Auf dem AWS Transformation Day in München hat Klaus Bürg, General Manager für AWS in der DACH-Region, den offiziellen Start der AWS Industrial Software Competency bekannt gegeben. Vorangekündigt hatte AWS das Programm bereits zur Hannover Messe im April 2018. Generell will AWS mit dem Competency Programm das Vertrauen der Kunden in eigenen Cloud-Angebote stärken. Dazu werden die Partner, die in das jeweilige Kompetenzprogramm aufgenommen werden, zuvor einer gründlichen Prüfung unterzogen und müssen nachweisen, dass ihre Produkte sich bereits bei mehreren Kunden erfolgreich im Einsatz befinden.
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Die Industrial Software Competency ist die erste, zuerst in EMEA verfügbar gewordene AWS Software Competency überhaupt und insgesamt die neunte Branchenkompetenz . AWS will damit den - aufgrund seiner Nutzungszahlen festgestellten - Bedarf der Kunden im Bereich Industrie und Fertigung bedienen.
Auf der Veranstaltung im Triebwerk in München-Neuaubing - einer ehemaligen Reparaturwerkstatt der Deutschen Bahn - zeigte Amazon den Besuchern auch Zahlen aus einer von AWS unterstützten IDC-Umfrage in den USA und Deutschland. Demnach sind - je nach Einsatzzweck - bis zu 60 Prozent der Industrieunternehmen an Cloud-Angeboten interessiert. Derzeit überwiegt zwar noch der Wunsch, existierende Infrastruktur in die Cloud zu verlagern, anstatt sie weiterhin selbst zu betreiben (IaaS, Infrastructure as a Service), aber in Teilbereichen ist auch signifikantes Interesse an SaaS-Angeboten (Software as a Service) feststellbar. Am höchsten ist das bei MES (Manufacturing Execution Systems), Fertigungs-Management-Systemen (früher: Planung-Produktion-Steuerung, PPS), Logistik und Enterprise Asset Management.
Laut Maggie Slowik, Senior Research Analystin bei IDC, waren auch die Marktforscher von der hohen Cloud-Akzeptanz der Fertigungsunternehmen überrascht. Maggie rechnet jedoch damit, dass vor allem der Anteil derer, die SaaS-Angebote in Anspruch nehmen wollen, in den kommenden Jahren zunehmen wird. Der reine Umzug existierender Infrastruktur in die Cloud (IaaS) sei eher ein kurzfristiges Phänomen und darauf zurückzuführen, dass Firmen bestehende Abläufe zunächst erhalten wollen.
Unterschiedliche Ansichten bei Channel und Anwendern
Slowik zufolge steht jedoch die gesamte Fertigungsbranche unter einem hohen Druck. Während in der Vergangenheit Prozess- und Kostenoptimierung im Vordergrund standen, sei nun Innovationskraft und Flexibilität gefragt. Zusammen mit dem gesamten Komplex IoT und Industrie 4.0 aber auch der Blockchain-Thematik, beschleunige das die Cloud-Adaption. Der Zwang, innovativ zu sein, sei sogar so hoch, dass Sicherheitsbedenken zurückgestellt würden oder der Security-Aspekt als gelöst betrachtet werde. Das Thema habe inzwischen bei Entscheidern in Unternehmen nicht mehr oberste Priorität.
Im Channel ist diese veränderte Einstellung aber noch nicht angekommen. Für ISVs, Systemintegratoren und Consultants sei Security nach wie vor die größte Sorge. Sie müssten umdenken, um nicht an den Bedürfnissen ihrer Kunden vorbei zu argumentieren, so die IDC-Analystin.
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Die 15 ersten Partner der Industrial Software Competency
Slowik sieht vor allem das Engagement von alteingesessenen Firmen wie Siemens, das mit seiner PLM-Lösung und seinem IoT-Angebot "Mindsphere" am AWS-Programm teilnimmt, als wichtiges Signal. Einerseits zeige es den Unternehmen, dass diese Anbieter die Zeit für Cloud-Angebote grundsätzlich für gekommen halten. Andererseits sei deren Entscheidung für AWS ein wichtiger Pluspunkt für die Amazon-Sparte im Wettbewerb mit Firmen wie Microsoft, Google oder Salesforce, die bereits ihre eigenen Cloud-IoT-Angebote entwickelt haben. Ihnen drohe AWS mit dem bereits aufgebauten und sich erweiternden Partner-Ökosystem davonzuziehen.
Die nun verfügbare Industrial Software Competency startet mit zunächst 15 Partnern. Neben Siemens gehören dazu unter anderem auch Autodesk, Beckhoff, Cadence und Infor. Außerdem sind die noch jüngeren Firmen Actyx, die MIT-Ausgründung Tulip aus Boston und das kürzlich von der Münchner Rück übernommene Startup Relayr dabei. Ebenfalls an Bord ist der CAD-Spezialist Gräbert. CTO Robert Gräbert erhofft sich im Gespräch mit ChannelPartner für das Eigenprodukt "Ares" und vor allem für das im Browser nutzbare "Ares Kudo" Vorteile. Zunächst sei Gräbert bei AWS selbst Kunde gewesen. Man habe die am Markt verfügbaren Angebote geprüft und dabei festgestellt, dass AWS am besten passte.
"Wir wollten ja nicht nur Rechner mieten, sondern vor allem Dienste nutzen", begründet Gräbert seine Entscheidung für AWS. Inzwischen greife sein Unternehmen auf etwa 30 AWS-Dienste zurück. Durch die Diskussion über die Nutzungsmöglichkeiten sei man mit dem Konzern auch über die Teilnahme am Industrial Software Competency Programm ins Gespräch gekommen.
Gräbert sieht diese Partnerschaft pragmatisch: "Wir sind zum Beispiel auch Microsoft-Partner für unsere Desktop-Angebote." AWS sei einfach die Entsprechung in der Cloud. Die für die Aufnahme in das Programm erforderlichen Prüfungen nahm Gräbert sportlich: Er habe das Qualifizierungsverfahren als kostenlose Beratung und Quelle für Verbesserungsvorschläge gerne durchlaufen.
AWS-Deutschland-Chef Klaus Bürg wird auch auf dem Systemhauskongress CHANCEN am 28. September in Düsseldorf die Strategie des Unternehmens erläutern und anschließend für Gespräche zur Verfügung stehen.
Zum Video: Industrial Software Competency für AWS-Partner verfügbar