Tipps zur Moderation konstruktiver Teamsitzungen

Hurra, ein Meeting!

28.09.2017 von Claudia Seidel
Kennen Sie das? Passive Meeting-Teilnehmer, die sich entspannt in die letzte Ecke setzen oder langwierige Soloeinlagen ohne Punkt und Komma? Machen Sie Schluss damit und gestalten Sie Ihre Besprechungen effizient und effektiv.

"Bei den montäglichen Teammeetings komme ich mir immer vor wie ein Clown, der versucht, die Leute zu bespaßen und zum Mitmachen zu motivieren", sagt mir der Teamleiter der IT-Infrastrukturbetreuung eines mitteständischen Unternehmens beim Coaching konsterniert. Als ehemalige Systemadministratorin und Produktmanagerin in der ITK-Branche kenne ich das Verhalten nur zu gut. Und er ist nicht der erste, von dem ich das höre.

Vereinbaren Sie mit Ihren Kollegen nicht nur wo, sondern auch wie Meetings stattfinden sollen.
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In meiner Tätigkeit als ICF Business- und Team-Coach, treffe ich oft auf Bereichs- Abteilungs- und Teamleiter von Systemhäusern oder IT-Unternehmen. Sie beklagen im Coaching häufig, dass bei Meetings die Mitarbeiter zu spät kommen oder in Gedanken noch mitten in ihrer JavaScript Programmierung stecken. Oder sie kommen in den Meeting-Raum, setzen sich hin und schauen noch schnell im Internet-Forum nach einer Lösung für ein Router Problem mit der Bemerkung: "Ich höre trotzdem schon zu". Multitasking lässt grüßen!

Und was macht das mit dem "Clown" da vorne? Er versucht es in agilen Teams motivierend mit "Es gibt heute etwas ganz wichtiges zu besprechen, wo all eure Aufmerksamkeit gefragt ist!" oder er wird in klassischen Hierarchien zum autoritären Dompteur mit den Worten "Jetzt wird hier nicht mehr gesurft. Ich erwarte von jedem die volle Aufmerksamkeit und Beteiligung beim Meeting!"

Kein Allheilmittel in Sicht

Um es vorweg zu nehmen: ein Allheilmittel im Umgang mit passiven, unvorbereiteten oder zu spät kommenden Mitarbeitenden gibt es nicht, Menschen sind keine Computer. Wir alle haben mal einen Durchhänger, einen schlechten Tag oder einen platten Reifen. Aber durch kontinuierliches Reflektieren und gemeinsames besprechen nicht nur des "Was" sondern auch des "Wie" eines Meetings, können viele zum Teil auch unterschwellige Ärgernisse aufgedeckt und bearbeitet werden.

Im Coaching frage ich also die Führungskraft, was sie sich denn genau wünscht. Wie soll eine Besprechung idealerweise ablaufen. Was könnten sich die Teilnehmenden wünschen? Ich stelle gemäß den Kernkompetenzen der Internationalen Coaching Föderation ICF wirkungsvolle Fragen, damit beispielsweise der Teamleiter der IT Infrastruktur Klarheit über die Wünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten einnimmt, also nicht nur seine eigene Sicht beschreibt sondern auch mal die Perspektive der Teilnehmenden.

Oft kommen dann Antworten, die ich mit Scrum verbinde: regelmäßige Besprechungen zum klären akuter Fragen und zum Austausch über anstehende Arbeiten, feste Zeiten und eine festgelegte Dauer, die eingehalten wird. Das Treffen von Entscheidungen und das Besprechen von Störung auch in der Zusammenarbeit oder Kommunikation.

Dann frage ich als ICF Coach die Führungskraft ganz konkret:

Wann würden die Meeting-Teilnehmenden "Hurra, ein Meeting!" rufen?

Schweigen. Dann sprudelt es an Ideen wie:

  1. Wenn das Meeting für alle Anwesenden einen Sinn macht, also die Themen alle etwas angehen.

  2. Wenn die Meinung jedes einzelnen wichtig ist, also alle aktiv zuhören.

  3. Wenn alle sich auf den Inhalt vorbereiten können, es also eine Agenda gibt.

  4. Wenn Entscheidungen getroffen werden, weil alle vorbereitet sind und jemand die Entscheidungsmacht hat.

  5. Wenn die Zeit nicht verschwendet ist, also das Meeting straff moderiert wird.

  6. Wenn alle dem Ablauf folgen können, z.B. indem Angelegenheiten visualisiert werden.

  7. Wenn das Meeting auch Spaß macht, also mal gelacht wird.

"Und wie soll ich das nun machen, das alle "Hurra, ein Meeting!" rufen? Werde ich dann gefragt.

Da mir als ICF Coach daran liegt, mit dem Coachee zusammen Handlungen zu entwerfen, die für den individuellen Fall passen und wofür der Coachee selber die Verantwortung übernimmt, gehe ich mit ihm die verschiedenen Meetings, Optionen und Lösungsideen durch.

Stand-up-Meetings

Im Falle des Teamleiters der IT-Infrastrukturbetreuung kam beispielsweise heraus, dass sich das Team nicht mehr jeden Montag für 1 bis 2 Stunden trifft, sondern lieber täglich bei der Schichtübergabe und nur für eine Viertelstunde, in sogenannten 15-minütigen Stand-up-Meetings. Im Stehen rund um einen hohen Bartisch treffen zum Beispiel die Mitarbeitenden der Früh- und Spätschicht zusammen und es wird von wichtigen, bereits erledigten Tätigkeiten berichtet, end es werden die noch offenen Aufgaben übergeben. Besteht über die 15 Minuten hinaus Abstimmungsbedarf beispielsweise zwischen zwei Serverspezialisten, bleiben die beiden im Anschluss am Tisch stehen oder setzen sich direkt vor den Bildschirm und klären ihren Fall unter vier Augen. Die anderen widmen sich ihren eigenen Aufgaben oder gehen in den Feierabend.

Das auf dem Bartisch mal eine Tasse Kaffee oder ein Glas Cola steht, ist OK. Ein Teller Suppe oder Alkohol ist allerdings tabu. Diese und andere Vereinbarungen wurden zu Beginn des Stand-up-Meeting-Formats mit allen Teammitgliedern getroffen, auch wenn manche Regeln schon in der Unternehmens-Policy stehen. Zu Beginn des neuen Formats wurden einerseits im Team strukturelle Rahmenbedingungen wie Sinn und Zweck, Häufigkeit, Dauer und Ort des Meetings vereinbart. Andererseits wurde auch das Miteinander vereinbart, also WIE alle miteinander umgehen wollen, rein auf der menschlichen Ebene. Soll jeder der Reihe nach zu Wort kommen oder gibt es spontane Beiträge? Was ist mit zu spät kommenden? Welche Verantwortlichkeit übernimmt jeder Einzelne? Und was sein oder ihr Beitrag dafür? Wie werden Entscheidungen getroffen?

All diese Vereinbarungen wurden schriftlich festgehalten und unterschrieben. Hin und wieder kommt diese Whiteboard-Folie wieder an die Wand und es wird gemeinsam reflektiert, ob die Vereinbarungen eingehalten wurden, ob welche obsolet sind oder ob Neue Regeln aufgenommen werden sollen. Beispielsweise hat der Geschäftsführer eines kleinen Systemhauses mit seinem Team vereinbart, dass die Moderation der monatlichen Teamsitzung reihum wandert. Also hin und wieder sowohl die kommunikative Vertrieblerin durch das Meeting leitet als auch der weniger redegewandte "Nerd". Das schafft Verantwortlichkeit, Empathie und Akzeptanz.

Sechs Praxistipps für die Moderation

Aus meiner Erfahrung als ICF-zertifizierter Coach kann ich folgende sechs Tipps für die Moderation konstruktiver Teamsitzungen zusammenfassen:

1. Nehmen Sie alle Teilnehmenden in die Verantwortung!

Wer moderiert das Teammeeting (heute)? Wer hatte denn schon lange nicht mehr die Moderation übernommen?

Indem mal andere Teilnehmer/-innen moderieren als Sie, schaffen Sie Mitverantwortlichkeit unter den Beteiligten und Empathie für die Meeting-Moderation "da vorne". Hier würde auch ganz schnell auffallen, wenn jemand unvorbereitet kommt. Und falls Sie ein Protokoll brauchen, lassen Sie auch diese Aufgabe rotieren.

2. Vereinbaren Sie die gewünschte Atmosphäre!

Fragen Sie zu Beginn und im Laufe der Zeit hin und wieder, wie sie miteinander im Team umgehen wollen und was dazu nötig ist? Wollen die Teilnehmenden passiv und teilnahmslos im Meeting sitzen und in Ruhe gelassen werden oder aktiv und vorbereitet sein, um voran zu kommen? Was noch? Denn es macht einen Unterschied, ob Sie bewusst und transparent vereinbaren, wie sie in Besprechungen sein wollen, oder ob Sie unausgesprochen Engagement erwarten, weil die Leute ja gekommen sind.

3. Aktivieren Sie die Teilnehmer/-innen!

Was ist der Nutzen der heutigen Teambesprechung? Was ist das Ziel des Meetings? Und: was ist Ihr Beitrag, dass wir als Team das Ziel erreichen?

Fordern Sie von allen im Raum oder am Tisch eine Rückmeldung, verbal oder non-verbal, z.B. auch durch Handzeichen oder physikalischen Standortwechsel. So kann sich niemand hinter seinem Schreibblock verstecken oder abwesend eine SMS schreiben.

4. Halten Sie den Zeitplan ein!

Sie haben 90 Minuten für die Besprechung blockiert? Dann halten Sie diese Zeit auch ein - oder verkürzen die Sitzung. Fangen Sie pünktlich an, denn sonst komme auch ich als Moderatorin das nächste Mal später, weil ich in der Wartezeit ja noch hätte etwas anderes erledigen können (-:

Lassen Sie zum Schluss ein paar Minuten Zeit, um Ergebnisse und Entscheidungen zusammen zu fassen und den Umgang mit eventuell noch offenen Punkten zu vereinbaren. Hier kann natürlich auch einvernehmlich mit den Beteiligten eine Verlängerung der Sitzung beschossen werden - eventuell in verkleinerter Zusammensetzung.

5. Bewahren Sie eine positive Haltung!

Eine Teamsitzung in konstruktiver, humorvoller und entgegenkommender Atmosphäre ist wohl die beste Voraussetzung, um schnell voranzukommen. Das heißt nicht, dass schwierige Themen und Diskussionen außen vor bleiben. Nur ist es dabei ein Unterschied, ob ich meine Auffassung in der Haltung: "Ich habe Recht" oder mit der Einstellung: "Ich habe eine andere Meinung" darlege. Das können Sie auch von Politikern lernen, die besonders bei umstrittenen Themen beginnen mit: "Meiner Ansicht nach…".

6. Schaffen Sie visuelle Orientierung!

Welche Themen auf der Sitzungsagenda stehen und was schon abgearbeitet und beschlossen wurde, können Sie per Flipchart, Whiteboard, Sticky-Notes oder auch per Beamer für alle visuell festhalten. Damit schaffen Sie eine einheitliche Übersicht und schließen die Teilnehmenden des Meetings in den Prozess mit ein. Vor allem, wenn zu einem Thema viel geredet und diskutiert wird, ist eine Visualisierung hilfreich, damit alle involviert bleiben.

Eigene Lösungen finden

Finden Sie als Führungskraft vor allem agiler Teams aber unbedingt Ihre eigenen Lösungen. Und hinterfragen Sie von Zeit zu Zeit das Format und die Notwendigkeit des Meetings - natürlich unter Beteiligung aller Teilnehmenden. Denn so schaffen Sie wieder Mitverantwortlichkeit, ein wesentlicher Aspekt für die Gestaltung effizienter und effektiver Teamsitzungen. Viel Erfolg! (OE)