Mit der Neubesetzung des Chefpostens bei HP durch Meg Whitman hat der HP-Verwaltungsrat einen Schlussstrich unter die elfmonatige und letztlich unglückliche Ägide von CEO Léo Apotheker gezogen. Ein überaus lesenswerter Artikel in der "New York Times" macht im Übrigen deutlich, dass weniger Apothekers Rausschmiss eine Überraschung ist als vielmehr die Tatsache, dass und wie er überhaupt als CEO zu HP geholt wurde – Director Marc Andreessen demnach hätte übrigens lieber Scott McNealy (!) gehabt. Der Verwaltungsrat kommt dabei alles andere als gut weg, inzwischen hat es allerdings eine ganze Reihe personeller Umbesetzungen gegeben.
Nach Bekanntgabe des Führungswechsels sprach die neue HP-Chefin Meg Whitman dann gleich mit der US-Journalistin Kara Swisher von "All Things Digital", die mit ihrer Berichterstattung den medialen Countdown für Apothekers Rausschmiss eingeläutet hatte. "HP ist eine Ikone und der Ort, von dem der Zündfunke für Silicon Valley ausging", so Whitman gegenüber Swisher. "Ich bin entschlossen, das Unternehmen wieder an den Platz zu führen, der ihm gebührt. Und ich kann das."
Das sieht natürlich auch der neue Executive Chairman Raymond Lane so, der Whitman höchstpersönlich rekrutiert hatte, nachdem sie nach ihrem letztlich erfolglosen Ausflug in die große Politik seit einiger Zeit im HP-Verwaltungsrat saß. "Leo war durchaus gut darin, herauszufinden, was HP tun musste um Mehrwert zu schaffen", billigt der neue Executive Chairman zu. "Aber ihm fehlten wichtigere Werkzeuge, die wir brauchten – zum Beispiel Operational Excellence, Menschenkenntnis und Kommunikationsfähigkeit." Und genau die will er bei Whitman ausgemacht haben. "Meg hat all diese Dinge", so Ray Lane weiter. "Als wir uns im Board Room umgeschaut haben, wurde uns plötzlich klar, dass wir genau dort längst hatten, was wir brauchten."
Whitman hat vier Prioritäten
"Zeit, dass wir uns an die Arbeit machen", hatte Whitman in der Telefonkonferenz zur Erläuterung des Führungswechsels gesagt. Gegenüber Swisher nannte sie auch gleich vier Prioritäten, die sie zum Start angehen wolle: Erstens in den nächsten 45 Tagen dafür sorgen, dass HP im laufenden Quartal die Erwartungen der Wall Street erfüllt, zweitens die Integration der von Amtsvorgänger Apotheker eingeleiteten Übernahme von Autonomy ("Ich weiß aus meiner Zeit bei eBay eine Menge über unstrukturierte Daten – da gibt es nur einen Marktführer, und das ist Autonomy."), drittens eine baldige Entscheidung über die Zukunft der PC-Sparte Personal Systems Group (PSG), die laut Lane schon mal definitiv nicht verkauft wird, und last, but not least die HP-Belegschaft besser kennenzulernen – "wohl das Wichtigste, das ich hinkriegen muss."
Whitman und Lane wandten sich auch bereits in einer gemeinsamen E-Mail an die HP-Belegschaft. "Wir alle wissen, dass sich die Techniklandschaft rapide verändert und wir mehr tun müssen, als uns dem nur anzupassen", schreiben die CEO und der neue Executive Chairman. "Wir müssen in Innovation investieren, die Stärke unseres Kerngeschäfts ausnutzen, unsere Software-Fähigkeiten ausbauen und unsere Assets integrieren, um den Wert unserer Investitionen zu maximieren. Wir glauben an die Strategie von HP und sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam, mit neuem Fokus und neuer Energie unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Aktionären, Kunden und anderen Stakeholdern erfüllen werden."
Die Analysten von IDC trauen das der neuen HP-Führung offenbar ebenfalls zu. "Nach unserer Einschätzung ist Meg Whitman eine erfahrene IT-Managerin und starke Kommunikatorin mit einer Erfolgsgeschichte beim Aufbau von Unternehmen im Technologiesektor", schreibt Crawford Del Prete, Vice President Worldwide Research Products und Chief Research Officer bei IDC. "Sie bringt wertvolle Erfahrung in der Führung komplexer und großer High-Tech-basierender Firmen mit." Die Entscheidung, schnell einen neuen CEO zu ernennen und eine langwierige formelle Executive-Suche zu vermeiden, spreche für den Wunsch des Unternehmens, seine Glaubwürdigkeit bei Kunden, Mitarbeitern und Investoren möglichst rasch wieder herzustellen.
Ambitionierte Strategie
Die von Apotheker verkündete neue Konzernstrategie, HP in einen Anbieter von Software und Cloud-Diensten zu "transformieren", nennt Del Prete "sehr ambitioniert" angesichts dessen, wo der Konzern heute stehe. "Auch wenn HP strategisch den Anteil an Umsatz und Gewinn aus Software und Services steigern muss, wird das Zeit brauchen", so der IDC-Experte weiter. "Fürs Erste bleibt HP ein Unternehmen, bei dem der Großteil der Einnahmen aus Hardware kommt. Das kann sich mit der Zeit ändern, aber dafür braucht es zusätzliche Akquisitionen, eine komplexe Integration der Geschäftsbereiche und signifikante Produktentwicklung."
HP, einst von David Packard und William Hewlett in einer Garage gegründet, macht heute mit 324.600 Mitarbeitern weltweit 126 Milliarden Dollar Umsatz proJahr. Allerdings sieht sich der Konzern mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontiert: Im PC-Geschäft hat Hewlett-Packard mit dem Aufkommen des Apple iPad und anderer mobiler Produkte sowie einem wiedererstarkten Dell zu kämpfen. Mit früheren Partnern wie Oracle liegt das Unternehmen im Clinch, weil sich beide Firmen inzwischen stärker gegenseitig Konkurrenz machen. Und im Service-Geschäft kämpft HP schon immer gegen das finanziell bestens gerüstete IBM.
Mit Aktivitäten in so vielen unterschiedlichen Sektoren "gibt es keinen Menschen auf diesem Planeten, der all die Bühnen wirklich tief versteht, die HP bespielt", so IDC-Mann Del Prete. Maggie Wilderotter, die mit Meg Whitman gemeinsam im Board von Procter & Gamble sitzt, traut der neuen Chefin aber zu, Hewlett-Packard wieder auf Kurs zu bringen. "Sie hat wohl verstanden, was das Unternehmen anders machen muss." (Computerwoche/tö)