IBM fordert mit Serverstrategie Sun und Co heraus

10.12.2000
Das Ende von Netfinity, AS/400, RS/6000 und S/390 ist eingeleitet. Denn künftig schickt Big Blue seine vier Serverplattformen, einheitlich "Eserver" benannt, ins Rennen um die Gunst der "E-Business"-Unternehmen. Diese von den Vorzügen der weitgehend neuen Rechner zu überzeugen, dürfte der Gerstner-Truppe nicht leicht fallen. Denn Dotcoms bevorzugen bis heute Produkte von Sun, HP, Compaq und anderen.

In Deutschland war am vergangenen Dienstag, dem "Tag der deutschen Einheit" hauptsächlich Freizeit angesagt. IBM hingegen, größter Computerhersteller der Welt, machte sich am Vormittag dieses Tages in New York daran, die neue Dachmarke "Eserver" vorzustellen. William Zeitler, verantwortlich für die über fast neun Milliarden Dollar schwere Serverabteilung, tönte Marketing-gerecht von der "dramatischsten Veränderungen in unserem Hardware-Geschäft in den letzten 30 Jahren".

Unter dem mittlerweile von einer kleineren US-Firma für sich beanspruchten Label "Eserver" vermarktet Big Blue künftig - nach einer Übergangsphase von zwölf Monaten konsequent - alle Server: Die 1997 eingeführten PC-Entry-Server (Netfinty wie die zugekauften Numa-Server von Sequent) heißen nun "X"-Server, wobei X für "Cross" steht; die seit 1990 offerierten Unix- (RS/6000) und die 13 Jahre lang als "AS/400" betitelten Midrange-Server bekommen die Bezeichnungen "P" (Power) und "I" (Integration) verpasst; die mit Milliardenaufwand renovierten S/390-Rechner, Marktführer unter den Mainframeboliden, heißen jetzt "Z" ("Zero downtime").

Erklärte Absicht dieses mit insgesamt über 300 Millionen Dollar Werbeetat versehenen Relaunch ist es, wie IBM-Manager Irving Wldawsky-Berger betonte, den Ser-ver-Marktführern Sun und Hewlett-Packard sowie Compaq und Dell im PC-Segment das Geschäft so schwer wie möglich machen. Dazu hat IBM allen Grund: Trotz des nunmehr drei Jahre währenden Trommelfeuers "E-Bussines" verkaufte der selbst ernannte "Dotcom"-Infrastruktur-Anbieter Sun im letzten Jahr fast doppelt so viele Unix-Server wie Big Blue an Web-Companys und Unternehmen, die an ihrer Web-Infrastruktur bas-teln.

Aber auch im laut Marktforscher IDC größten Wachstumsmarkt PC-Server haben Compaq und Dell die Nase vorn. Allein im Mainframe-Geschäft rangiert Big Blue gewohnheitsmäßig ganz vorne. Die Konsequenz: Alle Serverbereiche addiert musste die Gerstner-Company im letzten Jahr mit rund 8,7 Milliarden Dollar um 18 Prozent geringere Umsätze verzeichnen als im Jahr zuvor. "Wir haben Sun den Markt geschenkt", merkte unlängst IBM-CEO Louis Gerstner bei der Betrachtung des "E-Business"-Geschäfts selbstkritisch grimmig an.

Die Zeit der Geschenke ist vorbei

Doch im "E-Business-Geschäft, das akut in seine zweite, seriöse Phase eintritt", (Irving Wldawsky-Berger) ist noch nichts entschieden. Unternehmen suchen nach Plattformen, mit denen sie wuchernde Serverlandschaften und ständig wachsende Administrationskosten in den Griff bekommen können. Hierfür bietet Big Blue den Großrechner "Zserver" an. Ab einer Millionen Dollar aufwärts zu haben, präsentiert ihn Big Blue mit einem neuem Multichip-Modul, das bis zu 300 Millionen Transaktionen täglich, im Cluster sogar theoretische neun Milliarden Transaktionen verarbeiten kann. Ferner kann der 64-Bit-Server, der sich selber warten kann und auf dem diverse Betriebssysteme unabhängig voneinander ablaufen (logische Partitionierung; LPAR), mittels der TCP/IP-basierten "Hypersocket"-Technik virtuelle Server im Sys-tem zu einem Netzwerk verbinden. Das macht dem Administrator das Leben mit Servern und Subsystemen deutlich leichter. Dass der Bolide Rechenlasten dynamisch und ohne Eingriffe von Hand innerhalb des Systems und des Netzwerks verteilt, dürfte E-Kommerz-Unternehmen mit nicht vorhersehbaren Anforderungen an Systemressourcen besonders gut gefallen. Zumal Big Blue künftig sich nicht mehr Mips bezahlen lässt, sondern gemäß der von Kunden selbst errechneten durchschnittlichen Serverauslastung abrechnet. Als weiteres Argument gegen Sun und Co bietet IBM "Capacity-Upgrade-on-De-mand" (CUoD) an: Unternehmen können bei Bedarf in einem System vorhandene, doch noch nicht genutzte CPUs zuschalten ("vertikales CUoD") beziehungsweise durch zusätzliche, vorher nicht genutzte komplette Server die Systemleitung aufmöbeln ("horizontales CUoD").

Und da auch die Unix-Rechner - Kostenpunkt ab 150.000 Dollar - und die Arbeitspferde AS/400 an den Mainframe-Qualitäten schon teilhaben beziehungsweise werden, außerdem alle Server mit Web-Sprachen wie Java, HTTP und XML umgehen können und überdies vorkonfektionierte Software-Pakete anbieten, verspricht sich IBM das "Ende der bisherigen Server" und den Umstieg auf die eigenen.

"Rebranding ist ein echtes Glücksspiel"

Wie Kunden wirklich reagieren, kann auch IBM nicht wissen. Zwar kann das Unternehmen vom Server über Middleware bis hin zu Bandlaufwerken und Netzen alles bieten, doch vorerst muss es das Rebranding durchsetzen. Das dürfte nicht leicht fallen, meinen Analysten Tom Bittman von US-Marktforscher Gartner. "Das Rebranding ist ein echtes Glücksspiel, wenn IBM nicht genügend in diese Strategie investiert", warnt er. Das habe man in jedem Fall vor, erwidert Big Blue. Doch wie es seinen Partnern, die jahrelang mit dem AS/400- oder RS/6000-Label bis vergangenen Dienstag auf Kundenfang gingen, die Botschaft "E-server" verkauft, weiß IBM offensichtlich noch nicht genau. Dessen eingedenk, wurden diese vorsorglich nach der Presse informiert. Ein Vorgang, der sogar bei IBM intern für Kopfschütteln sorgte. (wl)

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