen.
Übernahmen im Data-Center-Segment geplant
Schulz macht kein Hehl daraus, dass das Data-Center-Geschäft weiter ausgebaut werden muss wenn man eine Führungsrolle in Europa für sich beanspruchen will. Er spricht von der Vervollständigung des Data-Center-Portfolios. Neben dem organischen Wachstum erwägt er auch weiter Übernahmen in diesem Marktumfeld.
Für die Umsetzung der Maßnahmen hat Schulz einen straffen Zeitplan verordnet: Noch im laufenden Jahr sollen die Umstrukturierungen schrittweise umgesetzt werden. Wichtig sei bei solchen vorhaben, die Führungskräfte hinter sich zu bekommen, "und das habe ich", ist sich Schulz sicher. Er habe keine Angst davor, dass da jemand nicht mitzieht.