Igel-CEO Jed Ayres hat gegenüber US-Medien den Ausstieg aus dem Hardware-Geschäft angekündigt. Aktuell ist Igel in Nordamerika und Europa zusammengenommen der drittgrößte Anbieter von Thin-Client-Hardware und kann auf eine installierte Basis von drei Millionen Geräten verweisen. Dennoch soll die nächste Generation des Edge OS von Igel ausschließlich auf Hardware von Partnern angeboten werden. Aktuell sind das vor allem LG, Lenovo und HP. Aber auch Geräte von Dynabook, Extra Computer und Rangee finden sich in der Liste der möglichen Endpoints auf der Igel-Webseite. Womöglich kommen bis oder auf der Hausmesse "Disrupt" (14. bis 16. Februar im Raum München) noch weitere Hersteller hinzu.
Angesichts der guten Marktposition kommt der Ausstieg für manche möglicherweise überraschend. Eigentlich hat er sich jedoch abgezeichnet. Nachdem die Kooperationen mit HP, Lenovo und LG bekannt gegeben wurden, stellten sich auch die Distributoren entsprechend auf. Zum Beispiel erweiterte Igel-Distributor ADN sein Portfolio um Thin Cients von LG und vertiefte diese Zusammenarbeit dieses Jahr noch.
Nachdem nun zertifizierte Geräte der Hardware-Partner mit Igel OS lieferbar sind, konnte CEO Ayres dann die eigene Produktion abkündigen. Das Ziel, Igel zur Software-Firma zu entwickeln, habe er schon von Anfang an verfolgt. Auch in Deutschland motivierte Igel seine Partner schon seit längerem, sich auf den Software-Vertrieb auszurichten. Hierzulande wird inzwischen über 60 Prozent des Umsatzes mit Software-Verkäufen erzielt. In den USA sind es sogar rund 90 Prozent.
Wie ChannelPartner aus firmennahen Kreisen erfuhr, hatte Igel seine wichtigen Partner schon informiert, bevor der CEO im Interview "die Bombe platzen ließ". Igel-Distributor ADN etwa hat "diesen Übergang seit geraumer Zeit aktiv vorbereitet und kann so nun nahtlos mit Igel-zertifizierter Thin Client-Hardware von LG und HP" anbieten, wie das Unternehmen mitteilt.
"Daher handelt es sich also mehr um einen Übergang als einen Bruch", sagt ADN-Chef Hermann Ramacher. Weitere Cloud-Device-Hersteller mit Igel OS will er ins Portfolio aufnhemen. "Die Garantie- und RMA-Gewährleistungen für bereits erstandene Igel-Geräte laufen weiter, für neue Anfragen haben wir die optimalen Alternativen im Portfolio. Das bedeutet, Partner werden nicht alleingelassen, sondern wir geben ihnen Geräte und Lösungen an die Hand, mit denen sie nicht nur bestehendes Geschäft halten, sondern sogar weitere lukrative Umsätze hinzugewinnen können."
Auch die 5-Jahres-Garantie von Igel beeinträchtgte der Abschied von der Hardware nicht. Hardwareausfälle und -reparaturen seien weiterhin unter Gewährleistung. "Kunden können RMAs auf der Igel-Website entsprechend anmelden. Dafür arbeitet Igel mit guten Partnern in Nordamerika und EMEA zusammen, die Lagerbestände und Ersatzteile vorhalten", kommt ADN entsprechenden Anfragen zuvor.
Alle dürften mit dem Schritt dennoch nicht einverstanden sein, insbesondere in Deutschland, wo Igel ein große Anzahl auch kleinerer Partner hat, die auch mit der Betreuung der Hardware bei ihren Kunden rechnete. Allerdings hat das Unternehmen aber inzwischen auch viel stärker den viel größeren US-amerikanischen Markt im Visier, in dem es sich hervorragend entwickelt.
Insbesondere für große Kunden dürfte die Igel-Hardware schon in der Vergangenheit eher eine Last gewesen sein. Sie haben bereits ihre Hardware-Lieferanten und sind oft unwillig, weitere hinzuzunehmen. Außerdem fehlt Igel als Spezialisten für Thin Clients die Breite des Hardware-Portfolios - was sich immer mehr bemerkbar machte, umso leistungsfähiger und vielseitiger die Software wurde.
Nicht zuletzt dürfte der Aufwand, der mit der Produktion und dem Vertrieb von eigener Hardware verbinden ist, für die Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Auch als Nummer bei Thin Clients in Deutschland ist man bei der Bestellung von Komponenten in Asien sehr weit hinten in der Warteschlange. In Zeiten, in denen sogar Großabnehmer wie Apple mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen haben, ist das keine einfache Position.
Igels Entscheidung lässt sich zudem auch mit der Entwicklung beim HCI-Pionier Nutanix vergleichen. Auch der bot zunächst seine Software auf eigener Hardware an. Bald bemerkte er aber, dass er mit Firmen wie HPE, Lenovo oder Dell bei der Fertigung, Verteilung und Betreuung von Hardware nicht mithalten kann und verlegte sich auf die Weiterentwicklung seiner Software. Inzwischen bieten die sogar Firmen auf ihrer Preisliste an, die sich zunächst dagegen verwahrt haben, dass sie auf ihren Geräten installiert wird.
Ob Igel soweit gehen wird, den offenen Konflikt mit PC-Herstellern zu wählen, darf bezweifelt werden. Mit weiteren Partnerschaften kann dagegen gerechnet werden. Schließlich suchen auch die PC-Fertiger angesichts Entwicklungen wie Desktop-as-a-Service, Modern Work und Cloud-Desktops nach Möglichkeiten, ihren Kunden eine durchgängiges Angebot zu machen.
Dennoch wird gerade in Deutschland vielen kleineren Partnern der gute alte Igel Thin Client fehlen. Support und Ersatz sollen sie für die bisher verkauften Geräte ebenso wie für die derzeit noch lieferbaren auch weiterhin wie gewohnt bekommen, heißt es aus dem Unternehmen. Ob sie sich als Globalisierungsverlierer sehen oder den Schritt als Möglichkeit ergreifen, das eigene Angebot zu erneuern, liegt dann an ihnen selbst. Alternativen bei der Hardware gibt es jedenfalls genug.
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