Ob Wunschdenken der um Umsätze und Margen bangenden Industrie oder echtes Verbraucherverlangen, 3D-Fernseher sind voll im Kommen und werden auf der IFA 2010 in Berlin bei vielen Herstellern den Ton angeben.
Der Ton im Sinne vom Klang wird übrigens vielfach immer flacher, genauso wie die Geräte, weshalb die deutsche Edelmarke Loewe bei der High-end-Serie der Individual-Reihe zum Beispiel ganz auf einen integrierten Lautsprecher verzichtet und stattdessen Soundprojektoren und schicke Standlautsprecher anbietet.
Loewe setzt auf HbbTV
Die IFA-Message beschreibt Loewe-Fachberater Günter Schwarz als "Individualität, weg von 0815". Wie er Mitte Juli 2010 auf einer IFA-Preview in München betonte, decke Loewe mit den vier Linien nicht nur den Premium-Bereich ab, in dem man mit Abstand marktführend sei, sondern richte man sich mit der netzwerkfähigen Connect-Reihe auch an die Zielgruppe der 20- bis 30-Jährigen aus mittleren Einkommensschichten.
HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV), eine paneuropäische Initiative, die auf Basis von CE-HTML, eines offenen Standards, Fernsehen und Mehrwertangebote aus dem Internet verbindet und zum Beispiel die Darstellung von Youtube-Filmchen auf dem TV-Gerät erträglicher macht.
Zu 3D befragt, sagte Schwarz, niemand könne sich dem Thema entziehen, auch Loewe nicht, obwohl man hier nicht der Treiber sei, sondern den Erfordernissen zunächst einmal des Wettbewerbs und dann des Marktes folge.
LGs Flaggschiff mit 400Hz-TruMotion
Wenn es so etwas wie treibende Kräfte im 3D-Rummel gibt, sind es die großen koreanischen Hersteller LG und Samsung Electronics. Aber selbst in den eigenen Reihen, in Europa und Nordamerika fanden sie teilweise Skeptiker. Dazu gehörte anfangs auch Peter Koch, Product Manager Home Entertainment Strategic Marketing bei LG, wie er einräumte.
"Avatar" habe ihn eines Besseren belehrt. Mehrmals habe er sich in verschiedenen Kinos den Erfolgsstreifen angeschaut, auch um zu vergleichen zwischen der Qualität der linearen und zirkularen Darstellung. Erstere ist die Technik, die bei Shutterbrillen zum Einsatz kommt, Nachteil ist allerdings, dass man tunlichst vermeiden sollte, den Kopf auf die Schulter der oder des Geliebten zu legen, denn dann wird das Bild schwarz und sieht man vom 3D-Effekt gar nichts mehr. Bei der zirkularen Technik können sich dagegen höchstens leichte Verfärbungen zeigen.
Wie LGs operativer Deutschlandchef (COO) Ulrich Kemp sagte, sei der Produktbereich Home Entertainment auch dank der Fußball-WM mit 64 Prozent am stärksten gewachsen.
Der koreanische Riese wird auf der IFA eine Reihe von 3D-Produkten einschließlich Blu-ray-Player vorstellen. TV-Flaggschiff zurzeit ist der 3D-Full-LED-Fernseher LX9500, der dank TruMotion mit 400 Hertz (Hz) für ein besseres 2D- wie auch 3D-Erlebnis sorgen soll. Full-LED heißt, dass die LEDs nicht an den Rändern, sondern direkt hinter dem Panel, wodurch sich das Bild in 240 Segmenten lokal dimmen lässt. Bei LGs LED+-Familie von Typ Edge sind es nur 16 Segmente. Einfache LED-TVs kommen ohne Local Dimming.
Mit einem nur 16 mm breiten Rahmen und einer Bautiefe von lediglich 22,5 mm gehören die 47- und 55-Zöller aus der LX9500-Reihe zu den schlankesten Geräten am Markt.
Hauchdünne Vorstufe zu XXL-OLED-TV
Absolutes IFA-Highlight bei LG werden "Nano Full LED" genannte Fernseher mit einer Display-Bautiefe von nur 7,8 mm sein. Auch diese werden natürlich als 3D-Fernseher angeboten und könnten im High-End-Premium-Segment schon im vierten Quartal 2010 in Deutschland aufschlagen. "Nano Full LED bringt das, was wir von OLED erwarten", erklärte Koch auf der IFA-Preview. Von großen OLED-TVs träumt die Display-Welt schon seit den frühen 1990er Jahren, der Produktionsausschuss ist aber bei großen OLEDs noch viel zu hoch, weshalb die Technologie hauptsächlich bei Handys und Kameras eingesetzt wird, mit mittlerweile recht hohen Marktanteilen übrigens. Lange Zeit war Sony mit dem 11-Zöller "XEL-1" der einzige Anbieter von OLED-Fernsehern. LG hat dann aber mit dem 15 Zoll großen "EL9500" überholt. Das Gerät hat nur eine Display-Bautiefe von 4,2 mm, woran man erkennen kann, wohin die Reise gehen könnte. Samsung zeigt auf Messen immer wieder einen über 40 Zoll großen Prototypen, der stetig verbessert wird, aber noch lange nicht marktreif ist.
Da aktive Shutterbrillen über 100 Euro kosten, Polarisationsbrillen dagegen nur 3 bis 5 Euro hat LG auch einen ebenfalls mit Full-LED ausgestatteten LCD-Fernseher mit zirkular polarisierter Brille im Angebot. Der LD950 hat dank der Lösung mit Pol-Brille auch den Vorteil, dass der 3D-Effekt weniger blickwinkelabhängig ist, womit eine größere Zuschauerschar in den Genuss kommen kann, wie Koch erklärte.
Einen Blu-ray-Player mit integrierter Festplatte und DVB-S2-Tuner für den HD-Empfang über Satellit hat LG schon in petto. An einer Lösung für HD-Kabelempfang (DVB-C) arbeite man, allerdings sei der Bedarf daran in kaum einem Land so groß wie in Deutschland, so Koch.
Samsung mit 25 3D-Produkten
Samsung wird auf der IFA 25 Endgeräte für 3D-TV ausstellen, darunter Fernseher und Blu-ray-Player, wie bei LG und anderen Herstellern ebenfalls mit HDD-Recording, so der BD-C8900S, wie der in Deutschland geborene Junior-Produktmanager Sang-Won Byun erklärte. Wer nicht nur 3D-Fernseher und einen Blu-ray-Player haben will, sondern auch den entsprechenden Sound, dem empfiehlt Byun eine 7.1-Blu-ray-Heimkinoanlage wie die HT-C9959 zum Preis von 1.999 Euro. Es tut aber auch das halb so teure Geschwisterchen HAT-C6930.
Als neue Königsklasse stellt der koreanische Riese auf der IFA den im Premium-Segment angesiedelten 3D-LED-Fernseher C9090 mit rundum gebürstetem Aluminiumgehäuse in Silberoptik mit einer Bautiefe von 7,98 mm vor.
Durch die integrierte 3D-HyperReal-Engine sollen 3D-Bilder besonders plastisch herüberkommen. Vorausgesetzt, die Augen machen mit. Manche können 3D gar nicht sehen, für andere wird es schnell zur Qual. Denn wie beim Autor des Artikels kann ein leichter Astigmatismus oder Schielfehler schon den 3D-Blick vernebeln.
Fernbedienung als Streitschlichter
Zur Luxus-Ausstattung des C9090 gehören ein integrierter DVB-T/C-Tuner mit CI Plus, ein Personal Video Recorder (PVR) und Internet@TV. In 40, 46 und 55 Zoll verfügbar, rangieren die Preise der C9090-Serie zwischen 3.999 und 5.999 Euro.
Als "Streitschlichter" bezeichnet Byun die mitgelieferte Fernbedienung der Serie. Denn diese verfügt über einen 3 Zoll großen Touchscreen, der nicht nur eine virtuelle QWERTZ-Tastatur bietet, sondern auch die Möglichkeit der Anzeige eines zweiten Fernsehprogramms mit Ton über den eingebauten Lautsprecher oder die Kopfhörerbuchse.
Dafür sorgt der im Fernseher eingebaute zweite DVB-T/C-HDTV-Tuner. Ob sie sich damit begnügen wird, CSI auf dem kleinen Display zu sehen, während er Fußball in XXL genießt, sei dahingestellt, aber nett ist die Idee schon. Apropos XXL, wer es so richtig groß mag, dem empfiehlt Samsung das Plasma-Flaggschiff 7790.
Mit 63 Zoll Biddiagonale und einem Preis von 3.499 Euro ist der Bolide fast ein Schnäppchen. "Jeder Zehnte in Deutschland verkaufte Fernseher ist ein Plasma-Gerät, viele Kunden finden das Bild sogar besser", erklärt Byun, warum man an der Technologie festhalte.
Bei 3D-fähigen LCD-TVs setzt Samsung wie ein Großteil der Konkurrenz auf LED-Backlight, was auch damit zu erklären ist, dass mit dem neuen Backlight das sogenannte Price Premium besser zu argumentieren ist. Byun zufolge will Samsung den LED-TV-Anteil bis Ende des Jahres auf rund 50 Prozent erhöhen. Umsatzmäßig sei man schon fast soweit.
Toshibas Cell-TV wandelt 2D in 3D um
"Toshiba macht 3D zum Hauptdarsteller auf der IFA", heißt es in einer Pressemeldung zur Preview-Veranstaltung. Daneben setzt der japanische Hersteller bei Fernsehern auch auf Mehrwertdienste wie das oben genannte HbbTV. Einer europaweiten Umfrage folgend, wonach 50 Prozent der Anwender heute Fotos, Videos und Musik zwischen verschiedenen Geräten im heimischen Netzwerk austauschen, hat Toshiba bei den eigenen Fernsehern auch an die Windows-7-kompatible Vernetzung gedacht. Die Geräte sollen außerdem Standards wie WiFI, WPS (Wireless Protected Setup) und DLNA unterstützen.
Star der IFA 2010 soll der neue Cell-TV sein. Die Cell-Technologie geht auf die Playstation 3 zurück und wurde von Toshiba schon vor zwei Jahren vorgestellt. Der neue Cell-Prozessor soll aber noch leistungsfähiger sein und aufwändige Algorithmen für die Konvertierung von 2D- ind 3D-Inhalte in 1a-Qualität bieten.
"Mit dem Cell-TV werden wir in vielen Bereichen neue Mastäbe setzen", sagt Toshiba-Marketingleiter Sascha Lange. Wie er ChannelPartner gegenüber betonte, werde der Cell-TV nicht zuletzt deswegen im HoghEnd-Premium-Segment angesiedelt sein, weil Toshiba die LED-Hintergrundbeleuchtung mit Local Dimming in 512 Zonen selbst entwickeln musste, weil sich kein Hersteller fand, der die Technologie zur Verfügung stellen wollte, was bei einer Serie natürlich sehr teuer sei. LG Display hätte es gekonnt, wollte aber nicht damit herausrücken, andere auch nicht, so Lange.
Dank der speziellen Hintergrundbeleuchtung soll der Cell-TV ein Kontrastverhältnis von 9.000.000:1 aufweisen. Durch die Cell-Technologie werde das von Resolution + bekannte Upscaling sehr viel effizienter, sagte Lange. Wie viele Konkurrenzprodukte sind die neuen Toshiba-Fernseher auch mit HD-fähigem DVB-T2-Tuner ausgestattet. Während terrestrischer HD-Empfang in Deutschland noch kein Thema ist, gebe das neben Australien auch in England schon. Wie LG-Manager Koch sagte, wird auch in Frankreich schon DVB-T in HD-Qualität ausgestrahlt, allerdings nur mit MPEG4.
Anixe 3D Kinomagazin zur Geisterstunde
Auch auf die Gefahr hin, dass das Content-Angebot noch lange auf Blu-ray-Discs und gelegentliche 15 Minuten Anixe 3D Kinomagazin kurz vor der Geisterstunde begrenzt bleibt, wird Deutschland nach der IFA wohl überrollt werden mit 3D-Geräten. Wie ChannelPartner von dexxIT erfahren hat, scheint das Thema heute noch mehr Hype als Realität zu sein, weil 3D-Fernseher oft noch gar nicht verfügbar sind. Das Thema 3D-TV ist mit den genannten Herstellern natürlich lange nicht erschöpft. Auch Sony und Philips bauen ihr Angebot aus. Ein Philips-Manager hat allerdings gesagt, dass 3D-TV sich nicht durchsetzt. Hyundai hat schon vor Jahren sehr eindrucksvolle 3D-Fernseher präsentiert.
"3D, aber ohne Brille" von Fraunhofer
LG und Toshiba gehören zu den ersten Anbietern von 3D-Displays, die als Digital-Signage-Lösungen für Shopping Malls etwa keine Spezialbrille erfordern. Der koreanische Marktforscher DisplayBank hat brillenloses 3D als eine der zehn Display-Zukunftstechnologien der nächsten zehn Jahre bezeichnet.
Auch das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut in Berlin arbeitet daran und wird auf der IFA entsprechende Lösungen zeigen, die sich sehen lassen können, weil sie weniger abhängig vom Abstand und Blickwinkel funktionieren. Am Stand erleben durfte man übrigens Bilder der gerade zu Ende gegangenen Fußball-WM, die von der FIFA teils in 3D übertragen wurde.
Außerdem braucht es für den brillenlosen 3D-Effekt keine 100-, 200- oder 400-Hz-Fernseher. Wie ein junger Fraunhofer-Mitarbeiter erklärte, tue es auch ein 50-Hz-Gerät. Eine Besonderheit von "3D, aber ohne Brille" ist das Eye- oder Gesichts-Tracking. Eine Kamera analysiert die genaue Position der Augen des Betrachters und stellt somit scher, dass er das 3D-Bild stereoskopisch sieht. Neben der brillenlosen arbeitet das Institut auch an anderen 3D-Lösungen. "3D4YOU" ist ein europäisches Forschungsprojekt, das 3D-TV-Systeme der Zukunft entwickeln soll. Zusammen mit Loewe arbeitet das Institut auch an dem von der Bundesregierung geförderten PRIME-Projekt, das dem Nutzer unter andere erlauben soll, über die Fernbedienung den Tiefeneindruck und das individuelle 3D-Sehen zu steuern. (kh)