Einige Partner aus dem Rheinland hatten sich über die Wahl des Veranstaltungstags am 7. Februar gewundert. Er fiel auf den Donnerstag vor Aschermittwoch und damit - je nach regionaler Färbung - auf Weiberfaasnet (Schwäbisch) oder Wieverfastelovend (Kölsch). Von der Teilnahme am IBM Partner Kick off abgehalten hat das Datum aber nur wenige: Rund 600 Systemhäuser, ISVs waren im Mannheimer Congress Center Rosengarten vor Ort, um sich über IBMs künftige Ausrichtung zu informieren. Und selbst die Krawatten blieben bis in den späten Abend hinein unangetastet.
Angesichts der wachsenden Frauenpower bei Big Blue war der Tag allerdings denn doch nicht ganz verfehlt gewählt: Noch nie waren im Top-Management so viele Frauen vertreten wie beim diesjährigen Kick Off.
Vom närrischen Treiben verschont zeigte sich IBM jedoch nicht nur an diesem Donnerstag, sondern auch rückblickend auf das vergangene Jahr: Im derzeit äußerst turbulenten Wettbewerberumfeld fällt der Konzern eher durch seine Konstanz auf - sowohl hinsichtlich der Vertriebs-Ausrichtung als auch mit Blick auf die Produktstrategie. Aufregendes Neues vermittelte der Partnertag nicht, was die insgesamt sehr gute Stimmung der Partner - vielleicht gerade deshalb -keineswegs schmälerte.
Channel strategisch und finanziell stärken
Deutlich wurde, dass IBM am eingeschlagenen Kurs festhalten will: Der Anteil des Channelgeschäfts am Gesamtumsatz, der im vergangenen Jahr weiter gestiegen ist, soll ausgebaut werden. "Wir sind dabei, in jedem Bereich Prozesse einzurichten, die den Erfolg der IBM-Mitarbeiter daran messen, wie erfolgreich sie mit den Partnern sind. Umgekehrt erwarten wir, dass Sie uns möglichst frühzeitig in die Projektanbahnung mit einbeziehen", stellte Stephan Wippermann, Vice President Geschäftspartner bei IBM Deutschland, klar.
Obendrein will IBM zusätzliche Gelder für die Unterstützung des Channels locker machen: "Wir werden dem SMB-Channel 2013 weltweit zusätzliche vier Milliarden Euro zur Verfügung stellen", kündigte Christoph Heitjans, Direktor IBM Global Financing bei IBM Deutschland an.
Alle weiteren bestehenden Angebote für Partner knüpfen an die bereits 2012 eingeleiteten und umgesetzten Schritte an: Ausbildungs- und Förderprogramme, die Partner dazu befähigen sollen, möglichst das komplette IBM-Portfolio zu einer Gesamtlösung zu bündeln und damit Kunden in unterschiedlichen Industriezweigen zu bedienen.
Den Löwenanteil bei der Ausbildung und Bündelung der Lösungen übernimmt die Distribution, über die Partner bereits seit Mitte 2012 ausschließlich beliefert werden. "Wir haben eine Rezeptur für die Zusammenarbeit von Distributoren und Resellern im Dienstleistungsbereich entwickelt, die sicherstellt, dass sich die Services gegenseitig ergänzen, statt in Wettbewerbssituationen zu münden", so Wippermann.
Er bekräftigte, was er auf dem Kick Off vor einem Jahr angekündigt hatte: "Alle Projekte unter 100.000 Euro sind ausschließlich Partnerprojekte - und dafür haben wir bei IBM auch hausintern die entsprechenden Strukturen verankert und umgesetzt, sowohl im Hard- als auch im Software-Bereich."
Seit Juli 2012 gibt es ein Team, das für den gesamten Hardware-Infrastrukturbereich ausschließlich an den Partner-Umsätzen gemessen wird und dem Channel als Ansprechpartner zur Verfügung steht. In der Software-Unit gab es ein solches Team schon seit längerem.
Nachbessern bei den Software-Programmen
Viele IBM-Software-Partner hatten vergangenes Jahr mit IBMs "Software Value Incentive"-Programm gehadert. Denn es sieht vor, dass der Endkunde seinen Renewal-Vertrag beziehen kann, wo er will. In der Folge ist unter den Business Partnern eine regelrechte Preisschlacht um diese Renewal-Verträge entbrannt. IBM will hier nachbessern und gewährleisten, dass der Partner, der den Erstvertrag geschlossen hat, den Renewal-Vertrag zu sehr viel günstigeren Konditionen erhält und sich somit einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern sichern kann. Das entsprechende Programm "Renewal Value Incentive" soll im dritten Quartal 2013 Jahres starten.
Etwas holprig war auch das Lead-Pass-Programm angelaufen, das Ende 2011 startete. Das zentrale Thema war hier die Lead-Qualifizierung. Inzwischen kümmert sich hierzulande und in Europa ein eigenes Team ausschließlich um die Qualifizierung der Leads für Projektvolumen bis 100.000 Euro, ehe sie an die Partner weiter gegeben werden.
"Wir werden hier sicher noch nachbessern müssen", räumte Ivo Körner, Vice President Software Group bei IBM Deutschland, unverblümt ein. Dennoch seien 2012 rund 2.160 Leads an Partner weitergegeben worden, von denen rund zehn Prozent zur Umsetzung kamen.
Spätestens im dritten Quartal 2013 soll außerdem mit "Software One" ein weiteres Programm an den Start gehen, das komplette Solution-Pakete zu Spezialpreisen zur Verfügung stellt. "Damit wollen wir Partnern helfen, Projekte in neuen Märkten und gegen Wettbewerber zu gewinnen", führt Körner aus.
Wachstumspfade für Partner
Wie erfolgreich das Geschäft mit Komplettlösungen - die Kombination von Hard- und Software sowie Dienstleistungen - funktionieren kann, haben jene 20 IBM-Partner gezeigt, die inzwischen das komplette IBM-Portfolio vermarkten und auf dem Event als "Wachstumspartner des Jahres 2012" ausgezeichnet wurden. "Sie haben mit Abstand die größten Zuwächse verzeichnet", hob Channelchef Wippermann hervor.
Die Zahl der zertifizierten Partner stieg im vergangenen Jahr um zehn Prozent, insgesamt haben die Reseller bislang insgesamt 1.600 Zertifizierungen absolviert und damit ihren Produktradius erweitert.
Anreize, Hard- und Software kombiniert zu verkaufen, bietet Big Blue seit Juli 2012 im Rahmen der "Solution Accelerator Initiative". Sie gewährt Resellern eine zusätzliche Marge in Höhe von 15 Prozent, wenn ihr Projekt einen Software- und Hardware-Anteil im Verhältnis von ungefähr 1/3 zu 2/3 umfasst. Die Leistung kann das Systemhaus auch in Kooperation mit einem anderen IBM-Partner erbringen. Ausgeschüttet werden die Prämien über die Distribution.
"Wir werden dieses Programm weiter fortsetzen und ausbauen", kündigte Wippermann an und ermunterte die Teilnehmer, die Demo-Labs der IBM und ihrer Distributoren zu nutzen und auch ihre Endkunden in die US-Labors mitzunehmen. "Wir sind Patentweltmeister und müssen an unser Logo kein "invent" kleben", schob Wippermann mit einem aus seinem Munde selten vernommenen Seitenhieb auf HP nach.
Fachbereiche einbinden
Wippermann und IBM-Deutschlandchefin Martina Köderitz appellierten an die Partner, intensiver mit den Fachabteilungen ihrer Endkunden zusammenzuarbeiten. "Gerade bei E-Commerce-, Big-Data-, Cloud- und Mobility-Themen werden diese Ansprechpartner immer wichtiger", betonte Wippermann.
Köderitz untermauerte diesen Aufruf mit Zahlen: Laut Analysten werden in den nächsten fünf Jahren 90 Prozent der IT-Investitionen in Cloud, Big Data und Business Analytics, Mobile und Smarter Commerce fließen. Und bereits 2017 werden die Vertriebs- und Marketing-Verantwortlichen in den Unternehmen mehr Geld für IT-Systeme ausgeben als die CIOs, schätzt Gartner.
"Überdenken Sie Ihr Business", mahnte die Deutschland-Chefin. "Wir müssen die Fachverantwortlichen kennenlernen und verstehen, die künftig über die IT-Budgets entscheiden, das bedeutet: Wir müssen vor allem die Marketiers, die Vertriebschefs und die CIOs an einen Tisch bringen."
Das Dilemma der CEOs und CMOs
Weshalb gerade Marketing- und Vertriebs-Chefs die Entscheidungshoheit über viele IT-Projekte übernehmen werden, erklärte Köderitz anhand der Ergebnisse der jüngsten CEO und CMO-Studien von IBM. Demnach verursachen die Einflussnahme der Konsumenten und der von Mitarbeitern und Kunden geforderte mobile Zugang den größten Druck. Es reiche den CEOs zufolge deshalb nicht mehr, Kunden zu clustern. Der Siegeszug der sozialen Medien mache es erforderlich, jeden Endkunden individuell anzusprechen. "Dieser Druck ist nicht technologischer Art", zieht Köderitz Bilanz, "sondern er beschreibt die Angst der CEOs, die Geschäftsmodelle nicht schnell genug auf diese Anforderungen anpassen zu können."
Technologie und Kundenmanagement in der Social Media Ära
Für diesen Transformationsprozess könne IBM die Technologie liefern, kombiniert mit einem starken Partnernetzwerk, betonte die IBM-Chefin. "Die Watson-Idee wird mit PureSystems kommerzialisiert, für Big-Data- und vorausschauende Analyse desinged." In diesem Sinne verkaufe IBM weder Produkte noch Lösungen, sondern Transformationsprojekte, beispielsweise für die Digitalisierung der Frontends, oder ermögliche Industrie-Unternehmen die Analyse der Kundenwünsche, die dann in die Entwicklung der künftigen Produkte einfließen können.
Für PureSystems haben sich insgesamt mehr als 350 ISVs zertifiziert, das Gros davon aus Deutschland. Demnächst werde IBM eine spezielle Edition für Managed Service Provider (MSPs) auf den Markt bringen, unterlegt mit einem Pay-as-you-Grow-Modell, kündigte Marcus Alexander Mac Dougall, Sales Leader PureSystems bei IBM, an. Geplant ist außerdem eine PureSystems-basierte Referenzarchitektur für virtuelle Desktop-Infrastrukturen.
Mehr als 30 Software-Hersteller, die Lösungen rund um das Thema Business Analytics entwickeln, hat IBM in den vergangenen 15 Jahren übernommen. "Das verdeutlicht, welche Bedeutung wir diesem Transformations-Geschäft beimessen", konstatierte Dave Kay, der seit einem Monat als Vice President die IBM Business Partner Organisation in Europa leitet.
"Die von IBM 2008 gestartete Losung "Smarter Planet" ist keine Vision mehr, keine Strategie, sondern Realität", legte Köderitz nach. Entsprechend definierte das IBM-Management die Themen Smarter Commerce, Business Analytics, Social Business und Cloud als die Top-Trends - auch im SMB-Markt.
Die Art der Kundenbeziehung verändere sich allerdings nicht nur zwischen Unternehmen und Endkunden, sondern auch zwischen Partner und Unternehmenskunden, stellte Kay klar. "Um diese Beziehung auszubauen, brauchen Partner künftig mehr als nur Wissen und Erfahrung. Entscheidend für ihren Erfolg wird die Frage sein: "Wer weiß, was Sie wissen?" Das bedeutet: Wir alle müssen bei der Vernetzung über die sozialen Medien weiter vorankommen."
Chancen bei Industriekunden ergreifen
Die ISVs rief Wippermann dazu auf, sich ein größeres Stück des Industriekunden-Segments zu erobern: "Bei den Branchen Banken und Versicherungen sowie Transport und Logistik ist das schon gelungen. Jetzt gilt es, diese Erfolge auf weitere Industriezweige auszudehnen."
Projekte im Industriekunden-Umfeld sprengen zwar häufig die Channel-relevante 100.000-Euro-Grenze. Allerdings wickelte IBM bereits in der Vergangenheit laut eigenem Bekunden 90 Prozent dieser Projekte über den Channel ab. Seit Anfang 2012 überträgt Big Blue zudem auch jene größeren Industriekunden, die bislang direkt betreut wurden, an die so genannten Territory-Partner, die sich innerhalb ihrer Region als Partner für einen bestimmten Industriezweig oder für ein spezielles Thema etablieren können.
Aktuell gibt es zehn Territory-Partner im Bereich Hard- und Software und zwölf weitere im Bereich Service. "Es sind noch viele Themen und Regionen frei!", warb Ivo Körner, Vice President Software Group bei IBM Deutschland.
Einen ähnlich regionalen Charakter besitzt das City-Cloud-Programm, über das Systemhäuser und MSPs den Mittelstandskunden in ihrer jeweiligen Region oder in bestimmten Städten lokale, skalierbare Datenspeicherung-Services anbieten können. Bei den City-Cloud-Projekten gebe es vor allem für Managed Service Provider (MSPs) und ISVs noch viel zu holen: "Das ist der Bereich, der sich derzeit am schnellsten entwickelt", berichtet Wippermann. 50 Partner nehmen derzeit am Programm teil.
Projektregistrierung funktioniert
Die meisten Partner registrieren inzwischen ihre Projekte und sichern sich damit zusätzliche Rabatte auch im Infrastruktur-Bereich, für den dies erst seit 2012 möglich ist.
Allerdings kommt es hin und wieder zu Konflikten, wie Wippermann bestätigt: "Bei rund fünf Prozent aller Projekte gibt es in der Regel noch Gesprächsbedarf, um zu klären, wer von den beteiligten Partnern den Deal für sich beanspruchen kann. Die Ursache für den Klärungsbedarf liegt manchmal auf Seite der IBM, manchmal auf Seiten des Partners, das können auch winzige Details sein, beispielsweise ein vergessener Haken bei der Registrierung", räumt der Channelchef unumwunden ein. Den Wert von fünf Prozent hält er aber für eine vertretbare Größe: "100-prozentig ausschließen lassen sich diese Situationen sehr wahrscheinlich nie."
SBO-Ablöse verzögert sich
Echten Verbesserungsbedarf erkennt Wippermann dagegen noch bei der automatisierten Preisfindung. Sein Ziel war es, bis Ende 2012 mehr als die Hälfte der Projektpreise für Deals zwischen 100.000 und 250.000 Euro per automatisierter Preis-Delegation festzulegen, und damit den Anteil der Special Bid Offers (SBO) - die für beide Seiten weitaus aufwändiger sind - zu reduzieren.
Im Februar 2012 lag der SBO-Anteil noch bei rund 80 Prozent. Wie hoch er aktuell ist, wollte Wippermann nicht verraten. Nur so viel: "Hier sind wir noch nicht am Ziel". Erst ab Projekten mit einem Volumen ab 500.000 Euro aufwärts sollten SBOs die Regel sein.
"Skills for Growth" kam an
Gut angenommen von Partnern wurde das Skills-for-Growth-Programm, das 2010 aufgelegt wurde. Es ermöglicht Resellern, sich IBM-Mitarbeiter mit dem jeweils gewünschten Know-how für eine bestimmte Zeit zu mieten.