Mit Hilfe von Social Software will IBM verloren gegangenes Terrain im E-Mail-Markt zurückgewinnen. Eine neue Variante von Notes bietet den Nutzern eine Kombination aus Collaboration-Werkzeugen und Enterprise 2.0.
von Markus Strehlitz (freier Autor in Mannheim)
"Wir befinden uns inmitten einer Schlacht um den E-Mail-Markt", sagte Jeff Schick, Vice President für Social Business bei IBM. Um diesen Kampf zu bestehen und sich von Konkurrenten wie Microsoft oder Google abzuheben, erweitert IBM die hauseigene E-Mail-Plattform Notes kontinuierlich mit Social-Software-Funktionen. Auf der Anwenderkonferenz Lotusphere in Orlando zeigte Big Blue die jüngsten Ergebnis dieser Strategie.
Software wird in Services zerlegt
Mit der Social Edition von Notes können Anwender den Activity Stream der Web-2.0-Plattform "Connections" innerhalb der Mail-Lösung nutzen. Der Activity Stream besteht aus einer Art News-Feed, der Nutzer ständig mit Informationen zu den für sie relevanten Ereignissen versorgt - beispielsweise einer Nachricht aus sozialen Netzwerken oder einer Freigabe-Anfrage aus dem SAP-System. Mit Hilfe des Features "Embedded Apps" lassen sich die Informationen in Notes bearbeiten. Man muss nicht zwischen den Anwendungen wechseln.
Laut Gartner-Analyst Matt Cain folgt IBM damit dem Trend, traditionelle Collaboration-Werkzeuge verstärkt mit Social-Software zu verschmelzen. Die entsprechenden Systeme werden in ihre Funktionen zerlegt, die dann als Services für verschiedene Nutzeroberflächen zur Verfügung stehen. So lassen sich klassische Werkzeuge wie E-Mail neben Web-2.0-Features wie Blogs oder Profile in einer Nutzeroberfläche verwenden - auf dem Desktop wie auf mobilen Endgeräten. IBM setzt diese Strategie mit offenen Standards wie "Opensocial" um.
Connections auch für Exchange
Notes bietet so Social-Software-Funktionen - umgekehrt lässt sich die Web-2.0-Plattform Connections auch als Frontend für E-Mail und Kalender verwenden. In der kommenden Version soll die Lösung an Mail-Server wie Domino, aber auch Microsoft Exchange angebunden werden. Nach Ansicht von Cain grenzt sich IBM damit klar von Konkurrent Microsoft ab. Denn die Redmonder verfolgten eine monolithische Strategie, die weniger offen sei für die Veränderungen im Collaboration-Markt. Frank Heuer, Analyst bei der Experton Group, sieht IBM denn auch auf dem richtigen Weg. "Gerade größere Unternehmen haben großen Bedarf an sicheren Social-Software-Lösungen, die den Anforderungen der Geschäftswelt genügen", so Heuer. "Und IBM bietet solche Lösungen."
Es erscheint sinnvoll, dass IBM seine Social-Software-Techniken einsetzt, um die traditionelle Collaboration-Lösung Notes zu stärken. Denn anders als im E-Mail-Bereich habe IBM bei den Social-Software-Tools eine gute Marktposition inne. Zudem kommt Connections nicht nur bei Analysten, sondern auch bei Anwendern an. Allerdings dürfte es schwierig werden, den Boden wieder gut zu machen, den man im E-Mail-Sektor verloren hat. "Für IBM wird es zunächst darum gehen, angesichts des zunehmenden Wettbewerbs seinen Marktanteil zu halten", meint Heuer.
(Computerwoche / rb)
Das Praxisbeispiel von Bayer Material
Science zeigt sowohl die Herausforderungen als auch die Chancen. Die Tochter des Chemiekonzerns Bayer verwendet Connections als Web-2.0-Plattform für das interne Wissensmanagement. Das Unternehmen hatte laut CIO Kurt De Ruwe zunächst versucht, die Anwendung mit Microsoft Sharepoint und dem integrierten Web-2.0-Werkzeug "MySite" umzusetzen. Inzwischen weiß De Ruwe: "Microsoft ist gut für Collaboration, aber nicht für Social-Business-Anwendungen." Sharepoint und MySite könnten nur einen Teil dessen leisten, wozu Connections in der Lage sei.
Notes bleibt für IBM strategisch
Bei Bayer Material Science gilt die Vorgabe, in der gesamten IT-Umgebung auf Microsoft als Standard zu setzen. Das gilt auch für das E-Mail-System. Ihre elektronische Post verschicken die Bayer-Mitarbeiter mit Microsoft Outlook. Das Mail-Programm ist aber komplett mit IBMs Connections integriert. Somit nutzt Bayer jeweils die Stärken der beiden Anbieter.
Trotz des harten Wettbewerbs mit Microsoft und anderen Konkurrenten hält IBM an seiner Collaboration-Lösung fest. "Notes spielt weiter eine wichtige Rolle in unserer Strategie", stellt einmal mehr Alistair Rennie klar, General Manager für Social Business bei IBM. Laut Gartner-Mann Cain ist Stillstand in diesem Marktsegment auch gar nicht machbar: "Notes muss sich weiter entwickeln oder sterben." (ba)
Weitere Produkte von der Lotusphere
Neben der Social Edition von IBM Lotus Notes und Domino, die derzeit als Beta vorliegt, stand die Kombination von Datenanalyse mit Social Software im Mittelpunkt der Lotusphere 2012. IBM kündigte an, dass sich in die Beta der kommenden Connections-Version entsprechende Funktionen einbinden lassen. So könnten Unternehmen zum Beispiel Informationen aus sozialen Netzwerken oder Blogs für Marketingmaßnahmen auswerten. Um die Inhalte der Social-Software-Anwendungen sicher zu verwalten, stellt IBM eine Enterprise Content Edition von Connections bereit, die Content-Management-Funktionen integriert.
Lotus Live, die Cloud-Lösung für Collaboration-Zwecke, heißt nun Smart-Cloud for Social Business und ist in das IBM-weite Cloud-Angebot eingebunden. Zudem plant IBM, die mobile Variante von Notes mit dem Namen Traveler auch für Windows Phone auf Nokia- und HTC-Geräten verfügbar zu machen.